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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0118
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118

E. Wahle:

wurde bereits an dem Inventar der Reihengräberfelder vorgeführt,
und es ergab sich dort nicht nur, daß einer kurzen ,,Nährperiode“
eine lange Zeit des Zehrens an diesem Neuen folgt, sondern auch,
daß die neue Typentafel recht unvermittelt in Erscheinung tritt
und wir somit die gestaltenden Kräfte kaum irgendwo am Werke
sehen. Die gleiche Beobachtung war auch an dem Beispiele der
linksrheinischen Germanen möglich; während sich jedoch die be-
sonderen geschichtlichen Voraussetzungen des Stiles der Mero-
wingerzeit aus den Schriftquellen bequem ablesen lassen, bedarf es
in diesem Falle einer weitläufigen Kombination, um in den Funden
aus dem Rheinischen Schiefergebirge den Wechsel der tragenden
Bevölkerung zu erkennen und somit die Zeit der Aktivität gegen
diejenige abzugrenzen, welche von dem neu gewonnenen Zustande
zehrt. Indem es sich hier als unmöglich erwies, das nach den Schrift-
quellen zu erwartende Vorrücken der Germanen in die Landschaften
links des Mittel- und Niederrheines vermittels typologischer Reihen
zu verfolgen, war nicht nur die Notwendigkeit gegeben, nach einem
anderen Wege zu suchen, der ein zuverlässiges Bild des betreffen-
den Vorganges in Aussicht stellte. Die Lücke, welche es somit zu
überbrücken galt, zeigt sich innerhalb des prähistorischen Stoffes
so vielfältig, daß man hier einem ganz allgemeinen Problem der
archäologischen Methode gegenübersteht. Es handelt sich danach
um nichts Geringeres als wie um die Frage, ob sich in dem Ablauf
der archäologischen Provinzen aktive und passive Zeiten des Wiker-
lebens widerspiegeln, und ob von hier her die in den beiden letzten
Kapiteln versuchte Betonung der individuellen Gestaltungskraft
gerechtfertigt wird.
Allerdings lehrt ein Blick in das heutige Schrifttum sehr bald,
daß die Vorstellung von der sich über einen längeren Zeitraum
erstreckenden Fundprovinz der Deutung durch eine hinter ihm
stehende Lebenskraft noch entbehrt. Bemerkungen im Stile der-
jenigen M. Eberts1, die aus den Typentafeln eine Dynamik heraus-
lesen, begegnen jedenfalls sehr selten. Dies ist wohl darin begrün-
det, daß die auf den Typenreihen aufbauende Forschung sich in
erster Linie denjenigen Stoffgebieten zuwendet, welche die Beob-
achtung der Abwickelung eines Formenkreises gestatten. An dem
Studium der nordischen Bronze- und Eisenzeit, der Altertümer des
La-Tene-Kreises und der ostpreußischen Gräberfelder ist die Prä-
historie zur kritischen Wissenschaft herangereift, und in jedem

1 S. oben S. 110.
 
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