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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0134
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134

E. Wahle :

Bodenfunde zu rechtfertigen. Die Folgezeit versuchte zunächst,
wie an dem Beispiel des rückläufigen Stromes gezeigt wurde, diese
typologische Methode auszubauen; insgesamt aber ist sie bei ihr
stehen geblieben, und die Generation, welche auf Kossinna folgte,
hat es kaum vermocht, den von ihm verkörperten Stand der Methode
aufrechtzuerhalten. So kommt jetzt eine Typenreihe irischer Gold-
geräte zustande, welche „von der Gewand- oder Mantelschließe
zum Armring“ führen soll1, d. h. dem Interesse an einer glatten
Abwickelung der Form die Vorstellung zumutet, man habe plötz-
lich die Zweckbestimmung eines Gerätes geändert. So wird eine
„Formenentwicklung“ germanischer Schildbuckel der ersten Jahr-
hunderte n. Chr. geboten, die eigentlich nur aus Disharmonien
besteht2, ja sogar „die Mittelstufe zwischen Bestatten und Ver-
brennen“, welche dem betreffenden Beobachter die Brücke in der
Abfolge dieser beiden Bräuche ist3. Der Schritt von hier aus zu
1 Jahresschrift des Focke-Museums Bremen 1939. Doch ist E. Grohne
sich selbst des Unnatürlichen in dieser Anordnung der Typen bewußt; er
empfindet „gewissermaßen eine Cäsar“ (S. 38) inmitten des als möglich hin-
gestellten Entwicklungsganges, und mit seiner Überlegung, daß barockisie-
rende Formen als Ausartungen oder Schlußentwicklungen anzusehen seien,
während eine Renaissance mit ruhigen, klaren Linien beginne (S. 41), ent-
fernt er sich noch weiter von dem Glauben an die Zuverlässigkeit der von ihm
selbst aufgestellten Reihe.
2 M. Jahn, Die Bewaffnung der Germanen in der älteren Eisenzeit
(Mannusbibliothek Nr. 16), 1916, bietet auf Tafel 111 nicht eine allmähliche
Formveränderung, die, wie das bei eigentlichen Typenfolgen der Fall sein
sollte, mit einer Ausgangsgestalt beginnt und diese kontinuierlich weiterbildet.
Vielmehr stehen hier zeitweise mehrere ganz verschiedene Typen nebenein-
ander; neue Formen tauchen unvermittelt auf, und eine schon einmal da-
gewesene ersteht neu aus einer anderen Wurzel. Trotzdem wird hier, wie die
Unterschrift der Tafel lehrt, eine „Formenentwicklung“ gesehen, wo doch das
LTnharmonische, ja geradezu Eigenwillige in dem dargebotenen Bilde dazu
drängt, hier den handelnden Menschen in Rechnung zu setzen.
3 K. Hörmann findet in eigenen Grabungen Zeugnisse bronzezeitlicher
Leichendörrung und faßt diese in dem genannten Sinne auf. Daß er dabei
nicht nur an eine sachliche Ordnung der verschiedenen Bräuche denkt, son-
dern darüber hinaus an ihre zeitliche Abfolge, geht zwar nicht aus dem Auf-
satz hervor, der den hier zitierten Titel trägt (ScHUMACHER-Festschrift, 1930,
77—79), wohl aber aus einer anderen Äußerung von ihm; vgl. Abhandlungen
der Naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg 21, Heft 6, 1926, 292: sollte
sich die hier vorgetragene Deutung eines archäologischen Befundes bestätigen,
„dann würde auch das große Rätsel der Ursache des Übergangs von der Erd-
zur Brandbestattung und ihr teilweises Nebeneinandervorkommen in einem
ganz anderen, neuen Licht erscheinen und wäre dem Verständnis nahegerückt:
 
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