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E. Wahle:
und seine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Ausein-
andersetzung mit der Umwelt erkennen. Die Parallele dieser von
K. Beurlen mit aller Entschiedenheit herausgestellten Auffassung1
mit der hier vorgetragenen Deutung der frühgeschichtlichen Ent-
wicklung liegt klar zutage; sie wird dadurch noch eindringlicher,
daß auch die Paläontologie heute das Fehlen von Zwischenformen
in ihren Stammesreihen nicht mehr mit der Lückenhaftigkeit ihrer
Überlieferung erklärt, sondern eben mit der Vorstellung einer explo-
siven Entwicklung2. ,,Bei aller Anerkennung der Lückenhaftig-
keit der Überlieferung scheint es doch, als ob wir heute längst nicht
mehr die gleiche Berechtigung wie Darwin haben, alle Unstimmig-
keiten durch dieses Prinzip zu erklären, als ob die Hypothese einer
gleichmäßig langsamen Entwicklung zur unbedingten Vorausset-
zung geworden sei, die im Notfall eben durch die Hilfshypothese
von der Lückenhaftigkeit gestützt wird. Weshalb sollte die Über-
lieferung überall da von einer auffallenden Vollständigkeit sein, wo
die vorhandenen Bauplantypen sich weiterbilden ? während über-
all da, wo die Wurzeln sind, wo die verschiedenen Typen ausein-
ander hervorgehen, die Überlieferung so lückenhaft ist, daß keine
einzige von den vielen postulierten Zwischenformen fossil geworden
ist ? ... Der paläontologisclie Befund läßt eine andere Annahme,
als die der explosiven Aufspaltung, nur unter Zuhilfenahme von
Hilfshypothesen zu. Er zeigt eindeutig, daß diese sprunghaft er-
folgt ist“3. Kann nicht jeder dieser Sätze auf die ganz entspre-
chenden Verhältnisse in einer Prähistorie angewandt werden, welche
den gestaltenden Menschen zu greifen sucht ?4 Genau so wie in der
hier vorgetragenen Auffassung des archäologischen Stoffes an die
Stelle der mechanischen Abwickelung eines tvpologischen Neben-
einanders das in seiner besonderen Art stets nur einmalige Han-
deln tritt, sieht auch Beurlen den von ihm erfaßten Teil des Wer-
dens der Lebewelt als einen jeweils von einer ganz bestimmten
Gestalt getragenen Vorgang an. ,,Die organische Gestalt ist nicht
ein Ergebnis von Umwelteinflüssen als allmähliche Summierung
1 Vgl. seine hier genannten Arbeiten.
2 K. Beurlen, Vergleichende Stammesgeschichte (Fortschritte der Geo-
logie und Paläontologie, Band 8, Heft 26), 1930, 534ff.
3 Ebenda 536 f.
4 Den Hinweis auf sie und auf die Arbeiten K. Beurlens überhaupt
verdanke ich Herrn Kollegen E. BecKsmann, der mich auf die Übereinstim-
mung meiner Deutung der sog. Klüfte mit den Ergebnissen dieser neueren
Paläontologie aufmerksam machte.
E. Wahle:
und seine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Ausein-
andersetzung mit der Umwelt erkennen. Die Parallele dieser von
K. Beurlen mit aller Entschiedenheit herausgestellten Auffassung1
mit der hier vorgetragenen Deutung der frühgeschichtlichen Ent-
wicklung liegt klar zutage; sie wird dadurch noch eindringlicher,
daß auch die Paläontologie heute das Fehlen von Zwischenformen
in ihren Stammesreihen nicht mehr mit der Lückenhaftigkeit ihrer
Überlieferung erklärt, sondern eben mit der Vorstellung einer explo-
siven Entwicklung2. ,,Bei aller Anerkennung der Lückenhaftig-
keit der Überlieferung scheint es doch, als ob wir heute längst nicht
mehr die gleiche Berechtigung wie Darwin haben, alle Unstimmig-
keiten durch dieses Prinzip zu erklären, als ob die Hypothese einer
gleichmäßig langsamen Entwicklung zur unbedingten Vorausset-
zung geworden sei, die im Notfall eben durch die Hilfshypothese
von der Lückenhaftigkeit gestützt wird. Weshalb sollte die Über-
lieferung überall da von einer auffallenden Vollständigkeit sein, wo
die vorhandenen Bauplantypen sich weiterbilden ? während über-
all da, wo die Wurzeln sind, wo die verschiedenen Typen ausein-
ander hervorgehen, die Überlieferung so lückenhaft ist, daß keine
einzige von den vielen postulierten Zwischenformen fossil geworden
ist ? ... Der paläontologisclie Befund läßt eine andere Annahme,
als die der explosiven Aufspaltung, nur unter Zuhilfenahme von
Hilfshypothesen zu. Er zeigt eindeutig, daß diese sprunghaft er-
folgt ist“3. Kann nicht jeder dieser Sätze auf die ganz entspre-
chenden Verhältnisse in einer Prähistorie angewandt werden, welche
den gestaltenden Menschen zu greifen sucht ?4 Genau so wie in der
hier vorgetragenen Auffassung des archäologischen Stoffes an die
Stelle der mechanischen Abwickelung eines tvpologischen Neben-
einanders das in seiner besonderen Art stets nur einmalige Han-
deln tritt, sieht auch Beurlen den von ihm erfaßten Teil des Wer-
dens der Lebewelt als einen jeweils von einer ganz bestimmten
Gestalt getragenen Vorgang an. ,,Die organische Gestalt ist nicht
ein Ergebnis von Umwelteinflüssen als allmähliche Summierung
1 Vgl. seine hier genannten Arbeiten.
2 K. Beurlen, Vergleichende Stammesgeschichte (Fortschritte der Geo-
logie und Paläontologie, Band 8, Heft 26), 1930, 534ff.
3 Ebenda 536 f.
4 Den Hinweis auf sie und auf die Arbeiten K. Beurlens überhaupt
verdanke ich Herrn Kollegen E. BecKsmann, der mich auf die Übereinstim-
mung meiner Deutung der sog. Klüfte mit den Ergebnissen dieser neueren
Paläontologie aufmerksam machte.