Zeit und Geschichte bei Augustin
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in Confessiones XI-XIII als Weg zur Sabbatruhe an3. Nach Erich
Dinklers Aufsatz über „Augustins Geschichtsauffassung“ (1954/55) ist
in Confessiones Buch XI „die zyklische Zeit- und Geschichtsauffas-
sung der Griechen durch die lineare' zielstrebende oder erwartende
der jüdisch-christlichen endgültig ersetzt und eine Basis für eine christ-
liche Konzeption der Geschichte gelegt“: „Denn wenn Zeit nicht [... ]
nur eine Wiederholung des Gewesenen ist, wenn sie vielmehr eine
echte und d. h. offene Zukunft hat, erst dann ist Geschichte [... ]
ermöglicht, erst dann erschließt menschliches Erkennen der Zeitlich-
keit unseres Daseins zugleich auch ein Wachwerden für unsere
Geschichtlichkeit“. „Es zeigt sich bereits“ in den Bekenntnissen „an,
[... ] wie sehr bei (Augustins) Denken über Zeit und Geschichte die
Zukunft Gewicht erhält“5 6. In seinem Kommentar zu Plotins Schrift
„Über Ewigkeit und Zeit“ bemerkt Werner Beierwaltes (1967), im
Kontext einer Auslegung von Confessiones Buch XI, Augustin denke
„Zeit vom Grunde ihrer Geschichtlichkeit her“7. Duchrow findet in
„Eschatologie und heilsgeschichtliche(m) Denken“ bei Augustin „eine
neue ursprüngliche Zeiterfahrung“ ermöglicht8. In einem Vortrag
„Über leere und erfüllte Zeit“ zu Heideggers 80. Geburtstag (1969) sagt
Gadamer, die Zeitlichkeit sei bei Augustin „das Hingespanntsein der
Seele auf die Zukunft und zuletzt auf die Erlösung aus der Zeitlichkeit
durch die göttliche Gnade“. „Das sich Hinspannen der Seele, ihr Sich-
sammeln aus der zerstreuten Mannigfaltigkeit des Verfuhrtwerdens
durch die curiositas, ist der Wahrheitspunkt, in dem sich Augustin den
griechischen Denkschwierigkeiten überlegen findet“9.
Diesen Voten ist gemeinsam,
1. daß sie in der Wirkung von Heideggers10 Auslegung des Daseins ste-
hen und daher Augustins Zeitlehre als Lehre von der menschlichen
Zeitlichkeit lesen;
5 Lechner, Idee und Zeit bei A., S. 140 und 125; Berlinger, Zeitlichkeit bei A.; erwei-
tert und verändert aufgenommen in: Berlinger, A.s dialog. Metaphysik, S. 42ff.; vgl.
u. S. 31, Anm. 48; S. 53, Anm. 107.
6 Dinkler, A.s Geschichtsauffassung, S. 518 f.
7 Beierwaltes, comm. Plotin. enn. III 7, S. 71.
8 Duchrow, Zweireichelehre, S. 300.
9 Gadamer, Leere u. erfüllte Zeit, S. 18; vgl. jedoch auch u. S. 56.
10 Vgl. Duchrow, Sog. psycholog. Zeitbegriff A.s, S. 267: seit Heideggers „Sein und
Zeit“ sprunghafter Zuwachs der philosophischen und theologischen Literatur zu
Augustins Zeitbegriff, wobei Augustin als Vater eines existenzial-ontologischen
Zeitdenkens verstanden wird. Es handelt sich dabei allerdings nicht um die Fort-
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in Confessiones XI-XIII als Weg zur Sabbatruhe an3. Nach Erich
Dinklers Aufsatz über „Augustins Geschichtsauffassung“ (1954/55) ist
in Confessiones Buch XI „die zyklische Zeit- und Geschichtsauffas-
sung der Griechen durch die lineare' zielstrebende oder erwartende
der jüdisch-christlichen endgültig ersetzt und eine Basis für eine christ-
liche Konzeption der Geschichte gelegt“: „Denn wenn Zeit nicht [... ]
nur eine Wiederholung des Gewesenen ist, wenn sie vielmehr eine
echte und d. h. offene Zukunft hat, erst dann ist Geschichte [... ]
ermöglicht, erst dann erschließt menschliches Erkennen der Zeitlich-
keit unseres Daseins zugleich auch ein Wachwerden für unsere
Geschichtlichkeit“. „Es zeigt sich bereits“ in den Bekenntnissen „an,
[... ] wie sehr bei (Augustins) Denken über Zeit und Geschichte die
Zukunft Gewicht erhält“5 6. In seinem Kommentar zu Plotins Schrift
„Über Ewigkeit und Zeit“ bemerkt Werner Beierwaltes (1967), im
Kontext einer Auslegung von Confessiones Buch XI, Augustin denke
„Zeit vom Grunde ihrer Geschichtlichkeit her“7. Duchrow findet in
„Eschatologie und heilsgeschichtliche(m) Denken“ bei Augustin „eine
neue ursprüngliche Zeiterfahrung“ ermöglicht8. In einem Vortrag
„Über leere und erfüllte Zeit“ zu Heideggers 80. Geburtstag (1969) sagt
Gadamer, die Zeitlichkeit sei bei Augustin „das Hingespanntsein der
Seele auf die Zukunft und zuletzt auf die Erlösung aus der Zeitlichkeit
durch die göttliche Gnade“. „Das sich Hinspannen der Seele, ihr Sich-
sammeln aus der zerstreuten Mannigfaltigkeit des Verfuhrtwerdens
durch die curiositas, ist der Wahrheitspunkt, in dem sich Augustin den
griechischen Denkschwierigkeiten überlegen findet“9.
Diesen Voten ist gemeinsam,
1. daß sie in der Wirkung von Heideggers10 Auslegung des Daseins ste-
hen und daher Augustins Zeitlehre als Lehre von der menschlichen
Zeitlichkeit lesen;
5 Lechner, Idee und Zeit bei A., S. 140 und 125; Berlinger, Zeitlichkeit bei A.; erwei-
tert und verändert aufgenommen in: Berlinger, A.s dialog. Metaphysik, S. 42ff.; vgl.
u. S. 31, Anm. 48; S. 53, Anm. 107.
6 Dinkler, A.s Geschichtsauffassung, S. 518 f.
7 Beierwaltes, comm. Plotin. enn. III 7, S. 71.
8 Duchrow, Zweireichelehre, S. 300.
9 Gadamer, Leere u. erfüllte Zeit, S. 18; vgl. jedoch auch u. S. 56.
10 Vgl. Duchrow, Sog. psycholog. Zeitbegriff A.s, S. 267: seit Heideggers „Sein und
Zeit“ sprunghafter Zuwachs der philosophischen und theologischen Literatur zu
Augustins Zeitbegriff, wobei Augustin als Vater eines existenzial-ontologischen
Zeitdenkens verstanden wird. Es handelt sich dabei allerdings nicht um die Fort-