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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0021
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Die Evangelienüberschriften

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Gruppen wurden entsprechend benannt: εύαγγέλιον καϋ’ 'Εβραίους
oder κατ’ Αιγυπτίους40. Sie mögen in den ihnen zugeordneten juden-
christlichen oder gnostischen Gruppen zunächst nur die Bezeichnung
τό εύαγγέλιον besessen haben, die Tendenz zur Analogiebildung war
jedoch so stark, daß auch sie - gegen den ursprünglichen Sinn - die
Bezeichnung mit κατά und Akkusativ annahmen.
Diesem hohen Alter der Evangelientitel steht nicht entgegen, daß
die frühesten Hinweise auf die Evangelien als Schriften in der 'Lehre
der zwölf Apostel’41 und dem sogenannten 2. Clemensbrief aus den
ersten Jahrzehnten des 2. Jh.s einfach „das Evangelium“ im Singular
ohne Nennung eines Autors zitieren, etwa mit der Formel: „der Herr
sagt im Evangelium“42. Diese singularische Redeweise bei εύαγγέλιον
ist noch weit bis ins 3. Jh. hinein verbreitet und geht davon aus,
daß die Jesustradition, d.h. die Lehre des Kyrios, als mit „dem Evan-
gelium“ identisch betrachtet wurde, wobei dem Hinweis auf das
Wort des Kyrios noch während des ganzen 2. Jh.s der Vorrang ge-
geben wurde.
40 E. Hennecke/W. Schneemelcher, op. cit. I, 75-117. Die Vermutung von W. Bauer,
Rechtgläubigkeit (Anm. 9) 54, „die Bezeichnung »Evangelium der Ägypter« (weise)
auf eine Zeit zurück, in der sich die Christen Ägyptens dieses Evangeliums, und
zwar nur seiner, als ihres Lebens Jesu bedient haben“, ist völlig unbegründet,
ebenso die weitere Präzisierung, es sei das Evangelium „der ägyptischen Heiden-
christen“ geworden (56), da wir außer einigen Zitaten bei Clemens Alexandrinus
nur ganz wenig Sicheres darüber wissen. Man kann bei diesem enkratitisch-gnosti-
sierenden Werk bezweifeln, ob es überhaupt ein „Leben Jesu“ enthielt. Wie unver-
bindlich eine derartige Bezeichnung wurde, zeigt der deutlich sekundär hinzu-
gewachsene Titel beim Ägypterevangelium von Nag Hammadi (Cod III2 und IV 2),
ed. A. Böhlig und F. Wisse, Nag Hammadi Studies IV, 1975 166. Das Evangelium
(der) Ägypter ΠΕΥΑΓΓΕΛΙΟΝ <N> NPMNKHME (III 69,6), dazu 18-23.
41 Did. 8,2; 15,3f.
42 2 Clem 8,5: λέγει γάρ ό κύριος έν τω εύαγγελίω. Es folgt ein Zitat von Lk 16,11
in leichter Variation und dann wörtlich Lk 16,10a. Auffallend ist, daß der Vf. vier
apokryphe Zitate aus dem neutestamentlichen Bereich bringt: 4,5; 5,2-4; 12,2;
13,2. Daß sie freilich zusammen mit den synoptisch klingenden Zitaten alle aus <?z«er
Evangelienschrift stammen sollen, die ihrerseits wieder Lk und Mt verarbeitet
habe, wie Klaus Wengst, Schriften des Urchristentums II, Didache (Apostellehre),
Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet, Darmstadt 1984, 221ff.
vermutet, halte ich für wenig wahrscheinlich. Hier gibt es zu viele Möglich-
keiten der Erklärung. Möglicherweise griff der Autor auf eine von ihm selbst
zusammengestellte katechetische Sammlung zurück. Auch mündliche Tradition
mag eine Rolle spielen. Entscheidend ist für den Vf. noch nicht der nur einmal
verwendete Begriff εύαγγέλιον, sondern das Wort des Herrn: vgl. 4,5; 5,2; 6,1;
8,5; 9,11; 13,2 (Jes 52,5); 15,4; 17,3.4 (Jes 66,18). Es überwiegen dabei die Jesus-
worte, doch in zwei Fällen wird auch das AT zitiert.
 
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