Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 113
zu sprechen; wenn er trotzdem hinter diesem „westliche Kolo-
nisten“ sieht, so bezeichnet er damit die typologische Grundlage
dieser Deutung aber ungleich exakter. Immerhin steht man hier,
angesichts des Vorkommens derartiger Außenposten, die zudem
nur für vorübergehend nachweisbar sind, eindeutiger als sonst in
derartigen Fällen vor der Frage, wo denn nun die Grenzen zwischen
Kultureinfluß und Wanderung von Bevölkerungsteilen im einzelnen
liegen. Aber wenn da eine klare Entscheidung kaum möglich ist,
so bedeutet dies doch keine allzu große Einbuße, insofern diese
Außenposten im Rahmen des gesamten Geschehens ohnehin von
nur geringer Bedeutung sind. Auch in dem Beispiel der am Ende
der Bronzezeit stehenden Urnenfelderkultur bleibt es ja eine offene
Frage, wie weit diese vom östlichen Teil des küstenfernen Mittel-
europa ausgehende, in Spanien wie England festgestellte Bewe-
gung von einem geschlossen auftretenden, einen politischen Faktor
darstellenden Volkstum getragen war. So eindringlich befestigte
Höhensiedelungen und andere Beobachtungen in Süddeutschland
auf ein solches verweisen, so unsicher ist dies z. B. schon für die
Gegend des Niederrheines, und sollte demnach in den noch weiter
entfernt liegenden Gebieten nur von einer Kulturbewegung ge-
sprochen werden. Die in den Urnenfeldern zum Ausdruck kom-
mende Lebenskraft des illyrischen Volkes entbehrt eben des zu-
verlässigen Hintergrundes der Schriftquellen; zum Unterschied
von dem entsprechenden Abschnitt der Keltengeschichte liegt sie
bereits ganz in der schriftlosen Frühzeit, und fehlt es damit an
der Möglichkeit, die Intensität der Bewegung abzuschätzen. So
einheitlich wie in dem Beispiel des germanischen Kreises verläuft
die Entwicklung anderwärts kaum noch ein zweites Mal durch die
Jahrhunderte hindurch, und bedeutet es demnach auch nicht viel,
wenn in den Fällen der Beigen und der oberrheinischen Sweben
vorübergehende Einbußen entstehen. Wie aber will man die Schick-
sale derjenigen Völker fassen, welche nicht so eindeutig in die
Zeiten der Schriftquellen ausmünden, wenn man ihre Lebenskraft
immer erst aus den Funden folgern muß und niemals dazu in der
Lage ist, sie als eine bekannte Größe der Deutung des Stoffes zu-
grunde zu legen? Mit der Vorstellung, daß hinter den Kultur-
provinzen jeweils eine besondere Lebenskraft steht, ist auch hier
kaum mehr etwas gewonnen, insofern die Einzelheiten dieser so
weit zurückliegenden Völkerschicksale und damit unserer ethno-
graphischen Karten im Dunkel bleiben. Natürlich wird man hinter
8 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil. hist. Kl. 1940/41. 2. Abh.
zu sprechen; wenn er trotzdem hinter diesem „westliche Kolo-
nisten“ sieht, so bezeichnet er damit die typologische Grundlage
dieser Deutung aber ungleich exakter. Immerhin steht man hier,
angesichts des Vorkommens derartiger Außenposten, die zudem
nur für vorübergehend nachweisbar sind, eindeutiger als sonst in
derartigen Fällen vor der Frage, wo denn nun die Grenzen zwischen
Kultureinfluß und Wanderung von Bevölkerungsteilen im einzelnen
liegen. Aber wenn da eine klare Entscheidung kaum möglich ist,
so bedeutet dies doch keine allzu große Einbuße, insofern diese
Außenposten im Rahmen des gesamten Geschehens ohnehin von
nur geringer Bedeutung sind. Auch in dem Beispiel der am Ende
der Bronzezeit stehenden Urnenfelderkultur bleibt es ja eine offene
Frage, wie weit diese vom östlichen Teil des küstenfernen Mittel-
europa ausgehende, in Spanien wie England festgestellte Bewe-
gung von einem geschlossen auftretenden, einen politischen Faktor
darstellenden Volkstum getragen war. So eindringlich befestigte
Höhensiedelungen und andere Beobachtungen in Süddeutschland
auf ein solches verweisen, so unsicher ist dies z. B. schon für die
Gegend des Niederrheines, und sollte demnach in den noch weiter
entfernt liegenden Gebieten nur von einer Kulturbewegung ge-
sprochen werden. Die in den Urnenfeldern zum Ausdruck kom-
mende Lebenskraft des illyrischen Volkes entbehrt eben des zu-
verlässigen Hintergrundes der Schriftquellen; zum Unterschied
von dem entsprechenden Abschnitt der Keltengeschichte liegt sie
bereits ganz in der schriftlosen Frühzeit, und fehlt es damit an
der Möglichkeit, die Intensität der Bewegung abzuschätzen. So
einheitlich wie in dem Beispiel des germanischen Kreises verläuft
die Entwicklung anderwärts kaum noch ein zweites Mal durch die
Jahrhunderte hindurch, und bedeutet es demnach auch nicht viel,
wenn in den Fällen der Beigen und der oberrheinischen Sweben
vorübergehende Einbußen entstehen. Wie aber will man die Schick-
sale derjenigen Völker fassen, welche nicht so eindeutig in die
Zeiten der Schriftquellen ausmünden, wenn man ihre Lebenskraft
immer erst aus den Funden folgern muß und niemals dazu in der
Lage ist, sie als eine bekannte Größe der Deutung des Stoffes zu-
grunde zu legen? Mit der Vorstellung, daß hinter den Kultur-
provinzen jeweils eine besondere Lebenskraft steht, ist auch hier
kaum mehr etwas gewonnen, insofern die Einzelheiten dieser so
weit zurückliegenden Völkerschicksale und damit unserer ethno-
graphischen Karten im Dunkel bleiben. Natürlich wird man hinter
8 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil. hist. Kl. 1940/41. 2. Abh.