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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0135
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 135

der Vorstellung, daß „die Gesamtgeschiclite der Menschheit ein
ganz bestimmter Ereignisablauf, ein Faktum von absoluter Exakt-
heit“ sei* 1, erscheint nur klein, und nicht minder derjenige zu dem
Bilde „der gesetzmäßigen Charakterentwicklung der Völker“2.
Dieses Denken äußert sich weiter in dem vielerorts zutage
tretenden Nützlichkeitsprinzip und einer Überschätzung der Orga-
nisation. Nur zu leicht steht die öffentliche Verlautbarung über
ein frühgeschichtliches Thema unter dem Gesichtspunkt der Wer-
bung für die Belange der Denkmalpflege. Die Erörterung der „Be-
ziehungen der Vorgeschichtskunde zur Naturwissenschaft“ betrifft
lediglich die praktische Hilfeleistung und denkt überhaupt nicht
daran, die ganze Tiefe einer derartigen Themastellung auch nur
anzudeuten3. Das Verlangen nach „der gebührenden Stellung der
Prähistorie endlich auch an den Universitäten“, das vor 1933 fort-
gesetzt bei uns erhoben wurde, glaubte man bezeichnenderweise
durch „einen Überblick und Einblick in die weitverzweigte Organi-
sation unserer Wissenschaft“, nämlich ein „Handbuch der prä-
historischen Sammlungen, Anstalten und Ämter“ vorteilhaft unter-
stützen zu können4. Endlich ist in diesem Zusammenhang auch
noch der Regelung des Universitätsstudiums der Frühgeschichte zu
gedenken, wie sie in Deutschland bestimmten Kreisen erstrebens-
wert schien. Sie kam infolge des allzu starken Auseinandergehens
denn vom Rösten und Sengen bis zum gänzlichen Verbrennen ist nur ein
kleiner Schritt.“ — Für das typologisch gerichtete, um die Glättung aller
Schroffheiten bemühte Denken ist die Leichenverbrennung etwas so Neues
und Lmerklärbares, daß ihr Auftreten eines sie vorbereitenden Brauches bedarf.
1 Biszeit und Urgeschichte 6, 1929, 1 (J. Bayer).
2 S. Passarge, Grundzüge der gesetzmäßigen Charakterentwicklung der
Völker auf religiöser und naturwissenschaftlicher Grundlage und in Abhängig-
keit von der Landschaft, 1925.
3 Wiener Prähistorische Zeitschrift 25, 1938, 4—19 (L. F. Zotz und W.
von Stokar). Dieser Aufsatz ist der jüngste in einer schon vor längerer Zeit
begonnenen Reihe von solchen, welche diese Beziehungen behandeln und in
denen besonders von geologischer Seite her geradezu peinlich genau abge-
wogen wurde, wer dem Partner mehr gibt, als wie er von ihm nimmt.
Aber alle diese Überlegungen bleiben doch sehr an der Oberfläche der
Dinge und sind mehr nur ein Zeugnis der technischen Beflissenheit als wie des
Nachdenkens über Natur- und Geisteswissenschaften. Denn derartige prak-
tische Beziehungen gibt es überall zwischen den Disziplinen, und ohne daß
sie anderwärts derartig herausgestellt würden; doch an das naturwissenschaft-
liche Denken als solches und an seinen Einfluß auf die Prähistorie hat man
noch kaum irgendwo gedacht!
4 Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 7, 1931, 159 (A. Tode).
 
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