Zeit und Geschichte bei Augustin
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Kain, der erste SWterbauer (civ. 15,1; II, p. 59,23: „quod condiderit
civitatem“), ist auch „primus [... ] terrenae civitatis conditor“ (civ. 15,5;
II, p. 64,5 sqq.), erster Begründer einer „civitas terrena“ (nicht von
„civitas terrena“ überhaupt, denn deren „exortus“ ist der Abfall der
Engel und der Sündenfall des Ehepaars im Paradies), weil er ein
Brudermörder ist: er tötet Abel, „civem civitatis aeternae in hac terra
peregrinantem“, der seinerseits, als „peregrinus“, keine Stadt gründet
(p. 59,24). Diesem äp/ewKOc (p. 64,11) korrespondiert Romulus „in ea
civitate condenda, quae fuerat huius terrenae civitatis, de qua loqui-
mur, caput futura“ - Rom, eine „civitas“ (Stadt), das zukünftige Haupt
einer bestimmten „civitas terrena“, des heidnischen Römerreichs
Romulus korrespondiert diesem Exempel qua Brudermörder bei der
„institutio rei publicae“. Der einzige Unterschied: Romulus und
Remus „terrenae civitatis ambo cives erant“. Romulus, schon vor
Gründung Roms ein Bürger der irdischen Bürgerschaft, begründet
eben als ein solcher den römischen Staat, die römische „res publica“,
das römische „Imperium“ als „civitas terrena“ durch den Bau der Stadt
Rom. Er erweist sich als ein solcher Bürger und konstituiert das
begründete Gebilde als Repräsentanten von „civitas terrena“ durch
den Brudermord bei der Stadtgründung52.
Die Vermischung und Verflechtung der beiden „civitates“ - vor
„De civitate Dei“ schon bei Tyconius und bei Augustin selber in „De
catechizandis rudibus“ (19,31; CCL 46, p. 156)53 - bestätigt nicht allein,
daß „civitas“ nicht „Staat“ bedeuten kann, sondern nimmt der Zwei-
„civitates“-Lehre, als Geschichtskonzept betrachtet, auch das
geschichtliche Subjekt. Mit der Unmöglichkeit korporativer Trennung
und Scheidung54 entfallen die beiden „civitates“ als Geschichts-
subjekte und damit eine auf der „civitates“-Theologie beruhende
Geschichtstheologie. Um sie zu retten, müßte man, da jene spirituel-
len Körperschaften sich allein als Willensidentität der jeweiligen indi-
viduellen Menschen konstituieren, bei Augustin Universalgeschichte
unmittelbar aus der Differenz von Glücksoptionen individueller Men-
schen hergestellt betrachten, eine verzweifelte Auskunft.
52 Zu Romulus bei Augustin vgl. Maier, A. u. Rom, S. 102ff.; H. J. Krämer, Die Sage
von Romulus und Remus in der lateinischen Literatur. In: Synusia. FS Schade-
waldt, Pfullingen 1965, S. 355-402; hier: S. 378f.
53 Vgl. Duchrow, Zweireichelehre, S. 222; S. 232f, S. 238f.
54 Vgl. Duchrow, Zweireichelehre, S. 268; Markus, Saeculum, S. 60ff.
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Kain, der erste SWterbauer (civ. 15,1; II, p. 59,23: „quod condiderit
civitatem“), ist auch „primus [... ] terrenae civitatis conditor“ (civ. 15,5;
II, p. 64,5 sqq.), erster Begründer einer „civitas terrena“ (nicht von
„civitas terrena“ überhaupt, denn deren „exortus“ ist der Abfall der
Engel und der Sündenfall des Ehepaars im Paradies), weil er ein
Brudermörder ist: er tötet Abel, „civem civitatis aeternae in hac terra
peregrinantem“, der seinerseits, als „peregrinus“, keine Stadt gründet
(p. 59,24). Diesem äp/ewKOc (p. 64,11) korrespondiert Romulus „in ea
civitate condenda, quae fuerat huius terrenae civitatis, de qua loqui-
mur, caput futura“ - Rom, eine „civitas“ (Stadt), das zukünftige Haupt
einer bestimmten „civitas terrena“, des heidnischen Römerreichs
Romulus korrespondiert diesem Exempel qua Brudermörder bei der
„institutio rei publicae“. Der einzige Unterschied: Romulus und
Remus „terrenae civitatis ambo cives erant“. Romulus, schon vor
Gründung Roms ein Bürger der irdischen Bürgerschaft, begründet
eben als ein solcher den römischen Staat, die römische „res publica“,
das römische „Imperium“ als „civitas terrena“ durch den Bau der Stadt
Rom. Er erweist sich als ein solcher Bürger und konstituiert das
begründete Gebilde als Repräsentanten von „civitas terrena“ durch
den Brudermord bei der Stadtgründung52.
Die Vermischung und Verflechtung der beiden „civitates“ - vor
„De civitate Dei“ schon bei Tyconius und bei Augustin selber in „De
catechizandis rudibus“ (19,31; CCL 46, p. 156)53 - bestätigt nicht allein,
daß „civitas“ nicht „Staat“ bedeuten kann, sondern nimmt der Zwei-
„civitates“-Lehre, als Geschichtskonzept betrachtet, auch das
geschichtliche Subjekt. Mit der Unmöglichkeit korporativer Trennung
und Scheidung54 entfallen die beiden „civitates“ als Geschichts-
subjekte und damit eine auf der „civitates“-Theologie beruhende
Geschichtstheologie. Um sie zu retten, müßte man, da jene spirituel-
len Körperschaften sich allein als Willensidentität der jeweiligen indi-
viduellen Menschen konstituieren, bei Augustin Universalgeschichte
unmittelbar aus der Differenz von Glücksoptionen individueller Men-
schen hergestellt betrachten, eine verzweifelte Auskunft.
52 Zu Romulus bei Augustin vgl. Maier, A. u. Rom, S. 102ff.; H. J. Krämer, Die Sage
von Romulus und Remus in der lateinischen Literatur. In: Synusia. FS Schade-
waldt, Pfullingen 1965, S. 355-402; hier: S. 378f.
53 Vgl. Duchrow, Zweireichelehre, S. 222; S. 232f, S. 238f.
54 Vgl. Duchrow, Zweireichelehre, S. 268; Markus, Saeculum, S. 60ff.