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Cucuel, Ernst [Bearb.]; Eckert, Hermann [Bearb.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 1 : Heidelberger Reihe ; Band 1): Die Inschriften des badischen Main- und Taubergrundes: Wertheim-Tauberbischofsheim — Stuttgart: Druckenmueller, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.53141#0018
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und Deutsch ist es, der ohne die geforderte Ausdehnung unsichtbar bliebe, sondern auch der nicht
minder anziehende und bedeutsame Kampf, der innerhalb der deutschen Inschriften selbst sich
abspielt. Mit dem ausgehenden Mittelalter beginnt die für unsere Festigung als Volk höchst wichtige
Ausbildung einer von den Kanzleien, aber auch von anderen Antrieben und Kräften getragenen
einheitlichen Hochsprache, zu deren Gunsten die Mundarten in zunehmendem Maße zurücktreten.
Auch diese Erscheinung läßt sich fast nur in den Inschriften nach 1500 beobachten. Der wichtigste
Vorgang auf diesem Felde, ein Vorgang, ohne den ein deutsches Volk im heutigen Sinne nicht
möglich gewesen wäre, ist die Verdrängung des Niederdeutschen als einer Sprachform des höheren
Lebens durch das Hochdeutsche. Das Nichtgelingen dieses Vorgangs in Holland beleuchtet grell
seine Bedeutung. In den Hausinschriften unserer niederdeutschen Städte spielt sich dieser Vorgang
als ein einzigartig mit den Augen wahrnehmbarer geschichtlicher Akt auf das eindrucksvollste ab.
Ein deutsches Inschriftenwerk, das ihn zu fassen und im einzelnen vorzuführen versäumte, ist doch
eigentlich undenkbar.
3. Bis ins 15. Jahrhundert ist alles Inschriftenwesen in der Hauptsache eine klerikale und aristo-
kratische Erscheinung. Erst gegen Ende des Mittelalters dehnt es sich breiter auf die bürgerliche
Welt aus und dringt endlich auch in den bäuerlichen Lebenskreis ein. Eine Sammlung, die um
1500 abbräche, würde das altdeutsche Inschriftenwesen im soziologischen Sinne unerträglich ein-
seitig und unvollkommen darstellen.
Die bürgerlichen Inschriften zwischen 1500 und 1650 sind nicht nur als Äußerung des Bürgertums,
die von allem bisher in den Inschriften üblich Gewesenen vielfach abweicht, von Bedeutung; sie
haben ihren nicht geringen Wert auch für die Familiengeschichte, die in unserer Zeit sich aus
tiefer liegenden Gründen die allgemeine Teilnahme erworben hat. Die erhaltenen Kirchenbücher
setzen aber in weiten Teilen Deutschlands erst nach dem 30jährigen Kriege ein; ihr schmerzliches
Versagen für das vorangegangene Jahrhundert kann vielfach durch die Inschriften wettgemacht
werden. Ein Werk, das dies zu bieten vermag, wird darum der öffentlichen Unterstützung auch
eher sich empfehlen als eine Aufnahme, die bei 1500 haltmachte ...
4. Nicht minder wird der Anteil, der unserer heute so lebendigen Volkskunde an unserem Werke
zukommt, nur dann voll gewahrt sein, wenn auch die Inschriften nach 1500 Berücksichtigung
finden. Ihr geben sowohl Grabinschriften als Glocken-, Haus- und Gerätinschriften einen ihr
höchst willkommenen Stoff. Seine Vorführung würde unserem Unternehmen Freunde werben,
sein Wegfall unvermeidlich verstimmen.
5. Mit einer so frühen Grenze wie 1500 fehlte unserem Werke eben überhaupt die Verbindung
mit der lebendigen Gegenwart. Wir haben von Heidelberg aus im vorigen Sommer die Inschriften
der StadtWertheim aufgenommen. Sie setzen im 14. Jahrhundert ein, bieten eine Anzahl hübscher
Beispiele im 15. Jahrhundert, der Hauptteil aber, insbesondere die zahlreichen, vielfach sehr schö-
nen Hausinschriften, Brunneninschriften und dergleichen stammen aus dem 16. und dem begin-
nenden 17. Jahrhundert. Ein Heft unserer Veröffentlichung, das die Wertheimer Inschriften und
etwa die der Umgebung gesammelt darböte, fände bei dem angeregten Teil der dortigen Bevölke-
rung starke Beachtung. Aber undenkbar wäre es, mit einer Aufnahme zu kommen, die bei 1500
haltmachte und also nichts von dem enthielte, was dem Wertheimer Bürger, wenn er durch die
Straßen seiner Stadt geht, täglich vor Augen kommt, was seine Neugierde und Teilnahme reizt,
worüber er sich gerne belehren ließe...
6. Daß man, wie wohl geäußert wurde, die Aufnahme der Inschriften nach 1500 späterer Be-
mühung etwa unserer Geschichts- und Volkskundevereine überlassen könnte, ist nach den bereits
gemachten Erfahrungen durchaus eine Utopie. Es wäre aber auch eine Geldvergeudung, da hier-
für beinahe jede Ortschaft in Deutschland ein zweites Mal aufgesucht werden müßte. Außerdem
würde sich für einen mit 1500 begrenzten Plan das Aufnahmeverfahren, am Ergebnis gemessen,
unverhältnismäßig teuer erweisen, denn es wären zahlreiche Ortschaften, besonders im Osten, auf-
zusuchen, in denen nur ganz vereinzelte Inschriften vor 1500 sich befinden. Eine Mitaufnahme
dagegen der Inschriften bis 1650 würde nur einen ganz geringen Mehraufwand bedeuten, so daß
dann die Kosten für die Aufnahme der einzelnen Inschrift wesentlich geringer werden.
7. Es gibt m.E. nur eine Tatsache, die mit Ernst gegen die geforderte Ausdehnung des Planes

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