15-j- Böblingen, ev. Stadtkirche (St. Dionysius) 13. Jh.?
Glocke mit linksläufiger Inschrift in spiegelverkehrten Buchstaben. Auf der Flanke zwei Kruzifix-
Reliefs. Älteste Glocke eines 1850 als fünfteilig beschriebenen alten Geläutes1. 1917 abgeliefert und
eingeschmolzen.
Wortlaut nach OABBöblingen 1850.
Dm. 100 cm.
sanctus . mateus . marcus . lucas Johannes .
Die sog. Hundsglocke wurde auch als Türkenglocke bezeichnet. Es bleibt unklar, ob sie ursprüng-
lich zu der „Urpfarrkirche“ der Gegend, der späteren Friedhofskapelle (1261 em Pfarrer bezeugt),
gehörte oder ob sie für die Burgkapelle des 12.Jahrhunderts gegossen war, welche 1419 zur heutigen
Pfarrkirche St. Dionysius erhoben und neu erbaut wurde2.
Obgleich die Glocke noch bis 1917 vorhanden war, ist die Überlieferung zu Form und Art der Inschrift
kontrovers. Die spiegelverkehrte Ausführung der Schrift ist eindeutig von allen Autoren belegt. Jedoch
ist strittig, ob die Inschrift in Gotischer Majuskel oder Gotischer Minuskel ausgeführt war. Die Ober-
amtsbeschreibung nennt die Glocke an zweiter Stelle innerhalb des Geläutes und gibt die Inschrift im
Wortlaut und mit dem Zusatz „mit verkehrter Mönchsschrift“ wieder. Klunzinger und Keppler
machen daraus: „in verkehrten Minuskeln“. Dem steht die Angabe des Glockeninventars von 1917 ent-
gegen: „Inschrift romanisch: St. Mateus Marcus Johannes; in verkehrter Richtung: SUCRAM“. Die
Buchstaben dieses Wortes sind von Hand spiegelverkehrt abgezeichnet und eindeutig als Kapitalis-
Buchstaben charakterisiert.
Die Linksläufigkeit der Schrift deutet auf ein hohes Alter, also auf eine Entstehung noch im 13. Jahr-
hundert, was mit den Angaben des Glockeninventars zusammenstimmt. Undatierte Evangelisten-
glocken sind bereits im 13. Jahrhundert in unserer Gegend verbreitet3. Dagegen könnte die Bezeich-
nung der Schrift als „Mönchsschrift“4 und die Wiedergabe in Minuskel-Buchstaben für eine spätere
Ansetzung sprechen. Auch deutet die Glockenzier durch Kruzifixe und das Ersetzen des üblichen
einleitenden Kreuzes durch das Wort Sanctus bereits auf die Wende zum 14. Jahrhundert3. Trotzdem
ist der jüngsten Überlieferung, dem Glockeninventar von 1917, hier der Vorzug vor den älteren
Inventaren zu geben, da nur hier ein Wort der Inschrift genau, nämlich als Majuskel in Spiegelschrift,
abgezeichnet ist.
1 Vgl. nrr. 79, 287; ferner Glocken von 1765 und 1789; OABBöblingen 1850, 101.
2 Als Besitzer der Burg sind 1240 die Pfalzgrafen von Tübingen genannt. — Unlängst ist ein schmalerer Vorgängerbau
- wohl aus dem 13. Jahrhundert stammend - ergraben worden. Die spätgotische Pfarrkirche wurde im 2. Weltkrieg
fast vollständig zerstört. Überliefert ist die Herstellungszahl 15t8 für einen Taufstein sowie die Bauzahlen 1587 an
der Westempore und 1600 am Chorportal; KdmNeckarkreis 1889, 93 f.
3 Vgl. hier nrr. 4, 5, 10, 11, 14.
4 Klunzinger und Keppler übersetzen diesen unklaren Begriff in die konkrete Bezeichnung als Minuskel, wobei aber
zu bezweifeln ist, daß sie die Glocke wirklich selbst gesehen haben.
5 Der Reliefschmuck könnte auf den Umkreis Hainrichs des Glogners weisen, von dem datierte Glocken zwischen
1299 und 1307 mit einem frühgotischen Christus am Kreuz erhalten sind; vgl. DGWürttHohenzollern, Einl. 9f.
mit zahlreichen Beispielen.
OABBöblingen 1850, 101. - Klunzinger, Glockenkunde 1858/1859, 87. - Keppler 1888, 39. - Stuttgart, LKA, Glocken-
inventar 1917, A 26, 1478, 4.
16
Dätzingen (Gde. Grafenau), kath. Pfarrkirche St. Leonhard
1306
Glocke mit Datierung und Signatur des Hemo von Tübingen. Aus der 1810/12 abgebrochenen
Schloßkapelle und Pfarrkirche der ehemaligen Johanniter-Kommende in den heutigen Neubau von
1812 übernommen. Schulterinschrift zwischen Schnurstegen, beginnend mit einem aus fünf Punk-
ten gebildeten Kreuz; als Worttrenner Punkte und derbe Sechsstrahl-Sterne in Zeilenmitte. Kronen-
bügel mit Tau-Verzierung.
Abb. 10 H. 56, Dm. 67 cm. — Romanische Majuskel, erhaben
+ AB ■ I(N) ■ CARNACIO(N)E • D(OMI)NI • AN(N)O • M° • C°CC •
V°I • FV(N)DATA • E(ST) RA(M)PANAa • A • M(A)G(IST)RO • HEMO • DE •
TVIWINGE(N)b
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Glocke mit linksläufiger Inschrift in spiegelverkehrten Buchstaben. Auf der Flanke zwei Kruzifix-
Reliefs. Älteste Glocke eines 1850 als fünfteilig beschriebenen alten Geläutes1. 1917 abgeliefert und
eingeschmolzen.
Wortlaut nach OABBöblingen 1850.
Dm. 100 cm.
sanctus . mateus . marcus . lucas Johannes .
Die sog. Hundsglocke wurde auch als Türkenglocke bezeichnet. Es bleibt unklar, ob sie ursprüng-
lich zu der „Urpfarrkirche“ der Gegend, der späteren Friedhofskapelle (1261 em Pfarrer bezeugt),
gehörte oder ob sie für die Burgkapelle des 12.Jahrhunderts gegossen war, welche 1419 zur heutigen
Pfarrkirche St. Dionysius erhoben und neu erbaut wurde2.
Obgleich die Glocke noch bis 1917 vorhanden war, ist die Überlieferung zu Form und Art der Inschrift
kontrovers. Die spiegelverkehrte Ausführung der Schrift ist eindeutig von allen Autoren belegt. Jedoch
ist strittig, ob die Inschrift in Gotischer Majuskel oder Gotischer Minuskel ausgeführt war. Die Ober-
amtsbeschreibung nennt die Glocke an zweiter Stelle innerhalb des Geläutes und gibt die Inschrift im
Wortlaut und mit dem Zusatz „mit verkehrter Mönchsschrift“ wieder. Klunzinger und Keppler
machen daraus: „in verkehrten Minuskeln“. Dem steht die Angabe des Glockeninventars von 1917 ent-
gegen: „Inschrift romanisch: St. Mateus Marcus Johannes; in verkehrter Richtung: SUCRAM“. Die
Buchstaben dieses Wortes sind von Hand spiegelverkehrt abgezeichnet und eindeutig als Kapitalis-
Buchstaben charakterisiert.
Die Linksläufigkeit der Schrift deutet auf ein hohes Alter, also auf eine Entstehung noch im 13. Jahr-
hundert, was mit den Angaben des Glockeninventars zusammenstimmt. Undatierte Evangelisten-
glocken sind bereits im 13. Jahrhundert in unserer Gegend verbreitet3. Dagegen könnte die Bezeich-
nung der Schrift als „Mönchsschrift“4 und die Wiedergabe in Minuskel-Buchstaben für eine spätere
Ansetzung sprechen. Auch deutet die Glockenzier durch Kruzifixe und das Ersetzen des üblichen
einleitenden Kreuzes durch das Wort Sanctus bereits auf die Wende zum 14. Jahrhundert3. Trotzdem
ist der jüngsten Überlieferung, dem Glockeninventar von 1917, hier der Vorzug vor den älteren
Inventaren zu geben, da nur hier ein Wort der Inschrift genau, nämlich als Majuskel in Spiegelschrift,
abgezeichnet ist.
1 Vgl. nrr. 79, 287; ferner Glocken von 1765 und 1789; OABBöblingen 1850, 101.
2 Als Besitzer der Burg sind 1240 die Pfalzgrafen von Tübingen genannt. — Unlängst ist ein schmalerer Vorgängerbau
- wohl aus dem 13. Jahrhundert stammend - ergraben worden. Die spätgotische Pfarrkirche wurde im 2. Weltkrieg
fast vollständig zerstört. Überliefert ist die Herstellungszahl 15t8 für einen Taufstein sowie die Bauzahlen 1587 an
der Westempore und 1600 am Chorportal; KdmNeckarkreis 1889, 93 f.
3 Vgl. hier nrr. 4, 5, 10, 11, 14.
4 Klunzinger und Keppler übersetzen diesen unklaren Begriff in die konkrete Bezeichnung als Minuskel, wobei aber
zu bezweifeln ist, daß sie die Glocke wirklich selbst gesehen haben.
5 Der Reliefschmuck könnte auf den Umkreis Hainrichs des Glogners weisen, von dem datierte Glocken zwischen
1299 und 1307 mit einem frühgotischen Christus am Kreuz erhalten sind; vgl. DGWürttHohenzollern, Einl. 9f.
mit zahlreichen Beispielen.
OABBöblingen 1850, 101. - Klunzinger, Glockenkunde 1858/1859, 87. - Keppler 1888, 39. - Stuttgart, LKA, Glocken-
inventar 1917, A 26, 1478, 4.
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Dätzingen (Gde. Grafenau), kath. Pfarrkirche St. Leonhard
1306
Glocke mit Datierung und Signatur des Hemo von Tübingen. Aus der 1810/12 abgebrochenen
Schloßkapelle und Pfarrkirche der ehemaligen Johanniter-Kommende in den heutigen Neubau von
1812 übernommen. Schulterinschrift zwischen Schnurstegen, beginnend mit einem aus fünf Punk-
ten gebildeten Kreuz; als Worttrenner Punkte und derbe Sechsstrahl-Sterne in Zeilenmitte. Kronen-
bügel mit Tau-Verzierung.
Abb. 10 H. 56, Dm. 67 cm. — Romanische Majuskel, erhaben
+ AB ■ I(N) ■ CARNACIO(N)E • D(OMI)NI • AN(N)O • M° • C°CC •
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