an der Spitze der Städte des Kreisgebietes. Weil der Stadt besaß als freie Reichsstadt politisch gesehen
einen von Württemberg unabhängigen Status und bot durch seine Autonomie andere Entwicklungs-
möglichkeiten als die Amtsstädte. Jedoch waren die innere Organisation der Verwaltung und die stän-
dische Gliederung der Bürgerschaft ähnlich, was sich auch im Inschriftenbestand niederschlug.
Ritterschaftsorte mit größeren Inschriftenbeständen sind im Landkreis Böblingen selten, denn neben
der landesherrlichen Vormachtstellung Württembergs konnte sich die reichsfreie Ritterschaft nur
schwer behaupten. Die meisten Familien — so die von Bondorf, von Ehningen, von Hölingen, von
Holzgerlingen, von Kröwelsau, von Kuppingen, von Malmsheim, von Merklingen, um nur die wich-
tigsten zu nennen — erscheinen in frühen Urkunden bis zum Ende der Stauferzeit, starben aber noch
im Spätmittelalter aus, meist ohne Inschriftendenkmäler zu hinterlassen. Ihre Besitzungen brachte
Württemberg durch eine geschickte Erwerbspolitik an sich und konnte sie an häufig wechselnde
Lehensinhaber zeitweise wieder vergeben, was sich an den Verhältnissen in Deufringen, Ehningen,
Malmsheim oder Oschelbronn ablesen läßt. Ritterschaftlich blieben bis 1805 nur die Schloßgüter
Mauren bei Ehningen und Sindlingen bei Jettingen. Deshalb verfügt das Bearbeitungsgebiet - anders
als andere Landkreise — kaum über zentrale Grablegen ntterschaftlicher Familien mit einem größe-
ren Inschriftenbestand. Die wenigen Ausnahmen sind Gärtringen (28 Inschriften, davon 24 erhalten),
bis zu ihrem Aussterben 1559 Stammort der Harder von Gärtringen, Höfmgen (10, davon 3 erhal-
ten) als Stammort der Truchsessen von Höfingen, und Ehningen-Mauren (9), 1459 bis 1616 im Be-
sitz der Dachenhausen.
Mit der Vorstellung der wichtigsten Inschriften-Fundorte soll im Folgenden versucht werden, Er-
klärungen dafür zu finden, warum zwischen den einzelnen Standorten hinsichtlich des Umfangs und
der zeitlichen Ansetzung ihres Inschriftenbestandes Unterschiede festzustellen sind. Für die hier nicht
berücksichtigten Standorte finden sich die historischen Daten in der Regel im Kommentar des In-
schriftenkatalogs .
3.1 Leonberg
Leonberg steht in Zusammenhang mit den planmäßigen Stadtgründungen des 13.Jahrhunderts
von Schorndorf, Waiblingen und wohl auch Marbach durch das aufstrebende Württemberg29. Diese
Reihe strategisch bedeutsamer Gründungen diente zur Absicherung der durch den Zusammenbruch
der Stauferherrschaft begünstigten Machtposition des Grafen Ulrich I. von Württemberg (gest.
126 5)30. Die um 1248/49 zunächst „Löwenberg“ genannte Stadt mit einer Burg entstand auf einem
von der Glems umflossenen Bergsporn auf der Gemarkung des älteren Ortes Eltmgen, der 1938 nach
Leonberg eingemeindet wurde.
Als kirchliches Zentrum scheint zunächst eine — mit dem hier 1273 nachgewiesenen Johanniter-
orden verbundene — Johanneskapelle bestanden zu haben, die 1277 zusammen mit Leonbergs Mut-
terkirche in Dilgshausen (abgegangen)31 32 dem Chorherrenstift Sindelfingen inkorporiert wurde22. Das
Stift war also baupflichtig und scheint um 1280 — 1300 den Neubau des Langhauses der heutigen
Stadtpfarrkirche St.Johannes Bapt., einer großräumigen Basilika in frühgotischen Formen (Seiten-
turmanlage, Achteckpfeiler, flachgedecktes Mittelschiff), veranlaßt zu haben. Daran schloß sich der
Bau des Turmes und des gewölbten Chores; wie die beiden ältesten Glocken von 1312 (nrr. 17, 18)
und die Reste der Chorausmalung (nr. 19) ausweisen, war die Kirche im 1. Viertel des 14.Jahrhun-
derts vollendet33. Um 1400 hat man zusammen mit einer Erweiterung des Langhauses nach Westen
29 Sydow, J., Adelige Stadtgründer in Südwestdeutschland. In: Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer. Hg. v.
Maschke, E. u. Sydow, J. (Stadt in der Geschichte 6). Sigmaringen 1980, 173 — 192; hier 184 — 186; Trugenberger, V,
Die Gründung der Stadt Leonberg. In: Leonberg 1992, 73 — 76.
30 Die Deckplatte des Hochgrabes von Ulrich I. und seiner zweiten Gemahlin ist in der Stuttgarter Stiftskirche erhal-
ten; vgl. DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nr. 4 mit Abb.
31 Die „alte Pfarrkirche zu Dulcheshausen“ war 1517 noch in Funktion, wie eine Pfründenstiftung für 17 Messen be-
zeugt; vgl. OABLeonberg 1930, 657.
32 Die Problematik der Johanneskapelle wird zuletzt erörtert durch Walz, E., Studie zur frühen Baugeschichte der evan-
gelischen Stadtkirche Johannes der Täufer. Fakten, Vermutungen, Fragen. In: Em seliges end 1998, 157—180; bes.
161 f.
33 Als ältestes Steindenkmal ist eine inschriftlose Grabplatte mit eingeritztem Kreuz aus dieser Frühzeit erhalten; vgl.
Azzola, F. K., Zur Ikonographie des Kreuzes auf Kleindenkmälern. In: Epigraphik Worms 1987, 9 — 41; hier 29 und
Abb. 43; Walz (wie Anm. 32), 170 mit Abb. 17.
XVII
einen von Württemberg unabhängigen Status und bot durch seine Autonomie andere Entwicklungs-
möglichkeiten als die Amtsstädte. Jedoch waren die innere Organisation der Verwaltung und die stän-
dische Gliederung der Bürgerschaft ähnlich, was sich auch im Inschriftenbestand niederschlug.
Ritterschaftsorte mit größeren Inschriftenbeständen sind im Landkreis Böblingen selten, denn neben
der landesherrlichen Vormachtstellung Württembergs konnte sich die reichsfreie Ritterschaft nur
schwer behaupten. Die meisten Familien — so die von Bondorf, von Ehningen, von Hölingen, von
Holzgerlingen, von Kröwelsau, von Kuppingen, von Malmsheim, von Merklingen, um nur die wich-
tigsten zu nennen — erscheinen in frühen Urkunden bis zum Ende der Stauferzeit, starben aber noch
im Spätmittelalter aus, meist ohne Inschriftendenkmäler zu hinterlassen. Ihre Besitzungen brachte
Württemberg durch eine geschickte Erwerbspolitik an sich und konnte sie an häufig wechselnde
Lehensinhaber zeitweise wieder vergeben, was sich an den Verhältnissen in Deufringen, Ehningen,
Malmsheim oder Oschelbronn ablesen läßt. Ritterschaftlich blieben bis 1805 nur die Schloßgüter
Mauren bei Ehningen und Sindlingen bei Jettingen. Deshalb verfügt das Bearbeitungsgebiet - anders
als andere Landkreise — kaum über zentrale Grablegen ntterschaftlicher Familien mit einem größe-
ren Inschriftenbestand. Die wenigen Ausnahmen sind Gärtringen (28 Inschriften, davon 24 erhalten),
bis zu ihrem Aussterben 1559 Stammort der Harder von Gärtringen, Höfmgen (10, davon 3 erhal-
ten) als Stammort der Truchsessen von Höfingen, und Ehningen-Mauren (9), 1459 bis 1616 im Be-
sitz der Dachenhausen.
Mit der Vorstellung der wichtigsten Inschriften-Fundorte soll im Folgenden versucht werden, Er-
klärungen dafür zu finden, warum zwischen den einzelnen Standorten hinsichtlich des Umfangs und
der zeitlichen Ansetzung ihres Inschriftenbestandes Unterschiede festzustellen sind. Für die hier nicht
berücksichtigten Standorte finden sich die historischen Daten in der Regel im Kommentar des In-
schriftenkatalogs .
3.1 Leonberg
Leonberg steht in Zusammenhang mit den planmäßigen Stadtgründungen des 13.Jahrhunderts
von Schorndorf, Waiblingen und wohl auch Marbach durch das aufstrebende Württemberg29. Diese
Reihe strategisch bedeutsamer Gründungen diente zur Absicherung der durch den Zusammenbruch
der Stauferherrschaft begünstigten Machtposition des Grafen Ulrich I. von Württemberg (gest.
126 5)30. Die um 1248/49 zunächst „Löwenberg“ genannte Stadt mit einer Burg entstand auf einem
von der Glems umflossenen Bergsporn auf der Gemarkung des älteren Ortes Eltmgen, der 1938 nach
Leonberg eingemeindet wurde.
Als kirchliches Zentrum scheint zunächst eine — mit dem hier 1273 nachgewiesenen Johanniter-
orden verbundene — Johanneskapelle bestanden zu haben, die 1277 zusammen mit Leonbergs Mut-
terkirche in Dilgshausen (abgegangen)31 32 dem Chorherrenstift Sindelfingen inkorporiert wurde22. Das
Stift war also baupflichtig und scheint um 1280 — 1300 den Neubau des Langhauses der heutigen
Stadtpfarrkirche St.Johannes Bapt., einer großräumigen Basilika in frühgotischen Formen (Seiten-
turmanlage, Achteckpfeiler, flachgedecktes Mittelschiff), veranlaßt zu haben. Daran schloß sich der
Bau des Turmes und des gewölbten Chores; wie die beiden ältesten Glocken von 1312 (nrr. 17, 18)
und die Reste der Chorausmalung (nr. 19) ausweisen, war die Kirche im 1. Viertel des 14.Jahrhun-
derts vollendet33. Um 1400 hat man zusammen mit einer Erweiterung des Langhauses nach Westen
29 Sydow, J., Adelige Stadtgründer in Südwestdeutschland. In: Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer. Hg. v.
Maschke, E. u. Sydow, J. (Stadt in der Geschichte 6). Sigmaringen 1980, 173 — 192; hier 184 — 186; Trugenberger, V,
Die Gründung der Stadt Leonberg. In: Leonberg 1992, 73 — 76.
30 Die Deckplatte des Hochgrabes von Ulrich I. und seiner zweiten Gemahlin ist in der Stuttgarter Stiftskirche erhal-
ten; vgl. DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nr. 4 mit Abb.
31 Die „alte Pfarrkirche zu Dulcheshausen“ war 1517 noch in Funktion, wie eine Pfründenstiftung für 17 Messen be-
zeugt; vgl. OABLeonberg 1930, 657.
32 Die Problematik der Johanneskapelle wird zuletzt erörtert durch Walz, E., Studie zur frühen Baugeschichte der evan-
gelischen Stadtkirche Johannes der Täufer. Fakten, Vermutungen, Fragen. In: Em seliges end 1998, 157—180; bes.
161 f.
33 Als ältestes Steindenkmal ist eine inschriftlose Grabplatte mit eingeritztem Kreuz aus dieser Frühzeit erhalten; vgl.
Azzola, F. K., Zur Ikonographie des Kreuzes auf Kleindenkmälern. In: Epigraphik Worms 1987, 9 — 41; hier 29 und
Abb. 43; Walz (wie Anm. 32), 170 mit Abb. 17.
XVII