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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0067
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Zeit und Geschichte bei Augustin

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eine solche Kritik bereits ausführlich und überlegen (wenn auch nicht
durchgängig konsequent) zumal von Scholz, Glaube und Unglaube
(1911), Kamlah, Christentum und Geschichtlichkeit (19512) und (in
bestimmten Aspekten auch in besonderer Klarsichtigkeit) von Löwith,
Weltgeschichte (1953) sowie von Markus, Saeculum (1970)3 geleistet
worden ist und auch hier und da Anerkennung gefunden hat - vgl. z. B.
Flasch, Augustin, S. 368: „Die Geschichtsphilosophie ist nicht bei
Augustin, sondern bei Vico, Montesquieu und Voltaire entstanden“ -
und überflüssig im Sinn von unnütz, weil auch jene Kritik die weitere
Beanspruchung Augustins für die Geschichtsphilosophie nicht hat
hindern können, wie zumal Bloch, Prinzip Hoffnung belegen mag4.
Beiden berechtigten Bedenken zum Trotz nehme ich die Kritik
erneut auf, wobei mich zwei Motive bestimmen: die Deutung der Zeit-
lehre Augustins muß abgesichert und jedenfalls dem Vorwurf der
Gedankenlosigkeit (bei der Abwehr geschichtstheologischer Inter-
polationen von „De civitate Dei“ her) entzogen werden. Und das hier
Mitzuteilende geht über eine bloße Wiederholung und Zusammenfas-
sung bisheriger Beobachtungen und Argumente hinaus und begrün-
det die im Vergleich mit den Vorgängern größere Entschiedenheit mit
neuen Nachweisen, Denkelementen und Überlegungen.
Ich werde hier also nicht Kamlahs Gesamtdeutung wiederholen.
Angesichts des Aufbaus von „De civitate Dei“ und seines Anstoßes
kann nur Gedankenlosigkeit oder Unkenntnis an der Einsicht in
„Christentum und Geschichtlichkeit“ vorübergehen, daß die Pointe
des augustinischen Werkes gerade die Überwindung christlicher
Reichstheologie ist, ein Anliegen, das die Wirkungsgeschichte von
Anfang an nicht wahrgenommen hat: Augustins „Versuch, dem
,Gottesstaat‘ der Zukunft in letzter Stunde noch in den Arm zu fallen,
ist von der Geschichte selbst übergangen worden und darum unbe-
merkt geblieben“5. Auch ein erneutes Referat der Kontroverse zwi-
3 Die wiederholte Kritik, die Markus an Scholz und Kamlah übt, sollte nicht darüber
hinwegtäuschen, daß er, was De civitate Dei betrifft, im Grunde ihre Ansicht teilt,
aber infolge seiner überzeugenden Nachzeichnung von Augustins sich wandelnder
Theologie von Politik und Geschichte in das Gesamtbild auch Züge eintragen muß,
die der Interpretation der Gottesstadt bei Scholz und Kamlah natürlich nicht ent-
sprechen können.
4 Vgl. zuletzt Bubner, Geschichtsprozesse, S. 73 f.
5 Kamlah, Christentum u. Geschichtlichkeit, S. 183. Im Blick auf das Mittelalter liest
sich Bernheim, Zeitanschauungen, durchweg als Bestätigung der Kamlahschen
These, indem dort überall das Gegenteil des beabsichtigten Nachweises heraus-
 
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