Zeit und Geschichte bei Augustin
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menenunterrichts105, als „Gemeingut christlichen Denkens“106 über-
nommen; sie begegnet auch in anderen Schriften von ihm. Vor aller
Überprüfung von civ. 15-18 ist demnach festzuhalten, daß das
Epochenschema (in Verbindung mit der Lebensaltermetaphorik)
nicht als die eigentliche augustinische Leistung in der Deutung von
Geschichte betrachtet werden kann. Dennoch erschien dieses Tradi-
tionsstück der geschichtsphilosophischen Augustininterpretation
besonders interessant und wichtig, so vor allem bei Bloch. Vgl. Prinzip
Hoffnung, S. 585: „Der zweite Teil (sc. von „De civitate Dei“) aber, von
Buch 11-19, entwickelt den antithetischen Heilsprozeß der Historie,
und zwar in Periodisierungen, die ihre Einschnitte wie den Blickhori-
zont auf die historischen Inhalte überwiegend dem Alten Testament
entnehmen. Die Menschheit erscheint [...] als einzige zusammen-
gedrängte Person, so ist die historische Periodik nach Analogie der
Lebensalter durchgefuhrt; es ist gläubige Geschichtsphilosophie der
Bibel“107.
Dieses Urteil - ein Fehlurteil, wie die folgende Analyse erweisen
wird - erklärt sich offenbar aus der Wirkungsgeschichte (deren Wir-
kung stärker als die Kontrolle durch den Text war). Denn es scheint
eben Augustin gewesen zu sein, der das Sechs-Perioden-Schema dem
Mittelalter weitergegeben hat, und so ist es bis in neuzeitliche
geschichtsphilosophische Spekulation gedrungen108; und noch im 19.
105 Vgl. Scholz, Glaube u. Unglaube, S. 159. In „De catechiz. rudibus“ 22,39 (ed. I. B.
Bauer, CCL 46, p. 163 sq.) das Sechs-Epochen-Schema (ohne Lebensalterver-
gleich), nämlich die Schöpfungswochentypologie (vgl. u.), für die „sexta aetas“ her-
angezogen.
106 Kamlah, Christentum u. Geschichtlichkeit, S. 315. Vgl. auch Markus, Saeculum, S.
18. Markus (S. 17 und 19) betont (wie es auch hier geschieht; vgl. u.), daß die Zeital-
tereinteilung der Bibel und Heiligen Geschichte entnommen ist; aber er schließt
dann (zu Unrecht), daß sie von dort auf Bedeutung und Struktur der Universalge-
schichte übertragen sei.
107 Vgl. auch Dempf, Sacrum Imperium, S. 116ff.- Auch für den Straub-Schüler
Schwarte (A. u. Weltalterlehre) ist die augustinische Weltalterlehre Geschichts-
periodik, „Sinnentfaltung der Geschichte“ (S. 289), Periodisierung der Welt- als
Heilsgeschichte (S. 32). Eine Auseinandersetzung mit Schwarte über die angemes-
sene Deutung von „De civitate Dei“ scheint nicht möglich, weil seine Darstellung
des Geschichtsphilosophen Augustin auf das Werk über die Gottesstadt nicht ein-
geht (keine der im folgenden genannten Stellen ist zitiert; überhaupt nur civ. 12,11
und 20,7 auf den letzten Seiten seines Buches berührt). Andererseits ist eben dieser
Befund aussagekräftig genug.
108 Vgl. Scholz, Glaube u. Unglaube, S. 162f. (ohne Differenzierung zwischen Lebens-
alter- und Schöpfungswochenvergleich); Schwarte, A. u. Weltalterlehre, S. 3
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menenunterrichts105, als „Gemeingut christlichen Denkens“106 über-
nommen; sie begegnet auch in anderen Schriften von ihm. Vor aller
Überprüfung von civ. 15-18 ist demnach festzuhalten, daß das
Epochenschema (in Verbindung mit der Lebensaltermetaphorik)
nicht als die eigentliche augustinische Leistung in der Deutung von
Geschichte betrachtet werden kann. Dennoch erschien dieses Tradi-
tionsstück der geschichtsphilosophischen Augustininterpretation
besonders interessant und wichtig, so vor allem bei Bloch. Vgl. Prinzip
Hoffnung, S. 585: „Der zweite Teil (sc. von „De civitate Dei“) aber, von
Buch 11-19, entwickelt den antithetischen Heilsprozeß der Historie,
und zwar in Periodisierungen, die ihre Einschnitte wie den Blickhori-
zont auf die historischen Inhalte überwiegend dem Alten Testament
entnehmen. Die Menschheit erscheint [...] als einzige zusammen-
gedrängte Person, so ist die historische Periodik nach Analogie der
Lebensalter durchgefuhrt; es ist gläubige Geschichtsphilosophie der
Bibel“107.
Dieses Urteil - ein Fehlurteil, wie die folgende Analyse erweisen
wird - erklärt sich offenbar aus der Wirkungsgeschichte (deren Wir-
kung stärker als die Kontrolle durch den Text war). Denn es scheint
eben Augustin gewesen zu sein, der das Sechs-Perioden-Schema dem
Mittelalter weitergegeben hat, und so ist es bis in neuzeitliche
geschichtsphilosophische Spekulation gedrungen108; und noch im 19.
105 Vgl. Scholz, Glaube u. Unglaube, S. 159. In „De catechiz. rudibus“ 22,39 (ed. I. B.
Bauer, CCL 46, p. 163 sq.) das Sechs-Epochen-Schema (ohne Lebensalterver-
gleich), nämlich die Schöpfungswochentypologie (vgl. u.), für die „sexta aetas“ her-
angezogen.
106 Kamlah, Christentum u. Geschichtlichkeit, S. 315. Vgl. auch Markus, Saeculum, S.
18. Markus (S. 17 und 19) betont (wie es auch hier geschieht; vgl. u.), daß die Zeital-
tereinteilung der Bibel und Heiligen Geschichte entnommen ist; aber er schließt
dann (zu Unrecht), daß sie von dort auf Bedeutung und Struktur der Universalge-
schichte übertragen sei.
107 Vgl. auch Dempf, Sacrum Imperium, S. 116ff.- Auch für den Straub-Schüler
Schwarte (A. u. Weltalterlehre) ist die augustinische Weltalterlehre Geschichts-
periodik, „Sinnentfaltung der Geschichte“ (S. 289), Periodisierung der Welt- als
Heilsgeschichte (S. 32). Eine Auseinandersetzung mit Schwarte über die angemes-
sene Deutung von „De civitate Dei“ scheint nicht möglich, weil seine Darstellung
des Geschichtsphilosophen Augustin auf das Werk über die Gottesstadt nicht ein-
geht (keine der im folgenden genannten Stellen ist zitiert; überhaupt nur civ. 12,11
und 20,7 auf den letzten Seiten seines Buches berührt). Andererseits ist eben dieser
Befund aussagekräftig genug.
108 Vgl. Scholz, Glaube u. Unglaube, S. 162f. (ohne Differenzierung zwischen Lebens-
alter- und Schöpfungswochenvergleich); Schwarte, A. u. Weltalterlehre, S. 3