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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0069
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Zur Chronologie der Eklogen Vergils

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gesehen davon, daß nicht nachzuvollziehen ist, warum ein Gelehrter
gerade auf 35 v. Chr. kommen sollte, gilt doch sicherlich, daß ecl. 8,6 ff.
sich nicht weniger der Datenextrapolation anbietet als das Finale von
Georg. I. Mit dem Jahr 40 (Pollios Konsulat) als dem einzigen antiker
Gelehrsamkeit vom Text der Eklogen her zur Verfügung stehenden
Datum zu operieren - wie es Bowersock tut -, stellt also auf jeden
Fall eine unzulässige Vereinfachung dar.
Vergil, geboren am 15. Oktober 70 v. Chr., stirbt, kurz vor Voll-
endung seines 51. Lebensjahrs, am 21. September 19 v. Chr. Seine gro-
ßen Werke hat er als reifer Mann geschaffen; sie gehören alle in seine
zweite Lebenshälfte. Die antiken Vergilviten geben als Arbeitsdauer
für die Bucolica drei, für die Georgica sieben, für die Aeneis elf Jahre
an4. Angaben über Zeiträume sind, das gehört zu ihrem Charakter, nie
unmittelbar historisch Gegebenes5, sondern beruhen auf der Kombi-
nation zweier Daten. Unter der Voraussetzung - welche eben zu be-
gründen wäre -, diese Zahlen seien nicht aus extrapolierten Zeitan-
gaben gewonnen, sondern basierten auf authentischen Daten, liegt die
Annahme nahe, der jeweilige Zeitpunkt der Herausgabe des früheren
Werks als ein fixierbares Datum und mögliches oder wahrscheinliches
historisches Dokument sei zugleich als Zeitpunkt des Beginns des näch-
sten Werkes betrachtet worden, da anderweitig der Arbeitsbeginn an
einem dichterischen Unternehmen sich kaum als historisch zu lokali-
sierendes Faktum dokumentiert (es sei denn etwa, man denke an erhal-
tene Briefe des Autors). Addiert man infolgedessen diese drei Zeit-
spannen und berücksichtigt dabei, daß zwei Jahre bei der in der An-
tike gängigen inklusiven Zählweise doppelt gezählt sein werden, das
Jahr der Herausgabe der Bucolica noch einmal als erstes Jahr der
4 Berner Vita (= Vita Donati) 25, Vita Servii 24 ff. Der Umgang mit diesen Zahlen
in der Vergilforschung weist, so weit ich gesehen habe, vier Hauptvarianten auf.
1) Man übernimmt die Zahlen, wenn und so weit sie der eigenen Chronologie
entsprechen, ohne sich über ihre Entstehung Rechenschaft zu geben, weder dort,
wo man sie für falsch, noch wo man sie für richtig hält. 2) Man übernimmt das
ganze System und versucht, es mit der eigenen Chronologie zu harmonisieren,
wieder ohne seinem Ursprung nachzufragen. 3) Man verwirft die Zahlen als
bloße Extrapolationen aus Vergils Werken. 4) Man übergeht sie als Spekulation
und Spiel mit heiligen Zahlen. Mir erscheint Position 1) unhaltbar wegen ihrer
Inkonsequenz, 2) mit unlösbaren Schwierigkeiten behaftet, 3) unmöglich wegen
des Mangels an passenden Anspielungen im Werk, 4) problematisch, weil mir
die Zahl 11 nicht besonders rund und heilig erscheint.
5 Eine Überlegung wie die folgende ist m. W. in diesem Zusammenhang noch nie
angestellt worden. - Zu der im folgenden geübten Zählweise vgl. G. Perl, Sal-
lusts Todesjahr, Klio 48 (1967), S. 97-105, bes. S. 101 f.

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