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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0041
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Die Evangelienüberschriften

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der Begleitbrief Polykarps (c. 13) sowie - nicht zuletzt - die Samm-
lungen der Paulinen und später des Dionysios von Korinth. Wenn
Ignatius in ganz ungewöhnlicher Weise in Philad. 8,2 von den pro-
phetischen Büchern als άρχεϊα, wörtlich „Archiven“, d.h. hier (im
Archiv verwahrten) „Urkunden“ spricht, ist dies vielleicht auch ein
Hinweis auf das „Gemeindearchiv“, in dem die Schriften des Alten
Testaments aufbewahrt wurden92. Die spezifisch christliche Buchpro-
duktion in den ersten 100 Jahren der neuen Religion darf nicht
unterschätzt werden, auch wenn von ihr nur noch relativ wenig er-
halten ist. Sie diente auch - wenn wir von den gnostischen Aus-
wüchsen absehen - nicht primär der privaten Erbauung, sondern
den gottesdienstlichen Versammlungen der Gemeinden. Das Miß-
trauen des Bischofs von Hierapolis gegenüber den Büchern rührt
ja nicht von einem Mangel an solchen in der Kirche her, sondern
von der Überproduktion der „vielen“, was ihn nicht hindert, selbst
fünf Bände zu schreiben; daß bereits seine Gemeindebibliothek
wohl bestückt war, zeigen die wenigen Anmerkungen Eusebs93.
Die Kritik Tertullians an Marcions neu wiederhergestelltem Evan-
gelium adv. Marc. 4,4,2 gibt mit einer rhetorischen Frage den histori-
schen Sachverhalt durchaus angemessen wieder:
„und schließlich soll das als wahrheitsgetreuer betrachtet werden,
was später ist, selbst nachdem so viele und bedeutende Werke und
92 Ign. Phld. 8,2: έπεϊ ήκουσά τινων λεγόντων, ότι, έάν μή έν τοΐς άρχείοις εΰρω,
έν τω εύαγγελίω ού πιστεύω, s. dazu C. Ρ. Hammond-Bammel, ορ. cit. (Anm. 91)
74, die einer Anregung von E. Bammel folgend in έν τω εύαγγελίω eine Glosse
sieht. Der Text würde dadurch verständlicher. Zu άρχεϊα vgl. H. Leclercq, DACL
11,1, 1925, 853: «Αρχεϊα ne designe pas seulement les livres..., mais le local dans
lequel on les conserve...». Die Vermutung, damit werde auf die Synagogenarchive
verwiesen, halte ich freilich für abwegig. Die Gegner fordern den Nachweis durch
die in den Gemeindebibliotheken deponierten heiligen Schriften (des Alten Testa-
ments): Ign. ib.: και λέγοντός μου αύτοϊς, ότι γέγραπται, άπεκρίθησάν μοι, ότι
πρόκειται. Demgegenüber beruft sich Ignatius auf das in der mündlichen Tradi-
tion gegenwärtige Heilsgeschehen: έμοΐ δε άρχεϊα έστιν Ιησούς Χριστός, τα άθικτα
άρχεϊα ό σταυρός αύτοΰ και ό θάνατος και ή άνάστασις αύτοΰ και ή πίστις δι’ αύτοΰ...
93 H.e. 3,39,3: ού γάρ τοΐς τα πολλά λέγουσιν έχαιρον ώσπερ οί πολλοί: diese Polemik
richtet sich gegen die zeitgenössische literarische Produktion. Papias kennt nach
den erhaltenen Fragmenten Mt und Joh, 1 Joh, 1 Petr, die Apokalypse und m.E.
auch das Johannesevangelium und die Apg, weiter wohl das Hebräerevangelium
(3,39,17) und vielleicht τού κυρίου λόγων διηγήσεις des Aristion. Die τού πρεσβυ-
τέρου Ίωάννου παραδόσεις (3,39,14) sind wohl kaum eine schriftliche Quelle.
Möglicherweise gibt hier Papias eigene gesammelte schriftliche Aufzeichnungen
wieder.
 
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