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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0078
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Ernst A. Schmidt

philosophisch-utopische Umdeutung der augustinischen Eschato-
logie37.
Die folgende Untersuchung ist Kritik allgemeiner Denkmuster
geschichtsphilosophischer Deutung von „De civitate Dei“ in drei
Dopppelschritten. Im ersten hier folgenden Kapitel (Kap. 2) überprüfe
ich zwei Grundvorstellungen und Symptome der Ansetzung eines
institutionellen Geschichtssubjekts und diesseitig teleologischen Ge-
schichtsprozesses, die Übersetzung von „civitas“ mit „Staat“ - es
gibt nämlich Autoren, die nicht nur so übersetzen, sondern auch tat-
sächlich meinen, was sie übersetzen - und von „peregrinatio“ mit „Pil-
gerschaft“. Die philologisch-historische Kritik versucht, diese beiden
Auffassungen zurückzuweisen, und ist dabei die Werbung für die
Anerkennung der Unweltlichkeit und Ungeschichtlichkeit der augu-
stinischen Eschatologie. Der zweite Doppelschritt (Kap. 3) analysiert
in logisch-systematischer Kritik und zugleich auf der Basis des Text-
befundes zwei Modelle der Vermittlung von Einheit (Welt-, Zielge-
schichte) und Zweiheit (die beiden „civitates“), nämlich das des
Kampfes von Glaube und Unglaube und das von Welt- als Heilsge-
schichte und zeigt, daß zusätzlich zum Fehlen der Belegbarkeit bei
Augustin diese Denkmuster zu widersprüchlichen Konsequenzen
bzw. zur wechselseitigen Aufhebung ihrer Begriffe führen. Das
Schlußkapitel (Kap. 4) gilt der geschichtsphilosophischen Bean-
spruchung der Epochenlehre bei Augustin und der Geschichtlichkeit
Christi als weit- und heilsgeschichtlicher Konzepte. Die theologische
Kritik auf dem Boden der „civitates“-Lehre führt über Augustins Bild
des alttestamentlichen Heilsgeschehens und seine Christologie zur
Erkenntnis der Eschatologisierung des Heils in christlicher Zeit: Chri-
stus ist das Ende der (diesseitigen Heils-)Geschichte.

37 Blochs Unbehagen gegenüber Augustin bzw. seiner eigenen geschichtsphilosphi-
schen Utopisierung der „civitas Dei“ ist unübersehbar. Er spürte durchaus, daß
dem „Gottesstaat“, um eine geschichtswirksame Utopie zu sein, Entscheidendes im
Wege stand: Augustins Ersetzung des Chiliasmus durch die präsente Kirche, die
Gnaden- und Willenslehre, der augustinische Gott. Immer wieder mußte er, wie
bald seine Formulierungen halb einräumen, wie es bald geradezu als Deutungs-
programm erscheint, die Aussagen des Textes uminterpretieren oder gegen den
Autor ergänzen oder zwar eine Behauptung zuerst aufstellen und später, wenn sie
nicht mehr gebraucht wurde, wieder zurücknehmen.
 
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