Zur Chronologie der Eklogen Vergils
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des sophokleischen <Aias>, der Streit um das Erbe der Waffen Achills.
Wem es Schwierigkeiten macht, den Groll des Aias auf Odysseus, nach-
dem dieser die Rüstung des gefallenen Achill gewonnen hatte, so
ausgedrückt zu sehen, wird trotz des Singulars τραγωδίαν zu A. Wei-
chert28 zurückkehren, der auf zwei Tragödien, einen <Aias> und einen
<Achill>, geschlossen hatte. Denn die Auffassung des Eintrags als «er
schrieb auch eine Aiastragödie und eine Achills» ist doch nicht von
vornherein abwegig. Vorausgesetzt, man will die Stücke bezeichnen
mit τραγορδία + Titelheld im Genitiv (dieser Merkwürdigkeit entgeht
weder die eine noch die andere Lösung): kann man dann im Griechi-
schen «er schrieb auch eine Aias- und eine Achilltragödie» nicht auch
ausdrücken mit έγραψε . . . καί τραγωδίαν Αϊαντός τε καί Άχιλλέως?
So schwierig diese Notiz ist, sicher dürfte sein, daß Αϊαντός τε καί
Άχιλλέως nicht heißt: «(des) Aias und (des) Achill», sondern «sowohl
(des) Aias als auch (des) Achill». Weder im Titel noch in der Stoffan-
gabe einer Tragödie können also zwei Namen mit τε καί verbunden
werden, und es muß sich daher um zwei verschiedene Themen oder um
die Titel von zwei Stücken handeln. So geben etwa neun von den in
Handschriften überlieferten Titeln der Idylle des theokritischen Corpus
zwei mit καί verbundene Personen an. Bei Idyll 11 z. B. findet sich u. a.
die Titelform Κύκλων και Γαλάτεια. Es ist klar, daß es nicht heißen
könnte: Κύκλωψ τε καί Γαλάτεια. Das Hochzeitsgedicht id. 18 kann
ebenso natürlich nur Έπι-θαλάμιος Ελένης καί Μενελάου (so Cod. Lau-
rentianus XXXII. 16) heißen, nicht Έπιθαλάμιος Ελένης τε καί Μενε-
λάου. Daß manche dieser Idyllentitel aus der Reihung einzelner Alter-
nativtitel mit ή hervorgegangen sein mögen (auch Doppeltitel mit ή
würden bei ihrer Verwandlung in eine einzige Verbindung nur καί
enthalten), beeinträchtigt den Befund in keiner Weise; es kommt ja
auf die Sprache der Scholiasten an. Die Hirtengeschichten von Daphnis
und Chloe heißen ποιμενικά τά κατά Δάφνιν καί Χλόην. Man könnte
nun zwar den Ausweg suchen, der Text der Suda sei nicht in Ordnung.
Man wird aber zugeben, daß Verschreibung oder Abänderung von
τραγορδίας in τραγωδίαν eher anzunehmen ist als das Eindringen von τε
vor καί29·
Ein <Achill> als sophokleische Tragödie Octavians hätte wohl den
(vor allem durch die euripideische Version berühmten) Telephosstoff
28 Imperatoris Caesaris Augusti scriptorum reliquiae, Grimma 1846, S. 95 f. (mir
nicht zugänglich). - Der Singular ist das Hauptargument Bardons.
28 Vgl. jedoch auch Denniston, Greek Particles2, S. 512: vereinzelte Prosabelege von
redundantem τε καί.
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des sophokleischen <Aias>, der Streit um das Erbe der Waffen Achills.
Wem es Schwierigkeiten macht, den Groll des Aias auf Odysseus, nach-
dem dieser die Rüstung des gefallenen Achill gewonnen hatte, so
ausgedrückt zu sehen, wird trotz des Singulars τραγωδίαν zu A. Wei-
chert28 zurückkehren, der auf zwei Tragödien, einen <Aias> und einen
<Achill>, geschlossen hatte. Denn die Auffassung des Eintrags als «er
schrieb auch eine Aiastragödie und eine Achills» ist doch nicht von
vornherein abwegig. Vorausgesetzt, man will die Stücke bezeichnen
mit τραγορδία + Titelheld im Genitiv (dieser Merkwürdigkeit entgeht
weder die eine noch die andere Lösung): kann man dann im Griechi-
schen «er schrieb auch eine Aias- und eine Achilltragödie» nicht auch
ausdrücken mit έγραψε . . . καί τραγωδίαν Αϊαντός τε καί Άχιλλέως?
So schwierig diese Notiz ist, sicher dürfte sein, daß Αϊαντός τε καί
Άχιλλέως nicht heißt: «(des) Aias und (des) Achill», sondern «sowohl
(des) Aias als auch (des) Achill». Weder im Titel noch in der Stoffan-
gabe einer Tragödie können also zwei Namen mit τε καί verbunden
werden, und es muß sich daher um zwei verschiedene Themen oder um
die Titel von zwei Stücken handeln. So geben etwa neun von den in
Handschriften überlieferten Titeln der Idylle des theokritischen Corpus
zwei mit καί verbundene Personen an. Bei Idyll 11 z. B. findet sich u. a.
die Titelform Κύκλων και Γαλάτεια. Es ist klar, daß es nicht heißen
könnte: Κύκλωψ τε καί Γαλάτεια. Das Hochzeitsgedicht id. 18 kann
ebenso natürlich nur Έπι-θαλάμιος Ελένης καί Μενελάου (so Cod. Lau-
rentianus XXXII. 16) heißen, nicht Έπιθαλάμιος Ελένης τε καί Μενε-
λάου. Daß manche dieser Idyllentitel aus der Reihung einzelner Alter-
nativtitel mit ή hervorgegangen sein mögen (auch Doppeltitel mit ή
würden bei ihrer Verwandlung in eine einzige Verbindung nur καί
enthalten), beeinträchtigt den Befund in keiner Weise; es kommt ja
auf die Sprache der Scholiasten an. Die Hirtengeschichten von Daphnis
und Chloe heißen ποιμενικά τά κατά Δάφνιν καί Χλόην. Man könnte
nun zwar den Ausweg suchen, der Text der Suda sei nicht in Ordnung.
Man wird aber zugeben, daß Verschreibung oder Abänderung von
τραγορδίας in τραγωδίαν eher anzunehmen ist als das Eindringen von τε
vor καί29·
Ein <Achill> als sophokleische Tragödie Octavians hätte wohl den
(vor allem durch die euripideische Version berühmten) Telephosstoff
28 Imperatoris Caesaris Augusti scriptorum reliquiae, Grimma 1846, S. 95 f. (mir
nicht zugänglich). - Der Singular ist das Hauptargument Bardons.
28 Vgl. jedoch auch Denniston, Greek Particles2, S. 512: vereinzelte Prosabelege von
redundantem τε καί.
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