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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0013
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§3

Interpretation der Adresse von ecl. 8 unter Voraussetzung
ihrer Beziehung auf Octavian im Jahre 35 v. Chr.
Servius hatte Vergils Anrede «tu mihi seu .. . sive . ..» (ecl. 8, 6f.)
paraphrasiert mit: «O Auguste»1. Ist Octavian hier angeredet, so meint
die Alternative nicht, wie sie es im Falle Pollios hätte tun müssen,
«ob du schon näher der Heimat oder ihr noch ferner bist (auf der
Rückkehr nach deinem Sieg zu deinem Triumph)», sondern «ob du
schon im Gebiete deiner Kämpfe oder erst auf dem Weg zu ihm bist»
bzw. «ob du schon an das Ende deiner Kämpfe gekommen bist oder
mitten in deiner Expedition stehst». Während v. 6f. bei Anrede Pol-
lios eine Zeitbestimmung wäre, sind die beiden Verse bei Octavian
Anspielung auf seine militärischen Unternehmungen als gerade gegen-
wärtige oder unmittelbar bevorstehende. Entsprechend bezieht sich
v. 13 («victrices . . . lauros») nun nicht mehr auf den für die schon er-
folgte Unterwerfung eines Stammes bereits beschlossenen Triumph
(Pollio), sondern ist Vorwegnahme von Sieg und Triumph und als
solche Preis des Feldherrn als Ausdruck der sicheren Erwartung seines
Erfolges.
Während in Pollios Fall die Zeitangabe des «seu-sive»-Satzes viel-
leicht hätte verstanden werden können als Ausdruck der Sehnsucht,
den Feldherrn wiederzusehen, hat dieser Satz bei Octavian definitori-
schen, identifizierenden Charakter: er vertritt den Namen. Das oft be-
anstandete Fehlen des Namens Pollio (der in ecl. 3 und 4 durchaus ge-
nannt worden war) wäre in der Tat neben dem «seu-sive»-Satz als
bloßer Zeitangabe anstößig. Octavian dagegen wird in diesem Satz
als der gegenwärtige Feldherr von Illyricum umschrieben, womit zu-
gleich die Namensnennung vermieden wird. Auch in ecl. 1,6 ff. 42ff.
war Octavian nicht namentlich genannt worden (40 v. Chr.)2, und
sein Name fehlt in der frühen Horazode III 243 * wie in der Satire II 5,62
(30 v. Chr.). «Caesar» scheint er in diesen Jahren in der Dichtung zu-
1 Vgl. Bowersock, a. O., S. 77, Anm. 11. - Auch Appian spricht Illyr. 16 von Octa-
vian als δ Σεβαστός.
2 Vgl. dazu Walter Wili, Vergil, München o. J. (= 1930), S. 34-36; W. Clausen.
On the date of the <First Eclogue>, Harv. Stud. 76 (1972), S. 201-205, auf S. 204 f.
3 Vgl. Kießling-Heinze11, S. 351 («vielleicht noch vor Actium»); E. Fraenkel,
Horace, Oxford Paperbacks 1966 (19571), S. 240-242.
 
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