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Götze, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 2. Abhandlung): Castel del Monte: Gestalt, Herkunft u. Bedeutung; vorgetragen am 14. Jan. 1984 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47813#0021
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Castel del Monte

19

Peking bezeugt. Bauten oktogonalen Grundrisses sind in China
und in Japan zahlreich und stehen häufig in Beziehung zu über-
ragenden Persönlichkeiten des religiösen Lebens. Die achteckige
Halle der Träume des Prinzen Shotoku im Horiyuji-Tempel bei
Nara ist ein besonders schönes Beispiel. Für die Transformation
vom Quadrat zum Achteck durch Überbrückung der Quadratecken
ist sogar ein Beispiel aus der Ming Zeit in Chengdu, Sechuan, be-
kannt12. Das Achteck ist auch im ostasiatischen Bereich mit der
Kraft des Numinosen ausgestattet und dient als ein Siegel für das
Gesamtbild der Welt13. In der Weltmitte sitzt Buddha auf der acht-
blättrigen Lotusblüte.
Kehren wir in den westlicheren Bereich Asiens zurück, so finden
wir in der Abassidenhauptstadt Bagdad eine kunstvolle quadra-
tisch-kufische Inschrift aus dem XII./XIII. Jahrhundert, die Allah,
Mohammed und die zehn Propheten nennt (Abb. 3). Sie dient als
Bauschmuck und hat die äußere Form eines großen Vierecks, aus
dem sich ein Achteck heraushebt. Der numinose Charakter der
Achteckgestalt ist offenkundig14.
Am Westufer des Tigris in Sämarrä steht das früheste und erste
Mausoleum im Bereiche des Islam, das Qubbat as-Sulaibiya, für
den Kalifen Al Muntasir 862 von seiner Mutter gestiftet, die
Griechin war: das kulturelle Bindeglied von der griechisch-helleni-
stischen Antike wird greifbar. Der Bau zeigt im Grundriß einen
achteckigen Zentralbau mit achteckigem Umgang. Im Inneren des
Zentralbaus liegt eine quadratische Kammer, die sich nach oben in
ein Achteck verwandelt, auf dem die Kuppel ruht15.
nach Chang’an. Der Einfluß Irans in Kunst und Handwerk im China des VII.
und VIII. Jhdt. ist spürbar: Jacques Gernet, Die chinesische Welt, Le Monde
Chinois, Paris 1972, deutsch Frankfurt 1979, S. 238 ff. Die Achtecksymbolik
scheint jedoch tief in der menschlichen Vorstellungswelt verwurzelt, deren
Grundlagen wohl in den vier Himmels- = Bewegungsrichtungen seiner Umwelt
zu suchen sind. Vgl. den numinosen Charakter des Achtecks, bzw. Achtsterns
auch in der mittelamerikanisch-vorkolumbianischen Kunst, z. B. im Azteken-
kalender.
12 1814 erneuert - seitdem “River View Pavilion” genannt.
13 Vgl. auch Dietrich Seckel. Taigenkyü, das Heiligtum des Yuiitsu-Shintö. Eine
Studie zur Symbolik und Geschichte der japanischen Architektur. In: Monu-
menta Nipponica (Tokyo) 6, 1943, S. 52-85.
14 B. Brentjes, Mittelasien, Kunst des Islam, Leipzig, 1979, Abb. auf Seite 24.
15 K. A. C. Creswell, A Short Account of Early Muslim Architecture, Penguin
Books 1958, S. 286 ff., Fig. 59. Vgl. Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 4, S. 218,
Fig. 35.
 
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