Zur Chronologie der Eklogen Vergils
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klärung, ecl. 10 sei in den betreffenden Versen aus Georg. II gleichsam
durch Abzug von ecl. 4 entwickelt.
Der Baumkatalog in Georg. II 63-72 ist mit den beiden Strophen
des Corydon und des Thyrsis in ecl. 7,61-68 auffallend verwandt. Das
Auftauchen der sonst in den Eklogen nicht genannten Bäume «fraxi-
nus» und «abies» in der Strophe des Thyrsis könnte man versucht sein,
als Indiz ihrer Abhängigkeit von Georg. II anzusehen. Die hier schein-
bar so naheliegende Abhängigkeit müßte dann aber auch für die Stro-
phe Corydons gelten. Dessen fünf Bäume aber, zuerst in zwei Paaren
geordnet, denen dann der fünfte Baum gegenübergestellt wird, sind
nur in ihrer Beziehung auf die frühen Eklogen verständlich, aus denen
sie stammen. Das erste Paar, Weißpappel und Rebe, kommt aus ecl.
9,41 f., das zweite Paar, Myrte und Lorbeer, von denen der Lorbeer
im Katalog in Georg. II fehlt, stammt aus ecl. 2,54, womit beide Baum-
paare werbende Liebesdichtung symbolisieren. Die Haseln («coryli»,
schon in ecl. 5 und 1) sind wegen ihres Anklangs an Corydon ge-
wählt16, und das zweimalige «corylos» in v. 63 f. vor Penthemimeres
und Hephthemimeres nimmt den Schlußvers (v. 70) vorweg: «ex illo
Corydon Corydon est tempore nobis.» Während also für Corydons
Katalog allein die frühen Eklogen, sein Name und das Thema <Liebe
und Dichtung> das Prinzip der Auswahl darstellen und die Bedeutung
determinieren, ist die im Katalog in Georg. II gegebene Reihenfolge
und Auswahl nicht aus den sachlichen Gründen des Kontexts auch not-
wendig17. Die beiden gerade als solche von Thyrsis gewählten <nicht-
bukolischen> Bäume, «fraxinus» und «abies», stammen aus Ennius,
Ann. 187 ff.18
Am Ende des zweiten Georgicabuches steht Vergils Preis Lukrezens
und die dennoch selbstbewußte Bescheidung auf die eigene Gabe. Dabei
ist subtil eine Kritik an Lukrez verborgen: «fortunatus et ille deos qui
novit agrestis / Panaque Silvanumque senem Nymphasque sorores»
(v. 493 f.). Lukrez hatte in IV 572-594 ländliche Gottheiten wie Satyrn,
Nymphen, Faune und Pan für Erfindungen der Landleute erklärt. Ver-
gil stellt dem die Kenntnis der ländlichen Götter entgegen, behauptet
also ihre Realität. Von den bei Lukrez genannten Göttern läßt er Satyrn
16 Vgl. Pöschl, a. O., S. 138.
17 Die an 2., 3., 4., 5., 6. und 9. Stelle genannten Bäume kommen alle in ecl. 7 vor,
und die Reihenfolge von Myrte, Haseln, Weißpappel und Tanne entspricht der
der Ekloge.
18 Vgl. Harald Fuchs, Zum Wettgesang der Hirten in Vergils siebenter Ekloge, Mus.
Helv. 23 (1966), S. 218-223, hier: S. 220.
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klärung, ecl. 10 sei in den betreffenden Versen aus Georg. II gleichsam
durch Abzug von ecl. 4 entwickelt.
Der Baumkatalog in Georg. II 63-72 ist mit den beiden Strophen
des Corydon und des Thyrsis in ecl. 7,61-68 auffallend verwandt. Das
Auftauchen der sonst in den Eklogen nicht genannten Bäume «fraxi-
nus» und «abies» in der Strophe des Thyrsis könnte man versucht sein,
als Indiz ihrer Abhängigkeit von Georg. II anzusehen. Die hier schein-
bar so naheliegende Abhängigkeit müßte dann aber auch für die Stro-
phe Corydons gelten. Dessen fünf Bäume aber, zuerst in zwei Paaren
geordnet, denen dann der fünfte Baum gegenübergestellt wird, sind
nur in ihrer Beziehung auf die frühen Eklogen verständlich, aus denen
sie stammen. Das erste Paar, Weißpappel und Rebe, kommt aus ecl.
9,41 f., das zweite Paar, Myrte und Lorbeer, von denen der Lorbeer
im Katalog in Georg. II fehlt, stammt aus ecl. 2,54, womit beide Baum-
paare werbende Liebesdichtung symbolisieren. Die Haseln («coryli»,
schon in ecl. 5 und 1) sind wegen ihres Anklangs an Corydon ge-
wählt16, und das zweimalige «corylos» in v. 63 f. vor Penthemimeres
und Hephthemimeres nimmt den Schlußvers (v. 70) vorweg: «ex illo
Corydon Corydon est tempore nobis.» Während also für Corydons
Katalog allein die frühen Eklogen, sein Name und das Thema <Liebe
und Dichtung> das Prinzip der Auswahl darstellen und die Bedeutung
determinieren, ist die im Katalog in Georg. II gegebene Reihenfolge
und Auswahl nicht aus den sachlichen Gründen des Kontexts auch not-
wendig17. Die beiden gerade als solche von Thyrsis gewählten <nicht-
bukolischen> Bäume, «fraxinus» und «abies», stammen aus Ennius,
Ann. 187 ff.18
Am Ende des zweiten Georgicabuches steht Vergils Preis Lukrezens
und die dennoch selbstbewußte Bescheidung auf die eigene Gabe. Dabei
ist subtil eine Kritik an Lukrez verborgen: «fortunatus et ille deos qui
novit agrestis / Panaque Silvanumque senem Nymphasque sorores»
(v. 493 f.). Lukrez hatte in IV 572-594 ländliche Gottheiten wie Satyrn,
Nymphen, Faune und Pan für Erfindungen der Landleute erklärt. Ver-
gil stellt dem die Kenntnis der ländlichen Götter entgegen, behauptet
also ihre Realität. Von den bei Lukrez genannten Göttern läßt er Satyrn
16 Vgl. Pöschl, a. O., S. 138.
17 Die an 2., 3., 4., 5., 6. und 9. Stelle genannten Bäume kommen alle in ecl. 7 vor,
und die Reihenfolge von Myrte, Haseln, Weißpappel und Tanne entspricht der
der Ekloge.
18 Vgl. Harald Fuchs, Zum Wettgesang der Hirten in Vergils siebenter Ekloge, Mus.
Helv. 23 (1966), S. 218-223, hier: S. 220.
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