Metadaten

Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0061
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
§11

Wachsen einer Dichtung, Zahlensymbolik und Analyse
In seinem Aufsatz «Symmetry and Sense in the Eclogues»1 ist Otto
Skutsch zugleich den zahlenmäßigen Strukturen der einzelnen Eklogen
(«internal structure») und der zahlenmäßigen Struktur des Eklogen-
buches nachgegangen. Und er hat an den beiden Typen symmetrischer
Struktur wahrscheinlich zu machen versucht, daß sie rein formaler
Natur2 seien und keine Bedeutung im Sinne zahlensymbolischer My-
stik haben (Maury, Perret). Den Skeptiker gegenüber zahlensymboli-
scher Dichtungsexegese erfrischt die Lektüre dieses Artikels, ein In-
strument zur Widerlegung des Anspruchs ihrer Vertreter hat er aber
nicht erhalten. Denn die Analogie zwischen der inneren Symmetrie der
einzelnen Gedichte und dem Aufbau des Buches nach bestimmten
Gleichungen von Verssummen bleibt ein bloßes Postulat, und der
Satz «No, there is no symbolic structure to the book as a whole» (S.
162) eine bloße Behauptung, die nur den überzeugt, der ihr zuvor schon
anhing. Skutsch begründet seine Auffassung nämlich mit Einzelinter-
pretationen, welche zeigen sollen, daß Gedichte, die nach dem zahlen-
symmetrischen Aufbau des Buches miteinander Zusammenhängen,
keine tiefere Gemeinsamkeit aufweisen. Eben dies aber beanspruchen
Zahlensymboliker, die daher die Interpretationen von Skutsch als
bloße Oberflächenparaphrase transzendieren werden. Die Aufgabe der
Widerlegung zahlenmystischer Interpretation scheint mir daher nicht
erfüllt zu sein, wenn man die herkömmliche Interpretationsmethode
wiederholt, sondern nur dann, wenn man nachweisen kann, daß es sich
bei den Zahlenkorresponsionen des Buches nicht um das Ergebnis eines
allen Gedichten vorausliegenden Zahlenschemas handelt. Meine Ab-
sicht ist, diese Aufgabe hier zu ergreifen und, wenn nicht zu beweisen,
so doch wahrscheinlich zu machen, daß die von Maury3 beobachteten
numerischen Korresponsionen Bestrebungen verdankt werden, die
erst bei der Buchkomposition auftraten. So kann man die Behaup-
tung, die Entsprechungen hätten keinen symbolischen Stellenwert,
1 Harv. Stud. 73 (1969), S. 153-169.
2 Skutsch, a. O., S. 169 denkt an das Erscheinungsbild der Kolumnen.
3 P. Maury, Le secret de Virgile et l’architecture des Bucoliques, Lettres d’Humanite
3 (1944), S. 71-147. - Sein eigentlicher Anspruch war von vornherein haltlos ge-
wesen, sofern er sich nämlich auf die Universalzahl 666 als Prinzip der Buch-
architektur berief. Vgl. o. S. 41, Anm. 12.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften