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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0062
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Ernst A. Schmidt

in ein Argument verwandeln. Denn eine Zahlensymbolik, die die Ge-
dichte in ihrem Zusammenhang bis ins Innerste bestimmt, ist nur als
prästabilisierte Grundkonzeption denkbar. Mein Mißtrauen gegen-
über der Existenz einer solchen Grundkonzeption ist mit der Einsicht
in das geschichtliche Wachsen der bukolischen Dichtung Vergils ver-
stärkt worden; die zu verschiedenen Zeiten entstandenen Gedichte
entsprangen einem für Erfahrungen offenen, auf Erfahrungen sensibel
reagierenden poetischen Ingenium.
Meine hier zu beweisende These ist, daß die eigentümlichen Glei-
chungen der Summen bestimmter Gedichte des Eklogenbuchs einen
numerischen Plan als Leitfaden vor der Komposition aller Gedichte
und für diese nicht nur nicht notwendig, sondern sogar unwahrschein-
lich machen und daß man sie sich im Zusammenhang mit dem Plan
der Herausgabe eines Buches entstanden denken kann, vor bzw. bei
Abfassung der letzten Gedichte, genauer: bei ecl. VIII und VII4.
Es handelt sich um die folgenden bekannten Gleichungen:

a) I + II + III + IV = 330 Verse
b) VI + VII + VIII + IX = 331 Verse
c) I + IX = 150 Verse
d) IV + VI = 149 Verse
e) II + VIII =181 Verse
f) III + VII = 181 Verse

Die Summen der beiden Paare c) und d) ringförmiger Anordnung um
ecl. V, die von Gedichten der mittleren Abfassungszeit gebildet werden,
sind nicht gleich, obwohl nicht nur diese vier Gedichte nacheinander
verfaßt worden sind, sondern sogar die Paargedichte auch chronolo-
gisch Paare bilden. Daß ihre Summen nahezu identisch sind, ist ent-
weder ein Zufall, der erst später zu einem <System> ausgebaut wurde,
oder beabsichtigte Symmetrie, indem wir etwa annehmen können, daß
die Gedichte auch jeweils paarweise bekannt gemacht wurden. Wie
dem auch sei: das Wirken eines zahlensymmetrischen Strebens bei Ver-
gil vor Abfassung von ecl. IV, dem siebenten Gedicht der chronologi-
schen Folge nach, kann nicht bewiesen werden. So wie bei allen Ver-
gleichen zweier Summen aus je zwei Gliedern Gleichheit und Ungleich-

4 Um Mißverständnisse in diesem Paragraphen mit seinen Zahlen und Gleichungen
auszuschließen, sind die Eklogen im Anschluß an Maury, a. O. und Skutsch, a. O.
mit römischen Ziffern bezeichnet.
 
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