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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Augustijn, Cornelis [Bearb.]; Kroon, Marijn de [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 9,1): Religionsgespräche (1539 - 1541) — Gütersloh, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.29835#0022
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DER LEIPZIGER REFORMATIONSENTWURF

nea«5. Da er diese im Sommer 1540 unter dem Titel Typus ecclesiae prioris publiziert
hat, kennen wir ihren Inhalt. Sie waren nicht dogmatischer Art, sondern enthielten
ausführliche und gelehrte Erörterungen über die äußere Gestaltung der Sakramente
und Zeremonien und über Klerus, Mönchtum u.s. w. in der Alten Kirche, wie sich
diese in den Schriften der Väter vorfinden6. Man kann annehmen, daß Carlowitzens
Pläne in diesem reformkatholischen Kreis ihren Ursprung hatten7.

Der Landgraf war nicht abgeneigt und besprach die Pläne mit dem sächsischen
Kurfürsten. Obwohl dieser sehr reserviert reagierte, setzte sich Philipp durch und
über den Straßburger Rat schaltete er Bucer ein. Dieser hatte zuerst eine Unterre-
dung mit den Marburger Theologen und Juristen, denen er darlegte, es sei notwen-
dig, »auch mit dem Schwert der alten concilien und kirchensatzungen und Ordnun-
gen« den Feind zu bekämpfen8. Darauf ging er, vielleicht über Leipzig9, nach
Wittenberg, um Luther und Melanchthon zu gewinnen, und schließlich wurde ein
Gespräch auf den 2. Januar 1539 in Leipzig angesetzt.

Georg Carlowitz und der albertinisch-sächsische Rat Ludwig Fachs, von kursächsi-
scher Seite der Kanzler Georg Brück und Melanchthon und für Hessen der Kanzler
Johann Feige und Bucer wohnten dem Gespräch bei. Am Anfang der Beratungen
hielt Carlowitz eine Rede, in der er stark die von seiten des Kaisers drohende Gefahr
betonte: nur ein gemeinsames Vorgehen aller Stände, die eine Reform wünschten,
könne den Kaiser darauf verzichten lassen, im Einvernehmen mit dem Papst und den
Monarchen, gegebenenfalls mit Gewalt, die kirchlichen Streitigkeiten zu schlichten.
Eine gemeinsame Reformation könne auf der Basis der Lehre und Zeremonien der
Alten Kirche bis zu Gregor dem Großen durchgeführt werden. Im folgenden
Gespräch stellten seine Gesprächspartner heraus, daß um 600 schon viele Fehlent-
wicklungen eingetreten waren und überhaupt die Kirche zu keiner Zeit so gleichför-
mig gewesen sei, daß man eine solche Richtschnur anwenden könnte. Carlowitz
schlug darauf vor, in Zusammenarbeit die notwendigen Vorstudien zu machen. Die

1539 war er vorübergehend bei Joachim II. von Brandenburg, aber bis zu seinem Lebensende bekam
er nie eine Dauerstelle, s. R. Bäumer: Georg Witzel (1501-1573). In: E. Iserloh (Hg.): Katholische
Theologen der Reformationszeit 1. Münster Westfalen 1984. Katholisches Leben und Kirchenre-
form im Zeitalter der Glaubensspaltung 44. S. 125-132 und die dort genannte Literatur.

5. Witzel, Typus, Bl. A 2b.

6. Typus ecclesiae prioris. Anzeigung wie die heilig Kyrche Gottes inwendig siben und mehr
hundert jaren nach unsers Herren Auffart gestalt gewesen sey. Ohne Ort und Drucker 1540; Klai-
ber, Nr. 3380. Klaiber verzeichnet sieben Neudrucke. Der Name des Autors begegnet nicht auf dem
Titelblatt. Er unterschreibt aber die Widmung. Der Untertitel gibt genau den Inhalt an.

7. Polman, S. 379 — 381-

8. Lenz 1, Nr. 17, S.48.

9. Das erzählt Witzel in seinem Schriftchen Warer Bericht von 1562, neu herausgegeben in ARC
6, S. 18, Z. 5-7: »Darauff ist er Bucer zuvor zu mir gen Leipzig in mein behausung unter kauffmans
gestalt und namen komen, do er nach Wittenberg yre sacraments einigkeit zu machen gereiset«.
Obwohl der Bericht dreiundzwanzig Jahre später geschrieben wurde und die Mitteilung über das
Ziel von B.s Wittenbergreise unrichtig ist, ist es durchaus möglich, daß der Bericht über B.s Aufent-
halt in Leipzig mit den genannten Einzelheiten richtig war.
 
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