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WORMSER BUCH, DEUTSCH (1541)

fand eine fünfstündige Unterredung zwischen Bucer und dem Landgrafen statt, in
der Bucer den lateinisch verfaßten Entwurf erklärte. Der Landgraf erteilte darauf
seine Erlaubnis, auf dieser Grundlage weiter zu verhandeln22. Spornstreichs ritt
Bucer nach Worms zurück, wo er am 9. Januar 1541 eine Unterredung mit Granvella
hatte. Dieser zeigte sich sehr zufrieden23: er hatte jetzt einen in gemeinsamer Bera-
tung von katholischen und evangelischen Unterhändlern verfaßten Entwurf in der
Hand und die Zustimmung eines der gewichtigsten Häupter der Protestierenden.

War diese Zuversicht begründet? Schon Bucer hatte sofort nach Abschluß der
Besprechungen in einem Brief an den Landgrafen die seines Erachtens schwierigsten
vier Problembereiche skizziert: die Ablehnung der Messe ohne Kommunikanten, die
Fürbitte für die Verstorbenen und das Anrufen ihrer Fürbitte für die Lebenden, die
obligatorische jährliche Beichte und die Frage der Transsubstantiation und der blei-
benden Präsenz in den geweihten Elementen24. Auf diese Problembereiche- »anstoß«,
»knod« nennt Bucer sie - und auf einige weitere hat er im Exemplar des Wormser
Buches, das er Philipp im Januar 1541 sandte, diesen nochmals besonders aufmerksam
gemacht25. Aus der Antwort des Landgrafen ergibt sich, daß er noch kritischer als
Bucer eingestellt war26, von Luther und Melanchthon ganz zu schweigen27.

Anfang Februar 1541 erhielt der Landgraf den vollständigen lateinischen Text28.
Da er das Latein nicht genügend beherrschte, ließ er sofort in Marburg eine deutsche
Übersetzung anfertigen29. Auch Bucer selbst übersetzte das Wormser Buch. Er war
aber, als er am 22. Februar nach Regensburg abreiste, mit der Übersetzungsarbeit
noch nicht fertig, hat sie erst dort vollendet und dem Landgrafen übergeben30. Beide
Übersetzungen wurden vom Landgrafen eifrig studiert: hat er ja sehr kritische
Randbemerkungen in sie eingetragen31.

22. s. die Erklärung des Landgrafen, Lenz 1, Nr. 112, S. 309; vgl. Lenz 1, Nr. 108-11,
S. 301-308. Vgl. auch unten, Anm. 46.

23. Lenz 1, Nr. 113, S. 310: »welcher antwort er ... zum höchsten content war«. Granvella
berichtete an den Kaiser: »... comme quii en soit jay lescript corrige des mains desd. deux theolo-
giens [sc. Bucer und Capito] en plusieurs lieux et oultre ce ay en mes mains loriginal signe dud.
lantgrave dud. depart fait entre luy et led. theologien«; ARC 3, S. 343, Z. 26-29.

24. Lenz 1, Nr. 106, S. 288-289.

25. s. unten S. 331-332.

26. Lenz 1, Nr. 108, S. 303-304; vgl. Nr. 103, S. 282-283.

27. Es ist hier nicht der Ort, darauf einzugehen; s. Augustijn, S. 70-71. Bezeichnend ist die
Kritik Melanchthons, das Wormser Buch enthalte nur eine Utopie; s. den Brief des Brandenburger
Kurfürsten Joachim II. an Philipp von Hessen, in: C. G. Neudecker: Merkwürdige Aktenstücke aus
dem Zeitalter der Reformation, 1. Abth. Nürnberg 1838. S. 254: »Uns seint auch die obgeschrie-
bene Articul so wir dem Luther zugesandt, wiederumb zukommen. Inmassen wir dieselben hinge-
fertigt, und gar nichts dabei annotirt, hintzugesetzt oder aufgethan, allein oben uf mit diesen
zweyen worthen des Philippi Melanchthonis Handschrifft beschrieben, politia platonis«.

28. B. sandte ihm den lateinischen Text in der zweiten Hälfte des Januars zu; s. Lenz 1, Nr. 114,
S. 312.

29. Sie wurde von Kraft und Ferrarius angefertigt, s. Lenz 3, S. 36.

30. Lenz 3, S. 33. 35-37.

31. s. Lenz 3, S. 36. Die Randbemerkungen des Landgrafen zu Bucers Übersetzung des Wormser
Buches haben wir in den zweiten Apparat aufgenommen; s. unten Anm. 17. 18.44-47. 49. 51. 53. 54.
 
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