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Ernst A. Schmidt
wirklich sagen? Zerstört die Prädestination die Menschwerdung des
ewigen Wortes und den Erlösungstod Christi als geschichtliches und
epochemachendes Ereignis? Sagt nicht Augustin selbst: „semel enim
Christus mortuus est pro peccatis nostris“ (civ. 12,14; I, p. 532,28 sq.)
und betont so die Einmaligkeit des Ereignisses, „die Unerbittlichkeit
des mit diesem Ereignis verknüpften biblischen cmat,“ (Brunner)120?
Löwith bemerkt doch mit Recht dazu: „das Auftreten Christi und
seine Auferstehung (sind) beides einmalige Begebenheiten von uni-
versaler Bedeutung“121, so daß wir mit Duchrow122 hier doch zumin-
dest „Ansätze vom heilsgeschichtlichen Denken her“ zu erkennen
hätten?
Aber Augustins Satz steht in dem Kapitel, in dem er die Vorstel-
lung zyklischer Wiederholung123 zeitlichen Geschehens ablehnt. Die
solcher Wiederholung entgegengestellte Einmaligkeit von Christi Tod
etabliert oder rettet nicht die Geschichte als lineare Heilsgeschichte,
sondern den Emst und die Wahrheit von Gottes Wille. Augustin kon-
frontiert nicht (lineare) Geschichte und zyklische Zeit, sondern Ewig-
keit und Naturgeschehen124. Der Prädestination korrespondiert das
eine einzige unwiederholbare Geschehen, das darum doch nicht die
Weltgeschichte epochal prägt.
Scholz hat „De civitate Dei“ in dieser Hinsicht bereits scharfsichtig
beschrieben (wenn auch als Verfehlung des Themas kritisiert): „Augu-
stin hat es nicht vermocht, die epochemachende Bedeutung des Chri-
stentums im Rahmen seiner Geschichtsbetrachtung deutlich und ein-
drucksvoll zur Geltung zu bringen. [... ] daneben steht der Gedanke,
daß das Christentum seit der Weltschöpftmg existiert“ (Hinweis auf
civ. 16,2; II, p. 124,19-21). „Es gab längst ein Gottesreich im Sinne Jesu,
ehe Jesus geboren wurde“ (Hinweis auf civ. 17,16; II, p. 240,22-24 und
De catech. rud. 3,6; ed. I. B. Bauer, CCL 46, p. 125 sq.: „praemis[er]it
dominus Christus quamdam partem corporis sui in sanctis, qui eum
nascendi tempore praeierunt“). „Man fragt sich vergeblich, was denn
120 Brunner, Zeit u. Geschichte bei A., S. 23.
121 Löwith, Weltgeschichte, S. 179 (152).
122 Duchrow, Zweireichelehre, S. 306: „Auch die Geschichtszeit - trotz Ansätzen vom
heilsgeschichtlichen Denken her (semel Christus mortuus est) - wird nicht eigent-
lich von Augustins Neuentdeckung betroffen, sondern von Ewigkeit her einge-
froren“.
123 Vgl. dazu Brunner, Zeit u. Geschichte bei A.
124 Die eindrucksvollste Darstellung der von mir abgelehnten Auffassung bei Brunner,
Zeit u. Geschichte bei A.
Ernst A. Schmidt
wirklich sagen? Zerstört die Prädestination die Menschwerdung des
ewigen Wortes und den Erlösungstod Christi als geschichtliches und
epochemachendes Ereignis? Sagt nicht Augustin selbst: „semel enim
Christus mortuus est pro peccatis nostris“ (civ. 12,14; I, p. 532,28 sq.)
und betont so die Einmaligkeit des Ereignisses, „die Unerbittlichkeit
des mit diesem Ereignis verknüpften biblischen cmat,“ (Brunner)120?
Löwith bemerkt doch mit Recht dazu: „das Auftreten Christi und
seine Auferstehung (sind) beides einmalige Begebenheiten von uni-
versaler Bedeutung“121, so daß wir mit Duchrow122 hier doch zumin-
dest „Ansätze vom heilsgeschichtlichen Denken her“ zu erkennen
hätten?
Aber Augustins Satz steht in dem Kapitel, in dem er die Vorstel-
lung zyklischer Wiederholung123 zeitlichen Geschehens ablehnt. Die
solcher Wiederholung entgegengestellte Einmaligkeit von Christi Tod
etabliert oder rettet nicht die Geschichte als lineare Heilsgeschichte,
sondern den Emst und die Wahrheit von Gottes Wille. Augustin kon-
frontiert nicht (lineare) Geschichte und zyklische Zeit, sondern Ewig-
keit und Naturgeschehen124. Der Prädestination korrespondiert das
eine einzige unwiederholbare Geschehen, das darum doch nicht die
Weltgeschichte epochal prägt.
Scholz hat „De civitate Dei“ in dieser Hinsicht bereits scharfsichtig
beschrieben (wenn auch als Verfehlung des Themas kritisiert): „Augu-
stin hat es nicht vermocht, die epochemachende Bedeutung des Chri-
stentums im Rahmen seiner Geschichtsbetrachtung deutlich und ein-
drucksvoll zur Geltung zu bringen. [... ] daneben steht der Gedanke,
daß das Christentum seit der Weltschöpftmg existiert“ (Hinweis auf
civ. 16,2; II, p. 124,19-21). „Es gab längst ein Gottesreich im Sinne Jesu,
ehe Jesus geboren wurde“ (Hinweis auf civ. 17,16; II, p. 240,22-24 und
De catech. rud. 3,6; ed. I. B. Bauer, CCL 46, p. 125 sq.: „praemis[er]it
dominus Christus quamdam partem corporis sui in sanctis, qui eum
nascendi tempore praeierunt“). „Man fragt sich vergeblich, was denn
120 Brunner, Zeit u. Geschichte bei A., S. 23.
121 Löwith, Weltgeschichte, S. 179 (152).
122 Duchrow, Zweireichelehre, S. 306: „Auch die Geschichtszeit - trotz Ansätzen vom
heilsgeschichtlichen Denken her (semel Christus mortuus est) - wird nicht eigent-
lich von Augustins Neuentdeckung betroffen, sondern von Ewigkeit her einge-
froren“.
123 Vgl. dazu Brunner, Zeit u. Geschichte bei A.
124 Die eindrucksvollste Darstellung der von mir abgelehnten Auffassung bei Brunner,
Zeit u. Geschichte bei A.