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Götze, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 2. Abhandlung): Castel del Monte: Gestalt, Herkunft u. Bedeutung; vorgetragen am 14. Jan. 1984 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47813#0017
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Castel del Monte

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bindungen zwischen der musikalischen und der geometrischen
Harmonie. Das haben bereits die Pythagoräer erkannt und gelehrt.
Spiegelbildlichkeit wird auch bilaterale Symmetrie genannt oder
die Symmetrie des „links und rechts“ - etwa am menschlichen Kör-
per. Kompliziertere Formen der geometrischen Symmetrie sind die
translative, die rotative, die ornamentale und die kristallographi-
sche Symmetrie, die alle in der belebten und unbelebten Natur
bestehen ebenso wie in der Kunst. Wesentlich für diese Sym-
metrien ist der Gedanke der Invarianz einer Form gegenüber einer
Gruppe automorpher Transformationen. Die vielfältig symmetri-
schen Formen der Pflanzen, der komplizierte Aufbau von Mu-
scheln und die strengen symmetrischen Formen der Kristalle
machen dies sinnfällig.
Es ist nicht verwunderlich, daß in der Kunst die Symmetrie, die
wir mit Ebenmaß und Schönheit gleichgesetzt haben, immer wie-
der als Stilmittel eingesetzt wird. Damit berühren wir eine Frage der
philosophischen Ästhetik und Erkenntnistheorie, die wir nur
streifen können: Es ist die Frage, ob der Künstler die ästhetische
Qualität der Symmetrie in der Natur entdeckt und nachgeahmt hat,
oder ob es einen gemeinsamen Ursprung des ästhetischen Wertes
der Symmetrie in Natur und Kunst gibt. Platon nahm an, daß die
mathematische Idee der gemeinsame Ursprung beider sei: Die
mathematischen Gesetze, die die Natur beherrschen, sind der
Ursprung der Symmetrie in der Natur; ihr Ursprung in der Kunst ist
die intuitive Erfassung der Idee im Geiste des schöpferischen Men-
schen.
Ich glaube, daß man noch einen Schritt weitergehen und auch
die intuitive Erfassung durch den betrachtenden Menschen ein-
beziehen sollte, der die Symmetrie als ebenmäßig, harmonisch und
schön empfindet. Es ist die Fähigkeit des Menschen als bilateral-
symmetrisch gebildetes Wesen, auf entsprechende Naturgesetz-
lichkeiten mit dem Empfinden gesteigerter Harmonie zu antwor-
ten. Anders ausgedrückt: Symmetrie wird nicht nur vom Künstler
geformt und empfunden, sondern auch vom Betrachter als solche
nachempfunden in ihrer natürlichen und künstlerischen Qualität.
Symmetrie als Wesenseigenschaft der Natur ist zugleich der Grund
für die Empfindung der Symmetrie durch den betrachtenden Men-
schen.
Bei einer weiterdringenden Betrachtung des Symmetriebegrif-
fes in der Kunst wird eine Polarität sichtbar, die allem Lebendigen
 
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