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VOM TAG ZU HAGENAW (1540)
Zuerst behandelte er die Verhandlungen auf dem Augsburger Reichstag 1530, um
nachzuweisen, es sei damals in den Gesprächen in den verschiedenen Gremien nicht
zu bestimmten, von beiden Parteien genehmigten Ergebnissen gekommen, an die
man in Hagenau hätte anknüpfen können39. Es ist bemerkenswert, daß Bucer keine
Ahnung hatte von der Existenz der sogenannten Vehus-Akten, die in Hagenau
katholischerseits als angebliches Resultat der Augsburger Verhandlungen eine so
wichtige Rolle gespielt hatten40. Die Annahme ist berechtigt, daß man protestanti-
scherseits darüber gar nicht informiert war.
Ein zweites Thema war der Frankfurter Anstand. Bucer besprach diesen einge-
hend und verteidigte ihn auf etwa dieselbe Weise, wie er in seiner Schrift Vom Nürn-
bergischen fridestand getan hatte, durch Betonung der Möglichkeiten, die ein Reli-
gionsgespräch böte41. Auch die Vorgeschichte, besonders der Nürnberger Anstand,
kam dabei zur Sprache.
Drittens stellte Bucer die Frage, ob Glaubenssachen auf Reichstagen oder -ver-
sammlungen, die zugleich als Landeskonzile gelten könnten, erörtert werden dürf-
ten. Hier tritt Konrad Braun zum ersten Mal in Bucers Auseinandersetzung in
Erscheinung, dessen Hauptargument ja war, dem Kaiser stünde es in Frankfurt
nicht zu, das Angebot eines Religionsgespräches im Rahmen des Reiches zu
machen; die Lehre sei Sache eines Generalkonzils42. Dieser Teil ist Auftakt zu
Bucers Hauptproblem, der Konzilienfrage: Welche Befugnis haben Konzilien?
Welche Arten von Konzilien gibt es? Wer beruft sie ein? Nehmen Laien auf Konzi-
lien einen legitimen Platz ein? Und wie steht es um die Ketzer auf Konzilien? All
diese Fragen hatte Braun in gelehrter und zugleich engagierter Weise erörtert. Es
wundert nicht, daß er weiterhin auf Schritt und Tritt in Bucers Schrift begegnet.
In einem vierten Teil behandelte der Autor die erwähnten Fragen bezüglich der
Konzilien: Einberufung, verschiedene Arten, Befugnis weltlicher Fürsten, beson-
ders der Kaiser, die Art der auf Konzilien zur Diskussion stehenden Fragen und
dergleichen43. Bucers Argumentation war hier zum größten Teil historischer Art:
Die Kirchengeschichte sollte den Nachweis erbringen, daß den Kaisern und den
Landesfürsten zu Recht von Anfang an große Befugnisse in den Konzilien zugestan-
den hätten und die Provinzial- und Landessynoden auch in Lehrdifferenzen immer
zuständig gewesen seien. Ein fünfter Abschnitt befaßte sich mit den Streitfragen der
eigenen Zeit und den von den Evangelischen vorgenommenen Erneuerungen. Er
geht somit zu einer allgemeinen Apologie der Reformation über44. Sechstens wandte
Bucer diese allgemeinen Prinzipien auf den Frankfurter Anstand an und folgerte,
dieser sei rechtmäßig und auch durchführbar45.
39. S. 165, Z. 19-S. 183, Z. 8.
40. s. dazu Honee.
41. S. 183, Z. 9 - S. 201, Z. 6; Vom Nürnbergischen fridestand wurde ediert in BDS 7,
S.395-502.
42. S. 201, Z. 7 - S. 205, Z. 31.
43. S. 207, Z. 1 - S. 221, Z. 6.
44. S. 221, Z.7 - S. 235, Z. 25.
45. S. 235, Z. 26-S. 239, S. 13.
VOM TAG ZU HAGENAW (1540)
Zuerst behandelte er die Verhandlungen auf dem Augsburger Reichstag 1530, um
nachzuweisen, es sei damals in den Gesprächen in den verschiedenen Gremien nicht
zu bestimmten, von beiden Parteien genehmigten Ergebnissen gekommen, an die
man in Hagenau hätte anknüpfen können39. Es ist bemerkenswert, daß Bucer keine
Ahnung hatte von der Existenz der sogenannten Vehus-Akten, die in Hagenau
katholischerseits als angebliches Resultat der Augsburger Verhandlungen eine so
wichtige Rolle gespielt hatten40. Die Annahme ist berechtigt, daß man protestanti-
scherseits darüber gar nicht informiert war.
Ein zweites Thema war der Frankfurter Anstand. Bucer besprach diesen einge-
hend und verteidigte ihn auf etwa dieselbe Weise, wie er in seiner Schrift Vom Nürn-
bergischen fridestand getan hatte, durch Betonung der Möglichkeiten, die ein Reli-
gionsgespräch böte41. Auch die Vorgeschichte, besonders der Nürnberger Anstand,
kam dabei zur Sprache.
Drittens stellte Bucer die Frage, ob Glaubenssachen auf Reichstagen oder -ver-
sammlungen, die zugleich als Landeskonzile gelten könnten, erörtert werden dürf-
ten. Hier tritt Konrad Braun zum ersten Mal in Bucers Auseinandersetzung in
Erscheinung, dessen Hauptargument ja war, dem Kaiser stünde es in Frankfurt
nicht zu, das Angebot eines Religionsgespräches im Rahmen des Reiches zu
machen; die Lehre sei Sache eines Generalkonzils42. Dieser Teil ist Auftakt zu
Bucers Hauptproblem, der Konzilienfrage: Welche Befugnis haben Konzilien?
Welche Arten von Konzilien gibt es? Wer beruft sie ein? Nehmen Laien auf Konzi-
lien einen legitimen Platz ein? Und wie steht es um die Ketzer auf Konzilien? All
diese Fragen hatte Braun in gelehrter und zugleich engagierter Weise erörtert. Es
wundert nicht, daß er weiterhin auf Schritt und Tritt in Bucers Schrift begegnet.
In einem vierten Teil behandelte der Autor die erwähnten Fragen bezüglich der
Konzilien: Einberufung, verschiedene Arten, Befugnis weltlicher Fürsten, beson-
ders der Kaiser, die Art der auf Konzilien zur Diskussion stehenden Fragen und
dergleichen43. Bucers Argumentation war hier zum größten Teil historischer Art:
Die Kirchengeschichte sollte den Nachweis erbringen, daß den Kaisern und den
Landesfürsten zu Recht von Anfang an große Befugnisse in den Konzilien zugestan-
den hätten und die Provinzial- und Landessynoden auch in Lehrdifferenzen immer
zuständig gewesen seien. Ein fünfter Abschnitt befaßte sich mit den Streitfragen der
eigenen Zeit und den von den Evangelischen vorgenommenen Erneuerungen. Er
geht somit zu einer allgemeinen Apologie der Reformation über44. Sechstens wandte
Bucer diese allgemeinen Prinzipien auf den Frankfurter Anstand an und folgerte,
dieser sei rechtmäßig und auch durchführbar45.
39. S. 165, Z. 19-S. 183, Z. 8.
40. s. dazu Honee.
41. S. 183, Z. 9 - S. 201, Z. 6; Vom Nürnbergischen fridestand wurde ediert in BDS 7,
S.395-502.
42. S. 201, Z. 7 - S. 205, Z. 31.
43. S. 207, Z. 1 - S. 221, Z. 6.
44. S. 221, Z.7 - S. 235, Z. 25.
45. S. 235, Z. 26-S. 239, S. 13.