DER LEIPZIGER REFORMATIONSENTWURF
hingewiesen worden, daß man die Übereinstimmung mit der Alten Kirche brauchte,
»solte man bei dem Fürsten und noch vilen anderen ettwas außrichten«30. Der Inhalt
des Entwurfes zeigt, daß diese Bemerkung mehr ist als eine Selbstverteidigung zu
einer Zeit, als Bucers Glaubensgenossen ihm zu große Nachgiebigkeit vorwarfen.
Der Abendmahlsartikel setzt die Koexistenz unterschiedlich gestalteter Glaubens-
gemeinschaften voraus. Noch deutlicher ist der letzte Artikel, in dem weltliche und
kirchliche Befugnis deutlich unterschieden und die geistlichen Fürstentümer durch-
aus nicht erwähnt werden. Es ist auffällig, daß dieser letzte Artikel in den in Sachsen
erfolgten Beratungen nicht einmal genannt wird. Vielleicht kann man daraus fol-
gern, daß dieses heikle Thema umgangen und der Artikel in der dem Herzog unter-
breiteten Fassung des Entwurfs ausgelassen wurde.
Daß der Leipziger Reformationsentwurf den kursächsischen und hessischen Behör-
den zugestellt wurde, ist angesichts der Entstehungsgeschichte eine Selbstverständ-
lichkeit. Bald wurde er in einen breiteren, reichspolitischen Rahmen gerückt. Am
19. April 1539 wurde nach mühsamen Verhandlungen der Frankfurter Anstand
abgeschlossen. Dabei wurde unter anderem bestimmt, daß der Kaiser auf etwa den
1. August einen Tag nach Nürnberg ausschreiben sollte zu »ainem christlichen
freundlichem gesprech der religion halber«31. Offensichtlich wurde der Leipziger
Reformationsentwurf von Anfang an mit dem geplanten Tag verbunden, in dem
Sinne, daß er als Grundlage für das vorgesehene Gespräch dienen konnte.
Bucer schrieb 1545, »das dis bedencken als bald vor und auff dem tag zu Franck-
furt vilen grossen Heupteren, on mein zuthun, publiciert ist worden«32. Tatsächlich
spielte sich viel mehr ab, als er später wahrhaben wollte33 . Charakteristisch für die
Stimmung in gut katholischen Kreisen im Sommer des Jahres 1539 ist ein Brief vom
bayerischen Rat Leonhard von Eck an Herzog Wilhelm IV, in dem jener berichtet,
daß der Entwurf von Bucer und Melanchthon den beiden vermittelnden Kurfürsten
zugestellt worden sei. Er selber beabsichtige, ihn mit den Ingolstädter Theologen zu
prüfen34. Es ist ausgeschlossen, daß Melanchthon [!] und Bucer tatsächlich das
Dokument mehr oder weniger offiziell übermittelt haben. Eher muß man sich den
Vorgang so vorstellen, daß Bucer ihn ihnen unter der Hand zugestellt hat. Etwas
derartiges muß sich jedoch wohl zugetragen haben. Die Kurfürsten haben den
Entwurf sofort dem Erzbischof von Mainz zugeschickt35. Schon den 25. April über-
mittelte dieser ihn als einen Ratschlag »von etlichen gelerten den protestierenden
30. Bucer, Bedencken, Bl. H 2 a.
31. Im Frankfurter Anstand; s. Neuser, S. 76.
32. Bucer, Bedencken, Bl. H4a.
33. Bis 1968 waren nur zerstreute Daten über die Verbreitung des Leipziger Entwurfs bekannt.
G. Pfeilschifter hat aber 1968 in ARC 3 eine Anzahl von Dokumenten herausgegeben, die ein zwar
nicht vollständiges, aber doch viel zusammenhängenderes Bild vermitteln, als dies bisher geschildert
werden konnte; s. bes. ARC 3, Nr. 23. 26. 28. 31. 33-35. 37. 47, S. 38-40. 44-47. 50-55. 57-58.
74-80.
34. ARC 3, Nr. 37, S. 57, Z. 7-19.
35. ARC 3, Nr. 35, S. 54, Z. 36-38.
hingewiesen worden, daß man die Übereinstimmung mit der Alten Kirche brauchte,
»solte man bei dem Fürsten und noch vilen anderen ettwas außrichten«30. Der Inhalt
des Entwurfes zeigt, daß diese Bemerkung mehr ist als eine Selbstverteidigung zu
einer Zeit, als Bucers Glaubensgenossen ihm zu große Nachgiebigkeit vorwarfen.
Der Abendmahlsartikel setzt die Koexistenz unterschiedlich gestalteter Glaubens-
gemeinschaften voraus. Noch deutlicher ist der letzte Artikel, in dem weltliche und
kirchliche Befugnis deutlich unterschieden und die geistlichen Fürstentümer durch-
aus nicht erwähnt werden. Es ist auffällig, daß dieser letzte Artikel in den in Sachsen
erfolgten Beratungen nicht einmal genannt wird. Vielleicht kann man daraus fol-
gern, daß dieses heikle Thema umgangen und der Artikel in der dem Herzog unter-
breiteten Fassung des Entwurfs ausgelassen wurde.
Daß der Leipziger Reformationsentwurf den kursächsischen und hessischen Behör-
den zugestellt wurde, ist angesichts der Entstehungsgeschichte eine Selbstverständ-
lichkeit. Bald wurde er in einen breiteren, reichspolitischen Rahmen gerückt. Am
19. April 1539 wurde nach mühsamen Verhandlungen der Frankfurter Anstand
abgeschlossen. Dabei wurde unter anderem bestimmt, daß der Kaiser auf etwa den
1. August einen Tag nach Nürnberg ausschreiben sollte zu »ainem christlichen
freundlichem gesprech der religion halber«31. Offensichtlich wurde der Leipziger
Reformationsentwurf von Anfang an mit dem geplanten Tag verbunden, in dem
Sinne, daß er als Grundlage für das vorgesehene Gespräch dienen konnte.
Bucer schrieb 1545, »das dis bedencken als bald vor und auff dem tag zu Franck-
furt vilen grossen Heupteren, on mein zuthun, publiciert ist worden«32. Tatsächlich
spielte sich viel mehr ab, als er später wahrhaben wollte33 . Charakteristisch für die
Stimmung in gut katholischen Kreisen im Sommer des Jahres 1539 ist ein Brief vom
bayerischen Rat Leonhard von Eck an Herzog Wilhelm IV, in dem jener berichtet,
daß der Entwurf von Bucer und Melanchthon den beiden vermittelnden Kurfürsten
zugestellt worden sei. Er selber beabsichtige, ihn mit den Ingolstädter Theologen zu
prüfen34. Es ist ausgeschlossen, daß Melanchthon [!] und Bucer tatsächlich das
Dokument mehr oder weniger offiziell übermittelt haben. Eher muß man sich den
Vorgang so vorstellen, daß Bucer ihn ihnen unter der Hand zugestellt hat. Etwas
derartiges muß sich jedoch wohl zugetragen haben. Die Kurfürsten haben den
Entwurf sofort dem Erzbischof von Mainz zugeschickt35. Schon den 25. April über-
mittelte dieser ihn als einen Ratschlag »von etlichen gelerten den protestierenden
30. Bucer, Bedencken, Bl. H 2 a.
31. Im Frankfurter Anstand; s. Neuser, S. 76.
32. Bucer, Bedencken, Bl. H4a.
33. Bis 1968 waren nur zerstreute Daten über die Verbreitung des Leipziger Entwurfs bekannt.
G. Pfeilschifter hat aber 1968 in ARC 3 eine Anzahl von Dokumenten herausgegeben, die ein zwar
nicht vollständiges, aber doch viel zusammenhängenderes Bild vermitteln, als dies bisher geschildert
werden konnte; s. bes. ARC 3, Nr. 23. 26. 28. 31. 33-35. 37. 47, S. 38-40. 44-47. 50-55. 57-58.
74-80.
34. ARC 3, Nr. 37, S. 57, Z. 7-19.
35. ARC 3, Nr. 35, S. 54, Z. 36-38.