Die Evangelienüberschriften
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die Aufforderung 1. Tim 4,13: „bis ich komme, widme dich der Vor-
lesung, der Ermahnung und der Lehre“, als die Folge von Schrift-
lesung und Predigt zu verstehen78, auch der Segenswunsch für den
Vorleser und die Hörer Apk 1,3 bezieht sich auf den Gottesdienst,
wobei es sich hier bereits um die Lesung einer christlichen Offen-
barungsschrift handelt79.
Der Brauch, Briefe im Gottesdienst zu verlesen, ist von dem älte-
sten Paulusbrief 1. Thess 5,27 (ca. 50 n.Chr.)80 an bezeugt. Noch
Bischof Dionysios von Korinth um 170 betont in seinem Brief an
Bischof Soter in Rom, daß der Brief des römischen Kollegen in seiner
Donfried mit Recht auf die Verwandtschaft von 19,1 mit 1 Tim 4,11-16 hin.
S. jetzt auch K. Wengst (Hg.), Schriften des Urchristentums. Didache ... Barnabas-
brief. Zweiter Klemensbrief. Schrift an Diognet, 1984, 213f.
78 Έως έρχομαι πρόσεχε τη άναγνώσει, τή παρακλήσει, τη διδασκαλία. S. dazu
C. Spicq, Saint Paul. Les epitres pastorales, 1969, 5Uff.: «En attendant, Timothee
donnera tous ses soins dans les assemblees liturgiques ä la dispensation de la
parole de Dieu et des prescriptions apostoliques (v. 11), sous les trois formes tradi-
tionnelles de la lecture, de l’exhortation, de l’enseignement; l’article repete devant
ces substantifs indique que ces fonctions sont definies et bien connues».
79 In Apk l,4f. läßt der Autor ein Briefpräskript an die sieben Gemeinden folgen,
das zeigt, daß die Apokalypse als Sendschreiben zu verstehen ist und als solches
in den Gemeinden verbreitet wurde. Darauf weist auch der Segenswunsch 22,21
hin. Im Unterschied zu den anderen neutestamentlichen Briefen erhebt jedoch
die Apokalypse erstmalig den Anspruch, eine gottgegebene, durch Christus ver-
mittelte (1,1) Offenbarungsschrift und damit sakrosankt (22,18) zu sein. Zu der -
verbreiteten - Warnformel s. Μ. Hengel, Probleme (op. cit. Anm. 50) 251 Anm. 67.
Ihr unmittelbares Vorbild findet sich in Dtn 4,2; 13,lff. Eine „Kanonisations-
formel“ ist sie noch nicht, da sie nur die Schrift schützt, nicht aber ihre allge-
meine Anerkennung garantiert; aber sie bedeutet einen wesentlichen Schritt auf
dem Weg zur neutestamentlichen Kanonsbildung.
80Vgl. noch Kol. 4,16; Eph 3,4; 2 Kor 1,13; 3,1; später 2 Petr 3,16; 1 CI 47,1;
Ign Eph 12,2. Ab dem Ende des 1. Jh.s kann man die Verlesung von Paulusbriefen
in zahlreichen Gemeinden voraussetzen. Bereits die paulinischen Briefpräskripte
und -Schlüsse sind bewußt für den liturgischen Gebrauch formuliert. Der „Heilige
Kuß“ am Briefschluß Rö 16,16; 1 Kor 16,20; 2 Kor 13,12; 1 Thess 5,26; 1 Petr 5,14
bildet am Ende der Briefverlesung den Übergang zur Mahlfeier: s. dazu Justin,
apol I 65,2; Tert., de orat. 18; Hippolyt, Apost. Überl. c. 4.21 ed. B. Botte, La
tradition apostolique de Saint Hippolyte, LWQF 39, 1962, 10.54. Athenag., Suppl.
32,6 u.ö. S. dazu K. Thraede, Artk. Friedenskuß, RAC 7, 1972, 505-519 und
G. Stählin, Artk. φιλέω κτλ. ThWB IX, 1973, 140ff. Gegen Thraede würde ich
den urchristlichen Gottesdienst in den Grundformen für einheitlicher halten, als
heute zumeist angenommen wird. Das korinthische „Chaos“, das immer noch eine
gewisse Ordnung voraussetzt, sollte nicht zur Regel gemacht werden. Die spätere
- relative - Ordnung, die auf den synagogalen Gottesdienst zurückweist, wird sonst
in ihrer Entstehung völlig unverständlich.
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die Aufforderung 1. Tim 4,13: „bis ich komme, widme dich der Vor-
lesung, der Ermahnung und der Lehre“, als die Folge von Schrift-
lesung und Predigt zu verstehen78, auch der Segenswunsch für den
Vorleser und die Hörer Apk 1,3 bezieht sich auf den Gottesdienst,
wobei es sich hier bereits um die Lesung einer christlichen Offen-
barungsschrift handelt79.
Der Brauch, Briefe im Gottesdienst zu verlesen, ist von dem älte-
sten Paulusbrief 1. Thess 5,27 (ca. 50 n.Chr.)80 an bezeugt. Noch
Bischof Dionysios von Korinth um 170 betont in seinem Brief an
Bischof Soter in Rom, daß der Brief des römischen Kollegen in seiner
Donfried mit Recht auf die Verwandtschaft von 19,1 mit 1 Tim 4,11-16 hin.
S. jetzt auch K. Wengst (Hg.), Schriften des Urchristentums. Didache ... Barnabas-
brief. Zweiter Klemensbrief. Schrift an Diognet, 1984, 213f.
78 Έως έρχομαι πρόσεχε τη άναγνώσει, τή παρακλήσει, τη διδασκαλία. S. dazu
C. Spicq, Saint Paul. Les epitres pastorales, 1969, 5Uff.: «En attendant, Timothee
donnera tous ses soins dans les assemblees liturgiques ä la dispensation de la
parole de Dieu et des prescriptions apostoliques (v. 11), sous les trois formes tradi-
tionnelles de la lecture, de l’exhortation, de l’enseignement; l’article repete devant
ces substantifs indique que ces fonctions sont definies et bien connues».
79 In Apk l,4f. läßt der Autor ein Briefpräskript an die sieben Gemeinden folgen,
das zeigt, daß die Apokalypse als Sendschreiben zu verstehen ist und als solches
in den Gemeinden verbreitet wurde. Darauf weist auch der Segenswunsch 22,21
hin. Im Unterschied zu den anderen neutestamentlichen Briefen erhebt jedoch
die Apokalypse erstmalig den Anspruch, eine gottgegebene, durch Christus ver-
mittelte (1,1) Offenbarungsschrift und damit sakrosankt (22,18) zu sein. Zu der -
verbreiteten - Warnformel s. Μ. Hengel, Probleme (op. cit. Anm. 50) 251 Anm. 67.
Ihr unmittelbares Vorbild findet sich in Dtn 4,2; 13,lff. Eine „Kanonisations-
formel“ ist sie noch nicht, da sie nur die Schrift schützt, nicht aber ihre allge-
meine Anerkennung garantiert; aber sie bedeutet einen wesentlichen Schritt auf
dem Weg zur neutestamentlichen Kanonsbildung.
80Vgl. noch Kol. 4,16; Eph 3,4; 2 Kor 1,13; 3,1; später 2 Petr 3,16; 1 CI 47,1;
Ign Eph 12,2. Ab dem Ende des 1. Jh.s kann man die Verlesung von Paulusbriefen
in zahlreichen Gemeinden voraussetzen. Bereits die paulinischen Briefpräskripte
und -Schlüsse sind bewußt für den liturgischen Gebrauch formuliert. Der „Heilige
Kuß“ am Briefschluß Rö 16,16; 1 Kor 16,20; 2 Kor 13,12; 1 Thess 5,26; 1 Petr 5,14
bildet am Ende der Briefverlesung den Übergang zur Mahlfeier: s. dazu Justin,
apol I 65,2; Tert., de orat. 18; Hippolyt, Apost. Überl. c. 4.21 ed. B. Botte, La
tradition apostolique de Saint Hippolyte, LWQF 39, 1962, 10.54. Athenag., Suppl.
32,6 u.ö. S. dazu K. Thraede, Artk. Friedenskuß, RAC 7, 1972, 505-519 und
G. Stählin, Artk. φιλέω κτλ. ThWB IX, 1973, 140ff. Gegen Thraede würde ich
den urchristlichen Gottesdienst in den Grundformen für einheitlicher halten, als
heute zumeist angenommen wird. Das korinthische „Chaos“, das immer noch eine
gewisse Ordnung voraussetzt, sollte nicht zur Regel gemacht werden. Die spätere
- relative - Ordnung, die auf den synagogalen Gottesdienst zurückweist, wird sonst
in ihrer Entstehung völlig unverständlich.