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Götze, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 2. Abhandlung): Castel del Monte: Gestalt, Herkunft u. Bedeutung; vorgetragen am 14. Jan. 1984 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47813#0020
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Heinz Götze

große Bedeutung des Oktogons in der christlichen und in der
islamischen Heilserwartung und der mit ihr verschwisterten reli-
giösen Kunst her.
Symbolisiert das Quadrat die Erde, so versinnbildlicht der Kreis
in seiner absoluten Vollkommenheit der Form, der Unendlichkeit
seiner symmetrischen Bezüge, seiner ,Isoperimetrie‘, die Unend-
lichkeit des Himmels. Der Eindruck des Horizontes um uns und
des Himmelgewölbes über uns entspricht dieser Symbolik9. Vom
Reich der Erde, dem Quadrat, hin in die Unendlichkeit des Him-
mels und in die Unsterblichkeit bildet das Achteck in zahlreichen
christlichen und islamischen Bauten die Vermittlung, gelegentlich
ergänzt durch ein 16-Eck10, das zum kreisrunden Tambur führt,
über dem sich die Kuppel wölbt. In Moscheen und Mausoleen, aber
auch in den von Kuppeln überwölbten Vierungen christlicher Kir-
chen wird die Transzendenz zur himmlischen Erlösung und zur
Unsterblichkeit in dieser Weise symbolisiert. Die gleiche Symbolik
liegt der achteckigen Form spätantiker und mittelalterlicher Bap-
tisterien zugrunde.
Die geometrischen Figuren Quadrat-Achteck-Kreis entsprechen
einer Mandala, die den Weg von der irdischen Welt in die rettende
Ewigkeit darstellt. Die im byzantinischen, insbesondere aber im
arabisch-islamischen Kreise immer wiederkehrende Darstellung
des Achtecks in Mosaiken und Friesen wird als eine solche Mandala
verstanden. Aufgrund dieser esoterischen Symbolik verwundert es
nicht, daß die Alchemisten der Quadratur des Zirkels so große
Bedeutung beimaßen.
Die symbolische Bedeutung von Quadrat und Kreis herrscht in
Ostasien gleichermaßen. Auch in China bedeutet das Quadrat die
Erde, die Himmelsrichtungen und die vier Elemente, der Kreis
hingegen den Himmel11, wie der kreisrunde Himmelstempel in

9 Vgl. Alexandre Papadopoulo, Islam and Muslim Art, London 1980, S. 247.
10 Vgl. das Mausoleum der Samaniden in Buchara (hier S. 20 Anm. 17) oder
das Mausoleum des Ghiyathu’d-Din Tughluq (1321-25), Fort Tughluqabad,
Dehli: Quadratischer Grundriß über Acht- und Sechzehneck in den kreisrunden
Ansatz der Kuppel übergehend.
11 Die Frage, ob diese Symbolik in Ostasien unabhängig vom Westen bzw. Mittel-
osten entstanden ist, kann hier nicht behandelt werden. Die engen Verbindun-
gen, die in der Tang-Zeit zwischen der islamischen und der chinesischen Welt
bestanden und bis zur Mongolenzeit dauerten, scheinen für einen Zusammen-
hang zu sprechen. Auch die Sasaniden schickten im VII. Jhdt. Gesandtschaften
 
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