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Heinz Götze
staufischen Architektur jener Spätzeit des Kaisers wiederfinden;
dennoch ist der Bau vorbildlos - und dies ist das besonders Über-
raschende: es gibt keine Burg und kein Schloß im Bereiche des
europäischen Mittelalters, das als Vorläufer dieser Bauidee an-
gesehen werden könnte, trotz mancher Besonderheiten, die in
Syrakus und in Lucera als Vorwegnahme einzelner Entwurfslösun-
gen für Castel del Monte betrachtet werden könnten. Trotz der Vor-
bildlosigkeit ist das Werk reif und verkörpert eher einen Höhe-
punkt, ja Endpunkt einer Entwicklung, als deren Anfang. Es ist
nichts tastend Versuchendes, nichts Vorläufiges, sondern alles
erscheint als konsequente Endstufe einer Konzeption. Woher rührt
dieses Formengut? Wo hat all das seine Wurzeln und woher stammt
die geistige, gestaltende Kraft, die dahintersteht? Man hat nach der
Herkunft verwandter Einzelformen mit Erfolg geforscht. Es wird als
sicher angenommen, daß die staufische Architektur Süditaliens in
Verbindung steht mit der Gotik - insbesondere Burgunds und der
Champagne, vermittelt durch die bauverständigen Zisterzienser,
zu denen Friedrich II. eine besondere Bindung empfand. Ganz
selbstverständlich steht diese staufische Architektur zugleich in der
normannisch-arabischen und byzantinischen Tradition des König-
reiches beider Sizilien. Die Linien laufen auch zu den staufischen
Stammlanden in Deutschland, und schließlich darf das griechische
Erbe der ,Magna Graecia' nicht vergessen werden, die sich geo-
graphisch so überraschend mit den Grenzen des sizilischen König-
reiches deckt und deren griechische Tradition der,klassischen' Zeit
ihr durch viele Jahrhunderte das Gepräge gab.
Ohne eine gestaltende Persönlichkeit ist diese rasch voranschrei-
tende und ihrem Höhepunkt Castel del Monte zueilende Entwick-
lung nicht denkbar. Friedrich II., der der Ausstrahlung kaiserlicher
Macht und Würde große Bedeutung beimaß, hat die Rolle der
Architektur für die Repräsentation seiner Herrschermacht klar
erkannt. Dabei entwickelte der Kaiser als Bauherr eine normbil-
dende Kraft, originelle Gedankenführung und gestaltende Initia-
tive. Er bewegte sich im Spannunsfeld der verschiedenartigen
Traditionen des Mittelmeerraumes, die unter seinem Einfluß zu
einem neuen Stile zusammenwuchsen, dessen höchster und vol-
lendetster Ausdruck in Castel del Monte gefunden wurde.
Betrachten wir den Grundriß näher. Um einen zentralen acht-
eckigen Hof, in dessen Mitte ein Brunnen gestanden hat, erhebt
sich ein zweistöckiges achteckiges Bauwerk, dessen Räume trapez-
Heinz Götze
staufischen Architektur jener Spätzeit des Kaisers wiederfinden;
dennoch ist der Bau vorbildlos - und dies ist das besonders Über-
raschende: es gibt keine Burg und kein Schloß im Bereiche des
europäischen Mittelalters, das als Vorläufer dieser Bauidee an-
gesehen werden könnte, trotz mancher Besonderheiten, die in
Syrakus und in Lucera als Vorwegnahme einzelner Entwurfslösun-
gen für Castel del Monte betrachtet werden könnten. Trotz der Vor-
bildlosigkeit ist das Werk reif und verkörpert eher einen Höhe-
punkt, ja Endpunkt einer Entwicklung, als deren Anfang. Es ist
nichts tastend Versuchendes, nichts Vorläufiges, sondern alles
erscheint als konsequente Endstufe einer Konzeption. Woher rührt
dieses Formengut? Wo hat all das seine Wurzeln und woher stammt
die geistige, gestaltende Kraft, die dahintersteht? Man hat nach der
Herkunft verwandter Einzelformen mit Erfolg geforscht. Es wird als
sicher angenommen, daß die staufische Architektur Süditaliens in
Verbindung steht mit der Gotik - insbesondere Burgunds und der
Champagne, vermittelt durch die bauverständigen Zisterzienser,
zu denen Friedrich II. eine besondere Bindung empfand. Ganz
selbstverständlich steht diese staufische Architektur zugleich in der
normannisch-arabischen und byzantinischen Tradition des König-
reiches beider Sizilien. Die Linien laufen auch zu den staufischen
Stammlanden in Deutschland, und schließlich darf das griechische
Erbe der ,Magna Graecia' nicht vergessen werden, die sich geo-
graphisch so überraschend mit den Grenzen des sizilischen König-
reiches deckt und deren griechische Tradition der,klassischen' Zeit
ihr durch viele Jahrhunderte das Gepräge gab.
Ohne eine gestaltende Persönlichkeit ist diese rasch voranschrei-
tende und ihrem Höhepunkt Castel del Monte zueilende Entwick-
lung nicht denkbar. Friedrich II., der der Ausstrahlung kaiserlicher
Macht und Würde große Bedeutung beimaß, hat die Rolle der
Architektur für die Repräsentation seiner Herrschermacht klar
erkannt. Dabei entwickelte der Kaiser als Bauherr eine normbil-
dende Kraft, originelle Gedankenführung und gestaltende Initia-
tive. Er bewegte sich im Spannunsfeld der verschiedenartigen
Traditionen des Mittelmeerraumes, die unter seinem Einfluß zu
einem neuen Stile zusammenwuchsen, dessen höchster und vol-
lendetster Ausdruck in Castel del Monte gefunden wurde.
Betrachten wir den Grundriß näher. Um einen zentralen acht-
eckigen Hof, in dessen Mitte ein Brunnen gestanden hat, erhebt
sich ein zweistöckiges achteckiges Bauwerk, dessen Räume trapez-