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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0046
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Ernst A. Schmidt

ten Zeiten, kann auf keine Weise in den Begriff dieser Zeit selbst, noch
dazu als deren wesentlicher Charakter, ein Hinaussein auf die Ewigkeit
Gottes zu sein, einbezogen werden. Gott ist es, der, wie die Zeiten
selbst, so auch die Ruhe vor der Zeit schafft, wie Augustin am Ende
der Bekenntnisse sagt (conf. 13, 37, 52): „tu [... ] facis [... ] et ipsa tem-
pora et quietem ex tempore“. Weder der Mensch selbst noch auch
seine Zeit, das im Auseinander der Zeiten zerstreute und unruhige
Herz, laufen auf die Sabbatruhe zu. Das widerspricht der zur Zeit der
Bekenntnisse von Augustin schon gewonnenen Sünden- und Gnaden-
lehre. „fecisti nos ad te“ bedeutet nicht, daß Gott den Menschen mit
der Befähigung ausgestattet habe, den Weg zu ihm als unruhig-uner-
müdlich Suchender zu finden und zu gehen, sondern daß der Mensch
gerade wegen seiner Bestimmung auf Gott hin in seiner Gottferne von
Unruhe und Tumult zerrissen ist. Die Unruhe ist der Elendsstand des
Menschen: „misera inquietudo“, und zur Seligkeit der Ruhe („beata
requies“) „langt auf keine Weise etwas hin, das weniger ist als Gott,
also auch nicht die Kreatur selbst“ (conf. 13,8,9), also auch nicht deren
Zeit, deren Unruhe, deren Geschäftigkeit. „Kann das in seiner Zeit-
lichkeit zerbrochene Ich wieder seine Ganzheit und Einheit finden? Ja,
aber nie und nimmer innerhalb seiner eigenen Zeitlichkeit“75.
Auch der zwischen „ecce distentio est vita mea“ und „at ego in tem-
pora dissilui“ stehende Satz (conf. 11, 29, 39, p. 292, 7-21) ist gegen
Mißverständnisse76 zu sichern, wobei man Duchrows, Meijerings und
O’Dalys Hilfe hat77. Augustin zitiert und interpretiert Philipperbrief 3,
12—1478 zur Vorstellung der Aufhebung der menschlichen Zeit: statt
in conf. 11,29, 39 geben, sind zugleich Interpretationen zu den beiden oben im Text
zitierten Sätzen. Synonyme zu „distentio“ sind wie „dissilire“ und „dilaniari“ auch
„dispersio“, „discissus“, „in multa evanescere“, „defluere“; das Gegenteil bezeich-
nen: „colligere“, „continentia“. Die wichtigsten Parallelen aus den Confessiones
sind conf. 2, 1, 1: „colligens (tu) me a dispersione, in qua frustatim discissus sum
(,stückchenweise zerrissen1), dum ab uno te aversus in multa evanui“; conf. 10, 29,
40: „per continentiam quippe colligimur [... ] in unum, a quo in multa defluximus“.
Die zeitliche „distentio“ rückt also in die Nähe von noÄtrnpayhoauvr] und „curio-
sitas“.
' Brunner, Zeit u. Geschichte bei A., S. 15.
76 Z.B. bei Dinkler, A.s Geschichtsauffassung, S. 519. Vgl. dazu u. Anm. 82.
77 Das Entscheidende steht schon bei Brunner, Zeit und Geschichte bei A., S. 15 f.
78 Ouy ÖTi f|ör] eAaßov [...], öuäxco öe ei xai xaraAaßw, ecp’ 6 xai xaTeÄf|p.<pür)v vxö
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