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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0063
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Nach der Menschwerdung des Herrn im Jahr 1306 ist (diese) Glocke von Grund auf gemacht worden durch Meister
Hemo von Tübingen.
Die Glocke gehört zu den frühen Exemplaren, deren Inschriften ein Gußjahr nennen1. Außerdem ist
bemerkenswert, daß auf ihr erstmals in Württemberg ein Gießer mit seinem Namen überliefert ist2.
Ob die Herkunftsbezeichnung DE TVIWINGEN auf eine dort befindliche frühe Gießhütte weist,
oder ob es sich um einen Wandergießer handelte, muß offen bleiben. Das Formular nimmt die im
Kanzleibetrieb übliche Inkarnations-Formel — die Jahreszählung angefangen nach der Geburt Chri-
sti — auf. Im epigraphischen Bereich kommt das Formular „anno ab mcarnatione domini“ nur in ro-
manischer Zeit und da vorwiegend in den — Urkunden vergleichbaren — Weihe- und Bauinschriften
und zuweilen auch auf Grabmälern3 vor, ist jedoch auf Glocken bisher eine Seltenheit4.
Die Inschrift aus großformatigen, breit proportionierten Buchstaben ist in der Wahl der epigraphi-
schen Mittel konservativ. Die überwiegend nach klassischem Vorbild geformten Model für die Mehr-
heit der Buchstaben ist bestimmend für den noch romanischen Charakter der Kapitalschrift, die kaum
Schwellungen oder keilförmige Verbreiterungen zeigt. Runde Formen werden nur vereinzelt ver-
wendet, so für das schneckenförmig eingerollte G und das unziale H. Selbst das E ist kapital gebildet
mit drei gleichlangen Balken. Das trapezförmige, nahezu symmetrische A hat einen winkelförmig
nach unten gebrochenen Mittelbalken und einen beiderseits überstehenden Deckbalken.
Nachdem 1263 der Johanniter-Orden eine Schenkung in Dätzingen erhalten hatte, erwarb er 1277
die Kirche (früheres Patrozinium: St. Barbara) und schließlich den Rest des Ortes. Dätzingen wurde
der Kommende Rohrdorf (Lkr. Calw) als „membrum“ unterstellt und im 17. Jahrhundert Residenz
der dortigen Komture0.
a So für CAMPANA.
b Über das erste V ist ein kleiner senkrechter Strich gesetzt, wohl ein I zur Bezeichnung des Umlauts.
1 In Württemberg sind als noch frühere Beispiele die Glocken von 1273 in Melchingen (Stadt Burladingen, Zollern-
albkreis), 1275 in Wiblingen (Stadtkreis Ulm), 1285 in Stuttgart (aus Beutelsbach) und 1299 in Pfaffenhofen (Lkr.
Heilbronn) zu nennen; vgl. DGWürttHohenzollern nrr. 741, 1812, 1590, 831. In Baden steht an der Spitze die 1209
datierte Glocke in Randegg (Gde. Gottmadingen, Lkr. Konstanz); DGBaden nr. 1062.
2 Ein zweites von diesem Gießer signiertes, aber undatiertes Exemplar ist in Reusten (Gde. Ammerbuch, Lkr. Tü-
bingen) erhalten; DGWürttHohenzollern nr. 1659. Der Name lautet dort HEMMO ohne Herkunftsbezeichnung.
3 Württembergische Beispiele aus dem 12. Jahrhundert bei Seeliger-Zeiss, A., Die Inschriften von Alpirsbach. FS zur
Neunhundertjahrfeier des Klosters, hg. vom Staatl. Amt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (in Vorbereitung);
ferner Funken, R., Die Bauinschriften des Erzbistums Köln (Veröff. der Abt. Architektur des Kunsthistorischen In-
stituts der Universität Köln 19). Köln 1981. — Zur Jahreszählung nach der Inkarnation Christi allgemein: Favreau, R.,
Les inscriptions medievales. In: Epigraphik 1988, 57-89; bes. 60 f; Glaser u. Bornschlegel, Datierungen 1996, 527 f.
4 So auf der ältesten datierten Glocke des deutschen Sprachraums von 1144 in Iggensbach in Bayern; Schilling,
Glocken 1988, 133.
5 Zur Geschichte der Kommende vgl. Rödel, W G., Das Großpriorat Deutschland des Johanniter-Ordens im Über-
gang vom Mittelalter zur Reformation. Köln 1966, 137—138. — Zum historischen Geläute der Dätzinger Kirche
gehört eine weitere frühe Glocke: sie ist schmucklos und ohne Inschrift und gehört noch dem 13. Jahrhundert an.
Sie zählt zu den ältesten erhaltenen Glocken des Landes Baden-Württemberg; vgl. DGWürttHohenzollern nr. 276.
Vermutlich war der Johanniter-Orden Auftraggeber für beide Stücke.
OABBöblingen 1850, 144. - Klunzinger, Glockenkunde 1858/59, 92. - Keppler 1888, 40. - KdmNeckarkreis 1889,
98. — DGWürttHohenzollern nr. 277 mit Abb. 435 auf S. 266 (Strichzeichnung) und Einl. 7.

17 Leonberg, ev. Stadtkirche (St. Johannes Bapt.) 1312

Glocke mit früher Datierung, als einziges Exemplar eines ehemals vierteiligen alten Geläutes erhal-
ten1. Schulterinschrift zwischen Stegen, am Anfang em griechisches Kreuz; die Buchstaben aus fast
fingerdicken Wachssträngen geformt.
H. 86, Dm. 101 cm. — Späte Romanische Majuskel, erhaben
+ ANNO • DOMINI • M° • C • C • C • X • II •
Sehr kräftig ausgebildete Buchstaben mit weiten Zwischenräumen und kugelförmigen Punkten in
Zeilenmitte. Die Schrift verwendet ein trapezförmiges A mit weit überstehendem Deckbalken, ein
weit geöffnetes C, ein unziales, rechts offenes M; N retrograd, I mit Knoten in der Mitte des Schaf-
tes; das römische Zahlzeichen X aus zwei voneinander abgewendeten Bögen, von denen der rechte
weit nach unten gezogen ist.
Die Anschaffung eines neuen Geläutes stand vermutlich mit dem Chorneubau der Stadtkirche zu Be-
ginn des 14. Jahrhunderts in Verbindung2. Das Datum 1312 bietet einen ternnnus ante quem für die
zuvor erfolgte Vollendung des Kirchturms mit der Glockenstube.

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