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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0029
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Die Evangelienüberschriften

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Autorität verbarg, war es meist eine der großen Gestalten: etwa die
„Säulen“ Petrus, Jakobus, und Johannes, Paulus oder ein bekannter
Jünger des Zwölferkreises wie Andreas, Philippus oder Thomas.
D.h. man suchte einen bedeutenden Namen der Vergangenheit, den
die Evangelientitel mit Ausnahme des umstrittenen Johannes58 gerade
nicht bieten. Man darf darum nicht von vornherein bei allen in gleicher
Weise eine sekundäre, pseudepigraphische Verfasserzuschreibung
annehmen. Wer im Einzelfall den Titel zufügte, kann hier noch offen-
bleiben. Er konnte von den Autoren oder dem Herausgeber bzw.
einem vervielfältigenden Schreiber oder einem Bibliothekar stammen.
Irenäus, dessen gegen die Gnosis gerichtetes Hauptwerk bald nach 180
entstand und noch vor Ende des 2. Jh.s auf einem Papyrusfrag-
ment in Ägypten zu finden ist, hat den Titel seines Werkes selbst
geformt. Der Titel brachte für ihn zugleich ein Programm zum Aus-
druck59.
wurde der Buchtitel auch ganz bewußt entfernt bzw. ein Werk anonym in Umlauf
gebracht. Hieronymus, ep. 73,1, äußert sich zu einer Schrift, die ihm der Pres-
byter Euangelus mit der Bitte zugesandt hatte, er solle sie widerlegen, in recht
unwilliger Weise: „Du hast mir ein Buch ohne Verfasser zugesandt, und ich weiß
nicht, ob du den Namen vom Titel entfernt hast, oder ob jener, der es schrieb,
den Autor nicht bekanntgeben wollte, damit er der Gefahr der Kritik entginge“
(misisti mihi Volumen άδέσποτον et nescio, utrum tu de titulo nomen subtraxeris
an ille, qui scripsit, ut periculum fugeret disputandi, auctorem noluerit confiteri).
S. dazu G. Kloeters, op. cit. (Anm. 12) 218. Dies sind nur einige Beispiele unter
vielen. Das Problem der Buchtitel in der Patristik bedürfte dringend einer ein-
gehenden Untersuchung. Zu Titelvarianten und Doppeltiteln s. auch u. S. 29f.
58 Hier darf man nicht vergessen, daß Jöhanan/Ιωάννης einer der häufigsten palä-
stinischen Namen jener Zeit war. Im NT finden wir fünf bzw. sechs verschie-
dene Träger dieses Namens: 1. Johannes den Täufer, 2. den Zebedaiden, (3. den Se-
her der Apokalypse), 4. den Vater des Simon Petrus Joh 1,43; 21,15-17; 5. Johannes
Markus und 6. den Hohenpriester Apg 4,6. Hinzu käme noch der Presbyter Johan-
nes bei Papias. Josephus kennt 17 Personen dieses Namens s. A. Schalit, Namens-
wörterbuch zu Flavius Josephus, 1968, 66; Billerbeck VI, Verzeichnis der Schrift-
gelehrten..., hg. v. J. Jeremias/K. Adolph, 1961, 84-88 nennt 15. Verwechslungen
waren hier leicht möglich.
59 Der Titel lautete „Έλεγχος και ανατροπή τής ψευδωνύμου γνώσεως“ s. dazu
Α. Rousseau/L. Doutreleau, Irenee de Lyon, Contre les Heresies, Tome I, SC 293,
1982, 199. Die beiden Begriffe stammen aus der rhetorischen Gerichtssprache.
Im ersten Buch hatte Irenäus die demaskierende Überführung des Gegners, im
zweiten die diesen vernichtende Widerlegung vollzogen. Daß er selbst dem Werk
diesen Titel gegeben hat, ergibt sich aus dem Prolog des zweiten Buches, loc. cit.
24: Quapropter quod sit et detectio et euersio (έλεγχος και ανατροπή) sententiae
ipsorum, operis huius conscriptionem ita titulauimus. Vgl. auch schon Clemens,
ström. 6,2,1 und 7,18,3, der den von ihm selbst beigelegten, schon von Plutarch
 
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