Rosette links für Christus steht. Die Rosette in Kerbschnitt-Technik oder - wie hier - in Relief ist
em häufig verwendetes, vieldeutiges Motiv der romanischen Kunst und kommt schon auf Türstür-
zen der Vorromanik vor14.
Die Inschrift, mit gleichmäßig dünnem Strich gehauen, verwendet em Kapitalis-Alphabet mit sehr
breit proportionierten Buchstaben, die von unterschiedlicher Höhe sind; weder Sporen noch Ver-
stärkungen der Linksschrägen noch Wechsel der Strichstärken sind zu beobachten. Während die
Inschrift auf dem Bogen dicht zusammengedrängt erscheint, ist die Verteilung der Buchstaben auf
der Sehne lockerer und mit größeren Abständen. Eine ausgesprochen unziale Form findet sich nur
für Q. Das lange S ist kaum gebogen. Charakteristisch sind: Spitzform des A mit geknicktem
Mittelbalken, M mit parallel geführten Hasten und kurzem Mittelteil; bei beiden Buchstaben sind
die Schrägen oben stumpf zusammengeführt. Typisch sind das E mit gleichlangem Mittelbalken
und das kreisrunde O, über der Grundlinie schwebend. Das D in NICOMEDIS ist nach links ge-
dreht. Kürzungen und Ligaturen sind vermieden. Die Worttrennung erfolgt durch kräftige Punkte
auf Mitte.
Angesichts der unbeholfenen Ausformung läßt sich die Inschrift nur schwer in eine chronologische
Reihe verwandter Inschriften einfügen13. Jedenfalls läßt sie sich vom Text der Inschrift her einer
Gruppe von Tür Inschriften zuordnen, die sich auf den Patron der Kirche beziehen16. In der Dis-
position des Bildfeldes vergleichbar ist das Tympanon der Pfarrkirche St. Johannes Bapt. in Weins-
berg (Lkr. Heilbronn)17. Dort ist der Bezug auf Christus durch die beiden großen Kreuze ein-
deutiger faßbar; die auf Sehne und Bogen umlaufende Inschrift, die rechts umknickt und dem
Bogenverlauf folgt, wirkt unbeholfen wie hier. Der Text verwendet ebenfalls den Begriff HOMO
für den Betrachter. Gemeinsam ist beiden Stücken der primitive Charakter der Darstellung und der
epigraphischen Technik, welcher in Gegensatz steht zu Form und Inhalt der gelehrten Inschrift. Im
Vergleich zu diesen beiden Werken erscheint das Tympanon von Murrhardtls mit der Ansetzung
1170/1180 in künstlerischer Hinsicht fortgeschrittener, ohne daß sich daraus zwingende Gründe für
eine spätere Ansetzung ergeben. Faßt man die Beobachtungen mit den Fakten der Baugeschichte
zusammen, wäre eine Ansetzung um 1180 und damit eine Zuordnung des Tympanons zu der
spätromanischen, noch vorhandenen Basilika vertretbar und eine frühere Ansetzung vor 1165 nicht
zwingend. In jedem Fall ist das Tympanon das älteste epigraphische Denkmal des Bearbeitungs-
gebietes.
a Das D spiegelverkehrt,
b Der Buchstabe Q unzial.
c Das S hier als langes (Minuskel-) S geschrieben.
d Älteste Überlieferung der Inschrift durch Eiselin, etwa 1619/1620; dort die Lesung SE4 PECTORE PRONO die
durch den eindeutigen Befund widerlegt ist, aber besser ins Versmaß paßt.
e An der Ecke bricht die Inschrift um, ist durch Putz verunreinigt und vielleicht auch übergangen; die Lesung des
Buchstabens R ist nur sinngemäß möglich.
1 Eiselin sah das Denkmal um 1620 „am Grufthäuslein am Eck gegen Mittag“. Das soll wohl heißen, daß das große
Werkstück damals an einem Beinhaus eingelassen war, das heute nicht mehr vorhanden ist. — Dieselbe Standort-
beschreibung bei Hess, vor 1761.
2 Zu Bartholomäus Eiselin genannt Lederschneider (1576 — 1633) als Pfarrer und Chronist des Ortes Hildrizhausen
vgl. Klein, Bartholomäus Eiselin 162 — 189. Dort ausführlich zu Eiselins Aufzeichnungen mit dem Titel „Chroni-
con patriae etc.“. Dort ist die vorliegende Inschrift zuerst überliefert und näher bezeichnet: „drey alte Lateinische
vers .... Sind die vers (ex inscitia forsan lapicidae) nicht allenthalben recht außgehauen etc.“. Der gleiche Wortlaut
in: Eiselin, Extract Jenigen Zeit Registers, einer unvollständigen Abschrift nach dem „Chronicon patriae“.
3 Hess, Chronik Herrenberg (vor 1761), zitiert den Text in derselben Form wie Eiselin.
4 Wann das Beinhaus beseitigt wurde, ist unbekannt, jedenfalls nach dem vor 1761 von Hess bezeugten Befund.
5 Nur P. Maggi verzichtet auf den dritten Vers, gibt die andern beiden aber fehlerhaft wieder; Maggi 1986, 63 und
Anm. 81.
6 In dieser Formulierung Eiselms sieht auch Herr Dr. Dirk Kottke, Tübingen, einen Beweis für die Existenz einer
ehemals dreizeiligen Inschrift. Ihm danke ich herzlich für Ratschläge, Übersetzungsvorschläge und einen stets an-
regenden Gedankenaustausch.
7 E. Paulus hat ohne Kommentar einen solchen Türsturz mit dem dritten, allerdings verkürzten Vers in seine Rekon-
struktion des ehemaligen Hauptportals eingefügt; vgl. KdmSchwarzwaldkreis 1897, 125 mit Abb. Allerdings spricht
dagegen, daß Türstürze in Verbindung mit einem reliefierten Tympanon in Deutschland — im Gegensatz zu den
Verhältnissen in Frankreich und Westeuropa — extrem selten sind. Die Portalkonstruktion ohne Türsturz ist geradezu
em Charakteristikum für den Umkreis des Klosters Hirsau, dem auch Hildrizhausen zuzurechnen ist; vgl. Seeliger-
Zeiss, Epigraphie et iconographie 1996, 213.
8 Vgl. nr. 152.
9 Bei der Grabung des Landesdenkmalamtes 1970 wurde ein Grab aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert in der Mitte
des Langhauses angeschnitten. Zur Baugeschichte vgl. KdmSchwarzwaldkreis 1897, 122 — 127, hier 123; Lutz, D.,
Beobachtungen und Funde aus der ev. Pfarrkirche St. Nikomedes in Hildrizhausen Kreis Böblingen. In: Fundbe-
richte aus Baden-Württemberg 1 (1974) 672 — 688, hier 687f.; Rebmann, W, Evangelische St. Nikomedes-Kirche
Hildrizhausen. Kirchenführer. Hildrizhausen 1985; Wischermann, Romanik 1987, 273. — Zur Frühgeschichte vgl.
Lorenz, Staufer, Tübinger und andere Herrschaftsträger im Schönbuch 1995, 299 ff. - Zum spätgotischen Chor-
neubau und zu seiner Ausstattung vgl. nr. 152.
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em häufig verwendetes, vieldeutiges Motiv der romanischen Kunst und kommt schon auf Türstür-
zen der Vorromanik vor14.
Die Inschrift, mit gleichmäßig dünnem Strich gehauen, verwendet em Kapitalis-Alphabet mit sehr
breit proportionierten Buchstaben, die von unterschiedlicher Höhe sind; weder Sporen noch Ver-
stärkungen der Linksschrägen noch Wechsel der Strichstärken sind zu beobachten. Während die
Inschrift auf dem Bogen dicht zusammengedrängt erscheint, ist die Verteilung der Buchstaben auf
der Sehne lockerer und mit größeren Abständen. Eine ausgesprochen unziale Form findet sich nur
für Q. Das lange S ist kaum gebogen. Charakteristisch sind: Spitzform des A mit geknicktem
Mittelbalken, M mit parallel geführten Hasten und kurzem Mittelteil; bei beiden Buchstaben sind
die Schrägen oben stumpf zusammengeführt. Typisch sind das E mit gleichlangem Mittelbalken
und das kreisrunde O, über der Grundlinie schwebend. Das D in NICOMEDIS ist nach links ge-
dreht. Kürzungen und Ligaturen sind vermieden. Die Worttrennung erfolgt durch kräftige Punkte
auf Mitte.
Angesichts der unbeholfenen Ausformung läßt sich die Inschrift nur schwer in eine chronologische
Reihe verwandter Inschriften einfügen13. Jedenfalls läßt sie sich vom Text der Inschrift her einer
Gruppe von Tür Inschriften zuordnen, die sich auf den Patron der Kirche beziehen16. In der Dis-
position des Bildfeldes vergleichbar ist das Tympanon der Pfarrkirche St. Johannes Bapt. in Weins-
berg (Lkr. Heilbronn)17. Dort ist der Bezug auf Christus durch die beiden großen Kreuze ein-
deutiger faßbar; die auf Sehne und Bogen umlaufende Inschrift, die rechts umknickt und dem
Bogenverlauf folgt, wirkt unbeholfen wie hier. Der Text verwendet ebenfalls den Begriff HOMO
für den Betrachter. Gemeinsam ist beiden Stücken der primitive Charakter der Darstellung und der
epigraphischen Technik, welcher in Gegensatz steht zu Form und Inhalt der gelehrten Inschrift. Im
Vergleich zu diesen beiden Werken erscheint das Tympanon von Murrhardtls mit der Ansetzung
1170/1180 in künstlerischer Hinsicht fortgeschrittener, ohne daß sich daraus zwingende Gründe für
eine spätere Ansetzung ergeben. Faßt man die Beobachtungen mit den Fakten der Baugeschichte
zusammen, wäre eine Ansetzung um 1180 und damit eine Zuordnung des Tympanons zu der
spätromanischen, noch vorhandenen Basilika vertretbar und eine frühere Ansetzung vor 1165 nicht
zwingend. In jedem Fall ist das Tympanon das älteste epigraphische Denkmal des Bearbeitungs-
gebietes.
a Das D spiegelverkehrt,
b Der Buchstabe Q unzial.
c Das S hier als langes (Minuskel-) S geschrieben.
d Älteste Überlieferung der Inschrift durch Eiselin, etwa 1619/1620; dort die Lesung SE4 PECTORE PRONO die
durch den eindeutigen Befund widerlegt ist, aber besser ins Versmaß paßt.
e An der Ecke bricht die Inschrift um, ist durch Putz verunreinigt und vielleicht auch übergangen; die Lesung des
Buchstabens R ist nur sinngemäß möglich.
1 Eiselin sah das Denkmal um 1620 „am Grufthäuslein am Eck gegen Mittag“. Das soll wohl heißen, daß das große
Werkstück damals an einem Beinhaus eingelassen war, das heute nicht mehr vorhanden ist. — Dieselbe Standort-
beschreibung bei Hess, vor 1761.
2 Zu Bartholomäus Eiselin genannt Lederschneider (1576 — 1633) als Pfarrer und Chronist des Ortes Hildrizhausen
vgl. Klein, Bartholomäus Eiselin 162 — 189. Dort ausführlich zu Eiselins Aufzeichnungen mit dem Titel „Chroni-
con patriae etc.“. Dort ist die vorliegende Inschrift zuerst überliefert und näher bezeichnet: „drey alte Lateinische
vers .... Sind die vers (ex inscitia forsan lapicidae) nicht allenthalben recht außgehauen etc.“. Der gleiche Wortlaut
in: Eiselin, Extract Jenigen Zeit Registers, einer unvollständigen Abschrift nach dem „Chronicon patriae“.
3 Hess, Chronik Herrenberg (vor 1761), zitiert den Text in derselben Form wie Eiselin.
4 Wann das Beinhaus beseitigt wurde, ist unbekannt, jedenfalls nach dem vor 1761 von Hess bezeugten Befund.
5 Nur P. Maggi verzichtet auf den dritten Vers, gibt die andern beiden aber fehlerhaft wieder; Maggi 1986, 63 und
Anm. 81.
6 In dieser Formulierung Eiselms sieht auch Herr Dr. Dirk Kottke, Tübingen, einen Beweis für die Existenz einer
ehemals dreizeiligen Inschrift. Ihm danke ich herzlich für Ratschläge, Übersetzungsvorschläge und einen stets an-
regenden Gedankenaustausch.
7 E. Paulus hat ohne Kommentar einen solchen Türsturz mit dem dritten, allerdings verkürzten Vers in seine Rekon-
struktion des ehemaligen Hauptportals eingefügt; vgl. KdmSchwarzwaldkreis 1897, 125 mit Abb. Allerdings spricht
dagegen, daß Türstürze in Verbindung mit einem reliefierten Tympanon in Deutschland — im Gegensatz zu den
Verhältnissen in Frankreich und Westeuropa — extrem selten sind. Die Portalkonstruktion ohne Türsturz ist geradezu
em Charakteristikum für den Umkreis des Klosters Hirsau, dem auch Hildrizhausen zuzurechnen ist; vgl. Seeliger-
Zeiss, Epigraphie et iconographie 1996, 213.
8 Vgl. nr. 152.
9 Bei der Grabung des Landesdenkmalamtes 1970 wurde ein Grab aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert in der Mitte
des Langhauses angeschnitten. Zur Baugeschichte vgl. KdmSchwarzwaldkreis 1897, 122 — 127, hier 123; Lutz, D.,
Beobachtungen und Funde aus der ev. Pfarrkirche St. Nikomedes in Hildrizhausen Kreis Böblingen. In: Fundbe-
richte aus Baden-Württemberg 1 (1974) 672 — 688, hier 687f.; Rebmann, W, Evangelische St. Nikomedes-Kirche
Hildrizhausen. Kirchenführer. Hildrizhausen 1985; Wischermann, Romanik 1987, 273. — Zur Frühgeschichte vgl.
Lorenz, Staufer, Tübinger und andere Herrschaftsträger im Schönbuch 1995, 299 ff. - Zum spätgotischen Chor-
neubau und zu seiner Ausstattung vgl. nr. 152.
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