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Götze, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 2. Abhandlung): Castel del Monte: Gestalt, Herkunft u. Bedeutung; vorgetragen am 14. Jan. 1984 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47813#0016
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Heinz Götze

Auch Piero della Francesca (ca. 1415-1492) hat eine Abhand-
lung über die regulären Körper geschrieben und Luca Pacioli, ein
Freund Leonardos, verfaßte ein Buch über den Goldenen Schnitt.
Albrecht Dürer untersuchte und beschrieb die Maßverhältnisse
des menschlichen Körpers und behandelte die regulären Einteilun-
gen der Ebene, wie nach ihm Daniele Barbaro, Patriarch von Aqui-
leia. Der italienische Architekt des Seicento Guarino Guarini war
von Haus aus Professor für Mathematik und Philosophie in Mes-
sina. Das durch glückliche Fügung erhaltene Bauhüttenbuch (Ms.
fr. 19093 der Pariser Nationalbibliothek) des Villard de Honnecourt,
eines Zeitgenossen Friedrichs II., das in einer glänzenden kri-
tischen Gesamtausgabe in deutscher Sprache von Hans R. Hahn-
loser vorliegt6, gibt einen vorzüglichen Eindruck von dem Wissen
und handwerklichen Können der Baumeister jener Zeit. Die hohe
mathematische Bildung der Künstler und Architekten hat in die
Renaissance, den Barock, ja den Klassizismus fortgewirkt, wie wir
von geometrisch konstruierten Meßfiguren bedeutender Architek-
ten jener Perioden wissen.
In Castel del Monte erkennen wir die beherrschende Rolle der
mathematisch definierbaren Symmetriebeziehungen und müssen
daher ihre Bedeutung weitergehend untersuchen. Das griechische
Wort Symmetrie wird am besten mit dem deutschen Ausdruck
„Ebenmaß“ wiedergegeben. Das heißt sehr viel mehr als nur
„Spiegelbildlichkeit“, die man heute im allgemeinen Sprachge-
brauch unter Symmetrie versteht. Spiegelbildlichkeit ist jedoch nur
ein Sonderfall des übergeordneten Begriffes „Symmetrie“. Mit
„Ebenmaß“ ist Schönheit verknüpft. Symmetrisch, d. h. im Eben-
maß, befinden sich Größen, die im rechten Verhältnis zueinander
stehen. Ein solch harmonisch-symmetrisches Beziehungssystem
war der ,kanoff des griechischen Bildhauers Polyklet aus dem 5.
vorchristlichen Jahrhundert. Seine Lehre von der Darstellung der
Harmonie des menschlichen Körpers und des Verhältnisses der
einzelnen Teile zueinander und zum Ganzen der plastischen Ge-
stalt bildete den Höhepunkt griechischer Kunsttheorie.
Im Bereiche der Musik ist „Harmonie“ das Synonym für ,Sym-
metrie‘ und Ebenmaß der Töne, ihrer Beziehungen zueinander
und ihrer Abfolge in Tempo und Rhythmus. Es bestehen enge Ver-
6 Verlag von Anton Schroll & Co. in Wien 1935. Vgl. dazu Cord Meckseper in:
Architectura. Zeitschrift für Geschichte der Baukunst, Bd. 13.1, S. 31 ff.
 
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