Zeit und Geschichte bei Augustin
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das Christentum Neues gebracht hat, wenn es schon Christen vor
Christus gegeben hat. Augustin würde wahrscheinlich geantwortet
haben: das waren Ausnahmen; zur Erlösung des ganzen Menschen-
geschlechts125 126 bedurfte es einer besonderen Veranstaltung Gottes.
Aber auch eine einzige Ausnahme genügt, um die Notwendigkeit der
Sendung Jesu in Frage zu stellen und die geschichtsbildende Kraft des
Christentums in ihren Grundlagen zu erschüttern. Reuter spricht nicht
mit Unrecht von einer historischen Präexistenz des historischen Chri-
stentums4 bei Augustin [...], und auch darin muß man ihm zustim-
men, daß Augustin eine Weltgeschichte, die etwas hervorbrächte, eine
periodische Weltgeschichte, nicht gekannt hat [,..]44 1 26.
In der Beurteilung des Sachverhaltes sind zwei Punkte korrektur-
bedürftig bzw. ergänzungsfähig. Unsere Aufgabe ist nicht, gegenüber
Augustin auf der Notwendigkeit der Sendung Christi4 zu bestehen. Sie
ist bei ihm mit Gottes Prädestination gegeben. Gefordert ist die Kor-
rektur unserer Erwartung, von Augustin den Zeit- und Geschichts-
charakter des irdischen Christus bestimmt zu sehen. Statt also Aus-
nahmen vor dem irdischen Christus zu konstatieren, geht es vielmehr
darum: zu erkennen, daß „civitas Dei“, Glaube an Christus und Erlö-
sung vom Anfang der Welt an wegen der prädestinierten Erlösung
bestanden.
Dazu sind nun Belege zu geben, zumal Scholz nur Sätze anführt,
die dem Vorbereitungs- und Präfigurationscharakter des Alten Testa-
ments gelten und daher nicht eigentlich beweisend sind. Ein zentrales
Zeugnis ist civ. 18,47; II, p. 331,5-11: Zum geistlichen Jerusalem zu
gehören, ist niemandem gewährt worden, „nisi cui divinitus revelatus
est unus mediator Dei et hominum, homo Christus lesus, qui venturus
125 Erlöst Christi Tod das ganze Menschengeschlecht?
126 Scholz, Glaube u. Unglaube, S. 153f.; Reuter, A.-Studien, S. 93 u. 95. Vgl. Dempf,
Sacrum Imperium, S. 131: Dieser „Geschichtsmetaphysik (fehlt) gerade das eigent-
liche Herzstück, um das sie aufgebaut ist, [...], das Auftreten des Gottesreichs des
Neuen Bundes, sein neues Gesetz der Freiheit und sein Fortwirken in der Kirche,
das eigentliche Thema der Gottesreichslehre (ist) nicht ausgeführt [ ... und auf
ein paar Sätze über Christus (folgt) gleich die Eschatologie [... ]“. Das Musterbei-
spiel einer Interpretation, die Augustin vorwirft, den Nerv dessen zu verfehlen, was
die eigene Deutung ihm zuvor zugewiesen hat. Dempfs Fehlanzeige für Augustin
ist natürlich viel sprechender und beweisender als alle irgendwie anzustellenden
Überlegungen. - In schroffem Gegensatz zu Dempf: Löwith, Weltgeschichte, S. 179
(1952) (irdischer Christus bei Augustin Höhepunkt der Weltgeschichte); Bloch,
Prinzip Hoffnung, S. 585.
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das Christentum Neues gebracht hat, wenn es schon Christen vor
Christus gegeben hat. Augustin würde wahrscheinlich geantwortet
haben: das waren Ausnahmen; zur Erlösung des ganzen Menschen-
geschlechts125 126 bedurfte es einer besonderen Veranstaltung Gottes.
Aber auch eine einzige Ausnahme genügt, um die Notwendigkeit der
Sendung Jesu in Frage zu stellen und die geschichtsbildende Kraft des
Christentums in ihren Grundlagen zu erschüttern. Reuter spricht nicht
mit Unrecht von einer historischen Präexistenz des historischen Chri-
stentums4 bei Augustin [...], und auch darin muß man ihm zustim-
men, daß Augustin eine Weltgeschichte, die etwas hervorbrächte, eine
periodische Weltgeschichte, nicht gekannt hat [,..]44 1 26.
In der Beurteilung des Sachverhaltes sind zwei Punkte korrektur-
bedürftig bzw. ergänzungsfähig. Unsere Aufgabe ist nicht, gegenüber
Augustin auf der Notwendigkeit der Sendung Christi4 zu bestehen. Sie
ist bei ihm mit Gottes Prädestination gegeben. Gefordert ist die Kor-
rektur unserer Erwartung, von Augustin den Zeit- und Geschichts-
charakter des irdischen Christus bestimmt zu sehen. Statt also Aus-
nahmen vor dem irdischen Christus zu konstatieren, geht es vielmehr
darum: zu erkennen, daß „civitas Dei“, Glaube an Christus und Erlö-
sung vom Anfang der Welt an wegen der prädestinierten Erlösung
bestanden.
Dazu sind nun Belege zu geben, zumal Scholz nur Sätze anführt,
die dem Vorbereitungs- und Präfigurationscharakter des Alten Testa-
ments gelten und daher nicht eigentlich beweisend sind. Ein zentrales
Zeugnis ist civ. 18,47; II, p. 331,5-11: Zum geistlichen Jerusalem zu
gehören, ist niemandem gewährt worden, „nisi cui divinitus revelatus
est unus mediator Dei et hominum, homo Christus lesus, qui venturus
125 Erlöst Christi Tod das ganze Menschengeschlecht?
126 Scholz, Glaube u. Unglaube, S. 153f.; Reuter, A.-Studien, S. 93 u. 95. Vgl. Dempf,
Sacrum Imperium, S. 131: Dieser „Geschichtsmetaphysik (fehlt) gerade das eigent-
liche Herzstück, um das sie aufgebaut ist, [...], das Auftreten des Gottesreichs des
Neuen Bundes, sein neues Gesetz der Freiheit und sein Fortwirken in der Kirche,
das eigentliche Thema der Gottesreichslehre (ist) nicht ausgeführt [ ... und auf
ein paar Sätze über Christus (folgt) gleich die Eschatologie [... ]“. Das Musterbei-
spiel einer Interpretation, die Augustin vorwirft, den Nerv dessen zu verfehlen, was
die eigene Deutung ihm zuvor zugewiesen hat. Dempfs Fehlanzeige für Augustin
ist natürlich viel sprechender und beweisender als alle irgendwie anzustellenden
Überlegungen. - In schroffem Gegensatz zu Dempf: Löwith, Weltgeschichte, S. 179
(1952) (irdischer Christus bei Augustin Höhepunkt der Weltgeschichte); Bloch,
Prinzip Hoffnung, S. 585.