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Heinz Götze
eignet: Symmetrie ist auf der einen Seite Ebenmäßigkeit, Ordnung,
gesetzmäßige Bindung. Das Gegenteil heißt Asymmetrie und ist
der Unordnung, dem Zufall, der Willkür zuzuordnen. Nun kann auf
der einen Seite Ordnung und gesetzmäßige Bindung durchaus in
Erstarrung münden, Unordnung und Zufall jedoch in Freiheit und
Leben. Große Künstler haben das empfunden und die Ordnung nie
zur Leblosigkeit werden lassen und die Freiheit nie zu Willkür oder
Bindungslosigkeit!
Ebenmäßig und doch frei in ihren von Spannung erfüllten For-
men und Proportionen sind Säulen griechischer Tempel, erstarrt
und unfrei in kalter Regelmäßigkeit sind gelegentlich klassizisti-
sche Säulen. Hat nicht auch der Teppichknüpfer Asiens, der mit der
Bildung symmetrischer Figuren eng vertraut war, die Erstarrung
gefürchtet und willkürlich Unregelmäßigkeiten eingewoben? Wir
werden auf diesen sehr wichtigen Gesichtspunkt später und in
anderem Zusammenhang noch zurückkommen.
Wir haben die Symmetriebeziehungen des Bauwerkes von
Castel del Monte nicht nur mathematisch zu definieren versucht,
sondern zugleich erkannt, daß sie das Wesen dieses Bauwerkes
erschöpfend charakterisieren und begreifen lassen. Dies ist eine
Feststellung, die für alle weiteren Vergleiche mit Castel del Monte
all jene Bauten ausschließt, die wohl entfernte Ähnlichkeiten in der
Raumanordnung zeigen mögen, aber eines klaren symmetrischen
Beziehungssystems entbehren und damit einer anderen „Gestalt“
zuzuordnen sind7.
Diese Aussage führt in die kunstgeschichtliche Methodologie.
Mit der seit H. Wölfflin geläufigen Methode des Vergleichs von
Einzelformen und Motiven, die allgemein durchaus hilfreich ist,
wird nur eine Dimension eines Kunstwerkes oder eines Bauwerkes
erfaßt. Sie führt dort zu relativ guten Ergebnissen, wo es sich um die
Betrachtung eines homogenen Kunstkreises - etwa des mitteleuro-
päischen, des französischen usw. - handelt, in dem sich die Einzel-
form gleichgerichtet zum Ganzen präsentiert und fortentwickelt.
Hier ist der Schluß vom Einzelmotiv auf die Entwicklung des Gan-
zen erlaubt. Bei vielschichtigeren Strukturen, vor allem wenn sie
sich in entwicklungsgeschichtlich und zeitlich gegeneinander ver-
7 Vgl. den sonst anregenden Beitrag von C. Meckseper, Castel del Monte, in:
Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 33 (1970), S. 213, Abbildungsggruppe der
rechten Spalte.
Heinz Götze
eignet: Symmetrie ist auf der einen Seite Ebenmäßigkeit, Ordnung,
gesetzmäßige Bindung. Das Gegenteil heißt Asymmetrie und ist
der Unordnung, dem Zufall, der Willkür zuzuordnen. Nun kann auf
der einen Seite Ordnung und gesetzmäßige Bindung durchaus in
Erstarrung münden, Unordnung und Zufall jedoch in Freiheit und
Leben. Große Künstler haben das empfunden und die Ordnung nie
zur Leblosigkeit werden lassen und die Freiheit nie zu Willkür oder
Bindungslosigkeit!
Ebenmäßig und doch frei in ihren von Spannung erfüllten For-
men und Proportionen sind Säulen griechischer Tempel, erstarrt
und unfrei in kalter Regelmäßigkeit sind gelegentlich klassizisti-
sche Säulen. Hat nicht auch der Teppichknüpfer Asiens, der mit der
Bildung symmetrischer Figuren eng vertraut war, die Erstarrung
gefürchtet und willkürlich Unregelmäßigkeiten eingewoben? Wir
werden auf diesen sehr wichtigen Gesichtspunkt später und in
anderem Zusammenhang noch zurückkommen.
Wir haben die Symmetriebeziehungen des Bauwerkes von
Castel del Monte nicht nur mathematisch zu definieren versucht,
sondern zugleich erkannt, daß sie das Wesen dieses Bauwerkes
erschöpfend charakterisieren und begreifen lassen. Dies ist eine
Feststellung, die für alle weiteren Vergleiche mit Castel del Monte
all jene Bauten ausschließt, die wohl entfernte Ähnlichkeiten in der
Raumanordnung zeigen mögen, aber eines klaren symmetrischen
Beziehungssystems entbehren und damit einer anderen „Gestalt“
zuzuordnen sind7.
Diese Aussage führt in die kunstgeschichtliche Methodologie.
Mit der seit H. Wölfflin geläufigen Methode des Vergleichs von
Einzelformen und Motiven, die allgemein durchaus hilfreich ist,
wird nur eine Dimension eines Kunstwerkes oder eines Bauwerkes
erfaßt. Sie führt dort zu relativ guten Ergebnissen, wo es sich um die
Betrachtung eines homogenen Kunstkreises - etwa des mitteleuro-
päischen, des französischen usw. - handelt, in dem sich die Einzel-
form gleichgerichtet zum Ganzen präsentiert und fortentwickelt.
Hier ist der Schluß vom Einzelmotiv auf die Entwicklung des Gan-
zen erlaubt. Bei vielschichtigeren Strukturen, vor allem wenn sie
sich in entwicklungsgeschichtlich und zeitlich gegeneinander ver-
7 Vgl. den sonst anregenden Beitrag von C. Meckseper, Castel del Monte, in:
Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 33 (1970), S. 213, Abbildungsggruppe der
rechten Spalte.