Metadaten

Biser, Eugen; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1990, 1. Abhandlung): Die Bibel als Medium: zur medienkritischen Schlüsselposition der Theologie; vorgetragen am 27. Januar 1990 — Heidelberg: Winter, 1990

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48159#0041
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Bibel als Medium

31

Exkurs:
Zum Problem der Versprachlichung
Die mangelnde Sensibilität der Theologie für das ihr mit den
biblischen Schriften gestellte Medienproblem erklärt sich letztlich aus
der Vernachlässigung der Sprachproblematik, vor allem in Gestalt der
Rückfrage nach der Sprachleistung Jesu. Von dieser Regel macht die
Untersuchung Paul-Gerhard Müllers über den ,Traditionsprozeß
im Neuen Testament4 (von 1981) insofern eine Ausnahme, als sie sich
thematisch mit dem „homo loquens Jesus von Nazaret“ befaßt und im
Gegenzug zur herrschenden Tendenz, die nachösterliche Christus-
verkündigung als spekulative Rekonstruktion des Jesusphänomens zu
deuten, nachdrücklich für die Verfolgung des vom „geschichtlichen
Jesus auf das nachösterliche Reden über ihn“ ausgehenden „Vor-
wärtsprozesses“ eintritt (116). Doch so richtig es ist, die „Genese der
neutestamentlichen Texte von Jesus als ihrem geschichtlich-sprach-
lichen Anlaß“ her zu verstehen (119) und seine Sprachkompetenz als
das „Resultat der sozialen Interaktion“ und der sprachlichen Prozesse
zu deuten, in welche Jesus als Redender und Angesprochener
verflochten war (128), fehlt diesem Konzept doch die vertikale Kom-
ponente, ohne welche die Sprachleistung Jesu nicht voll zu erfassen
ist.
Zwar gesteht der Deutungsversuch der Sprache Jesu eine „erweiterte
Performanz“ zu, durch die er sich von seiner Umwelt so weit abhebt, daß
er sowohl aus dem Alten Testament als auch aus dem Lebenszeugnis der
„Menschen seiner Begegnung . . . Tiefensinne“ zu erheben vermochte,
die zuvor niemand darin „so gesehen und gehört hatte“ und ihn theolo-
gisch der Position des „Offenbarungsträgers und Gottessohnes“ annä-
hert (130); doch wird damit weder einsichtig, wie er „über Dinge reden“
konnte, „über die bisher so noch nicht geredet worden war“ (132), noch
wie er zu den neuartigen Sprachschöpfungen nach Art seiner Rede „vom
Nahen der Basileia Gottes“ (131), seiner Seligpreisungen, seiner Anti-
thesen und insbesondere seiner Gleichnisse gelangte, in denen Eber-
hard Jüngel die der Reich-Gottes-Verkündigung angemessene Sprach-
form erkannte und in denen Georg Bäudler, wie zuvor schon Joachim
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften