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Ernst A. Schmidt
2. daß sie im Anschluß an Heidegger die Zukunft als das Wesen der
Zeitlichkeit denken und bei Augustin wiederzufinden meinen;
3. daß sie Ewigkeit als Zukunft verstehen und die Zeitlichkeit als
Zukünftigkeit über sich selbst hinausweisen lassen;
4. daß sie Augustin als Geschichtstheologen betrachten und daher die
Heilsgeschichte der Menschheit in seiner Theologie der Zeitlichkeit
ergänzt sehen wollen bzw., mit Heideggers Augen, Zeitlichkeit als
schon immer in Geschichtlichkeit fundiert denken.
Wir stehen damit einer komplexen Deutung großartiger Geschlos-
senheit gegenüber, deren spekulativer Kraft und philosophischem
Anspruch man sich nur schwer verschließen kann. Aus Heideggers
existenzialer Begründung der Seinsfrage heraus wird Augustin als der
große Systematiker einer Heilsgeschichte verstanden, in der das ewige
Sein Ziel der Zeit ist, der Weltzeit wie der Zeitlichkeit des einzelnen
Menschen. Und diese Geschichts- und Zeittheologie kann zudem
noch nahezu bruchlos in die Tradition der neuplatonischen Denk-
anstrengungen zu Zeit und Ewigkeit gestellt werden.
Von den Zweifeln an dieser Deutung ist die vorliegende Untersu-
chung ausgegangen. Der positive Gehalt des hier vorzustellenden
Gegenbildes wird für die existenzial-ontologischen Interpretationen
ergeben, daß sie die kreatürliche Zeit Augustins metaphysisch über-
schätzen und, statt der Eigenleistung des Christen und Theologen
Augustin - und d. h. insbes. der Theologie der Bekenntnisse - gewahr
zu werden, gerade den dynamischen, dialektischen, gerichteten und
geschichtlichen Zeitbegriff Plotins als den augustinischen ausgeben11.
führung von Heideggers eigener Augustinauslegung (vgl. dazu: Pöggeler, Heideg-
gers Denkweg; S. 38-45); vgl. Anm. 97. - Die obigen Voten ließen sich vermehren.
Vgl. z.B. u. S. 39, Anm. 60. G. N. Knauer, Peregrinatio Animae, Hermes 85 (1957),
S. 216-248 sieht die Einheit der Confessiones im Weg der Seele zu Gott (wofür er
„peregrinatio“ im Sinn von zielbezogener Pilgerschaft gebraucht; vgl. dazu u. S. 88,
Anm. 80) und ihren Aufbau als Folge von memoria (I-IX), contuitus (X) und
expectatio (XI-XIII): „in die ,requies aeterna‘ wird in einer Zukunft, auf die sich die
,expectatio‘ schon richten darf [... ], die letzte Wegstrecke fuhren, die ,peregrinatio
animae‘ findet in Gott selbst ihr Ziel und Ende“ (S. 248 mit Anm. 1). Auch Flasch,
Augustin, bewahrt Elemente der existenzial-ontologischen und geschichtsphiloso-
phischen Deutung. Vgl. bes. S. 267f. („in die Zukunft ausgespannter Charakter der
menschlichen Existenz“) und S. 286 („zeithaft-geschichtlicher Charakter des
menschlichen Daseins“).
11 Ohne spürbaren Heideggereinfluß und offenbar nur in überzeichnender Fortfüh-
rung der Einsichten Courcelles macht O’Connell, St. A.’s Confessions, S. 135-144
(“Eternity and the Fall into Time”) die augustinische Zeitlehre zu reinem Plotinis-
Ernst A. Schmidt
2. daß sie im Anschluß an Heidegger die Zukunft als das Wesen der
Zeitlichkeit denken und bei Augustin wiederzufinden meinen;
3. daß sie Ewigkeit als Zukunft verstehen und die Zeitlichkeit als
Zukünftigkeit über sich selbst hinausweisen lassen;
4. daß sie Augustin als Geschichtstheologen betrachten und daher die
Heilsgeschichte der Menschheit in seiner Theologie der Zeitlichkeit
ergänzt sehen wollen bzw., mit Heideggers Augen, Zeitlichkeit als
schon immer in Geschichtlichkeit fundiert denken.
Wir stehen damit einer komplexen Deutung großartiger Geschlos-
senheit gegenüber, deren spekulativer Kraft und philosophischem
Anspruch man sich nur schwer verschließen kann. Aus Heideggers
existenzialer Begründung der Seinsfrage heraus wird Augustin als der
große Systematiker einer Heilsgeschichte verstanden, in der das ewige
Sein Ziel der Zeit ist, der Weltzeit wie der Zeitlichkeit des einzelnen
Menschen. Und diese Geschichts- und Zeittheologie kann zudem
noch nahezu bruchlos in die Tradition der neuplatonischen Denk-
anstrengungen zu Zeit und Ewigkeit gestellt werden.
Von den Zweifeln an dieser Deutung ist die vorliegende Untersu-
chung ausgegangen. Der positive Gehalt des hier vorzustellenden
Gegenbildes wird für die existenzial-ontologischen Interpretationen
ergeben, daß sie die kreatürliche Zeit Augustins metaphysisch über-
schätzen und, statt der Eigenleistung des Christen und Theologen
Augustin - und d. h. insbes. der Theologie der Bekenntnisse - gewahr
zu werden, gerade den dynamischen, dialektischen, gerichteten und
geschichtlichen Zeitbegriff Plotins als den augustinischen ausgeben11.
führung von Heideggers eigener Augustinauslegung (vgl. dazu: Pöggeler, Heideg-
gers Denkweg; S. 38-45); vgl. Anm. 97. - Die obigen Voten ließen sich vermehren.
Vgl. z.B. u. S. 39, Anm. 60. G. N. Knauer, Peregrinatio Animae, Hermes 85 (1957),
S. 216-248 sieht die Einheit der Confessiones im Weg der Seele zu Gott (wofür er
„peregrinatio“ im Sinn von zielbezogener Pilgerschaft gebraucht; vgl. dazu u. S. 88,
Anm. 80) und ihren Aufbau als Folge von memoria (I-IX), contuitus (X) und
expectatio (XI-XIII): „in die ,requies aeterna‘ wird in einer Zukunft, auf die sich die
,expectatio‘ schon richten darf [... ], die letzte Wegstrecke fuhren, die ,peregrinatio
animae‘ findet in Gott selbst ihr Ziel und Ende“ (S. 248 mit Anm. 1). Auch Flasch,
Augustin, bewahrt Elemente der existenzial-ontologischen und geschichtsphiloso-
phischen Deutung. Vgl. bes. S. 267f. („in die Zukunft ausgespannter Charakter der
menschlichen Existenz“) und S. 286 („zeithaft-geschichtlicher Charakter des
menschlichen Daseins“).
11 Ohne spürbaren Heideggereinfluß und offenbar nur in überzeichnender Fortfüh-
rung der Einsichten Courcelles macht O’Connell, St. A.’s Confessions, S. 135-144
(“Eternity and the Fall into Time”) die augustinische Zeitlehre zu reinem Plotinis-