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PER QUOS STETERIT (1540)

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Im ausführlichsten siebenten Teil46 setzte sich Bucer wieder mit Braun auseinander.
Dieser hatte verteidigt, Laien seien nie vollwertig, Ketzer und Schismatiker über-
haupt nicht zu Konzilien zugelassen worden. Der erste Punkt veranlaßte Bucer zu
eingehenden Erörterungen bezüglich der Befugnis von Laien in der alten Kirche: ihrer
Beteiligung an der Wahl und Entlassung von Bischöfen, an der kirchlichen Zucht,
auch über diese, und an den Konzilien47. Sehr umfassend behandelte er in diesem Teil
Cyprians Briefe; auch Gregor I. und Nikolaus I. lieferten ihm Argumente. Darauf
wandte er sich der Gegenwart zu. Der Kaiser sei der festen Überzeugung, es stehe ihm
nicht zu, auf eigener Faust, ohne Mitwirkung des Papstes, eine Reformation der
Kirche durchzuführen. Das veranlaßte Bucer dazu, die Befugnis der Päpste in der
Kirche bis hin zu der Erniedrigung Kaisers Friedrich II. zu erörtern. Er folgert, die
Frankfurter Bestimmung sei die richtige: nicht Kleriker, sondern fromme Leute,
Laien und Kleriker, sollen zusammen nach Wegen zur Schlichtung der Uneinigkeit
auf religiös-kirchlichem Gebiet suchen48. Im zweiten Punkt gab Bucer die traditio-
nelle Antwort: Nach seiner Meinung sind die Evangelischen keine Ketzer oder Schis-
matiker, vielmehr sind ihre Gegner in mancher Hinsicht vom richtigen Weg abge-
kommen49. Interessant ist dabei sein Hinweis, trotz der päpstlichen Bulle und der
Edikte der Reichstage werden die Protestierenden auf rechtlicher und tatsächlicher
Grundlage immer noch als »catholici« anerkannt50. Dann kommt noch die Schlußfol-
gerung: der Frankfurter Anstand zeige den richtigen Weg51.

Mit einigen Bemerkungen zu der Frage der Kirchengüter und den künftigen Ver-
handlungen in Worms schließt Bucer seine Schrift ab.

Bucer hat zur Abfassung dieser Schrift viele Materialien benutzt. Dabei nimmt Brauns
Werk selbstverständlich eine Sonderstellung ein: Bucer schrieb mit der eindeutigen
Absicht, Brauns Behauptungen an einem für die in Gang gesetzten Religionsgesprä-
che besonders heiklem Punkt zu widerlegen. In Hagenau hatte sich herausgestellt,
daß Brauns Ansichten einflußreich und für die Protestierenden gefährlich waren.
Bucer empfand auch persönlich Haß gegen ihn. Das zeigt schon die Weise, wie er
dessen Namen latinisierte. Seine Normalübersetzung ist korrekterweise »fuscus«,
aber bisweilen gibt er Doppelübersetzungen mit »niger« und »ater«, beides Wörter,
in denen das Ominöse, Unheilvolle, mitschwingt52. Fast vom Anfang bis zum Ende
wendet die Schrift sich gegen Braun.

Da Bucers Argumentation in wichtigen Partien naturgemäß historischer Art ist,
benutzt er die Kirchengeschichten von Eusebius-Rufinus und von Theodoret von

46. S. 239, Z. 14 - S. 297, Z. 31.

47. In kompositorischer Hinsicht ist das unschön; im Wesentlichen kehrt B. zu seinem vierten
Teil zurück.

48. S. 279, Z.20 - S. 281, Z. 18. B. entschuldigt sich: »Multa haec quidem sunt ... et confusa
admodum«; S. 281, Z. 19.

49. S. 281, Z. 19 - S. 297, Z. 31.

50. S. 287, Z. 10-19.

51. S. 299, Z. 1 - S. 305, Z. 7.

52. S. 201, Z. 28; S. 271, Z. 3; S. 283, Z. 6.
 
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