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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Augustijn, Cornelis [Bearb.]; Kroon, Marijn de [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 9,1): Religionsgespräche (1539 - 1541) — Gütersloh, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.29835#0160
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VOM TAG ZU HAGENAW (1540)

152

gut meinen, alß Pfaltz und Collen, Augspurg und dergleichen, oder aber nit so gar boß
meinen, als Trier und etliche andere bischove und fursten«. Diesen soll man klar
machen, die Evangelischen begehren tatsächlich eine Reformation der Kirche und
nicht »allein fleischliche freiheit und geistliche guter«, und diese Reformation sei nicht
nur der Schrift, sondern auch der alten Kirche gemäß23. In diesem Geist schrieb er
auch einem hohen Beamten des Trierer Erzbischofs, als er ihm seine Schrift
zuschickte, offensichtlich in der begründeten Hoffnung auf ein geneigtes Ohr24.

Ein beachtlicher Teil dieser Kontakte entzieht sich unserer Beobachtung; nur
wenige Gesprächsfetzen können wir mithören. So ist bekannt, daß der Kölner Erz-
bischof sowohl mit Hedio wie mit Capito und Bucer sprach25. Er veranstaltete auch
Gespräche zwischen Theologen beider Konfessionen und brachte Bucer und seinen
theologischen Berater Johann Gropper zusammen. Ihre Gespräche betrafen zuerst
die Rechtfertigungslehre, später auch die Ekklesiologie und die Sakramentologie.
Obwohl dieser Kontakt im evangelischen Lager Argwohn erregte, hat er auf Bucer
nachhaltig eingewirkt26.

Daß es auch unter den altgläubigen Politikern solche gab, die Bucers Einschät-
zung der Lage zustimmten, zeigt sich aus einem hochbemerkenswerten Brief, den er
in Hagenau von einem uns Unbekannten empfing27. Der Autor setzte überhaupt
kein Vertrauen auf den Kaiser, der sich immer dem Willen des Papstes gebeugt habe
und beugen werde. Der Kaiser wolle auch keinen Reichstag veranstalten28. Die Für-
sten sollen sich für die Einberufung der versprochenen Nationalversammlung zur
Schlichtung der Religionsstreitigkeiten »nach dem rechten winckelmess des waren
Gotswort vnd sunst nit auf yemants geyz oder forteil« einsetzen. Die Religionssache
sei sicherlich nicht die einzige dringliche Angelegenheit, sondern ihre friedsame
Lösung sei Voraussetzung für eine angemessene Abhandlung aller übrigen Sachen
auf einem Reichstag oder einer Nationalversammlung. Man kann sich denken, daß
derartige Äußerungen Bucer beeindruckt und dazu beigetragen haben, daß er in
einer gut dokumentierten Auseinandersetzung die Verhandlungsbereitschaft der
Protestierenden unter Beweis stellen wollte.

23. Lenz 1, Nr. 85, S. 218; vgl. Nr. 86, S. 222; Nr. 89, S. 237.

24. Rott 1297: »Vere siquidem decipiunt vos quicunque id vobis suadent, doctrinae S. Patrum et
decre[tis] Conciliorum vel recepta hodie in disciplina Cleri et administratione Ecclesiarum esse
consentanea, vel quae nos restitui postulamus dissentanea«.

25. CR Cal 11, Nr. 230, Sp. 69.

26. Wir verdanken unsere Kenntnisse den Berichten Groppers und B.s, die sich im Wesentlichen
nicht widersprechen; s. J. Gropper, Warhafftige Antwort und gegenberichtung (W. Klaiber, Nr.
1388), Bl. 36b-38a; Bucer, Von den einigen rechten wegen (Bibl. Nr. 80), S. 56-64; vgl. Augustijn,
S. 43-44.

27. Ein Brief vom 17. Juli [1540] an B., mit einer Bemerkung in der Handschrift von Jakob Sturm
>Heldiana secreta<; Rott 1288a. Rott schreibt den Brief Mathias Held zu; angesichts des Inhalts
scheint mir das unmöglich zu sein; s. Helds Briefe, in denen er sich als geharnischter Gegner der
Versöhnungspolitik Lunds zeigt; ARC 3, Nr. 33, S. 52-53; Nr. 46, S. 73, Z. 27—S. 74, Z. 12.

28. »... vnd das er, wie der Babst vber alle concilia, er, der Keyser, auch vber alle der stend
comitia, beschlüss vnd rathslag sein wolle. Vnd das auch (wie der Bischoff von Lunden einem
vertrawten des nehern iares zu Franckfurt gesagt), das der Keyser hinfure gleich so wenig einem
gemeinen Reichstag als der Babst ein general concilium erleyden möge«.
 
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