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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0094
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1990 konnte den Abriß nicht verhindern. Als letzte mittelalterliche Reste sind das vorliegende Grab-
mal und eine weitere Grabplatte* 1 2 3 4 5 zu nennen.
1 OABBöblingen 1850, 101.
2 Keppler 1888, 39.
3 Ehemals die Bauzahl 1586 an einem Maßwerkfenster der Nordseite.
4 Vgl. nr. 163.
OABBöblingen 1850, 101.

81 Stuttgart, Württ. Landesmuseum 3.V. 15. Jh.

Backmodel aus weißem Pfeifenton, ausgegraben 1973 im Keller der ehemaligen Propstei des Stiftes
Sindelfingen, Obere Vorstadt 8; im Stadtmuseum Sindelfingen eine Nachbildung (Inv. Nr. 1307).
Rechteckige Negativform mit schmalem Rand, im Feld jugendliche Frauengestalt, nur mit Halskette
und Schleier bekleidet, in Händen em vielfach geschlungenes Spruchband A; neben ihr, am Boden
hockend, greift der Tod nach ihr, als Gerippe dargestellt und mit Spruchband B umgeben.
Abb. 22 H. 5,4, B. 3,7, T. 0,7, Bu. 0,2 cm. - Gotische Minuskel (Spiegelschrift)
A ich bin / wol ge/than / vn(d) lebe [,]a / lang / su(n)de(r) wan
B ach du armer sack / fvn erde(n) / daz / ich bin / da(s) / mustu werde(n)
Das Fundstück ist em eindrucksvolles Zeugnis der mittelalterlichen Alltagskultur und gehört zu einer
größeren Gruppe von Backformen mit bildlichen Darstellungen, als deren Verbreitungsgebiet der
Mittelrhein angesehen wurde1. Einzelne Funde am Oberrhein und im württembergischen Gebiet
legen jedoch nahe, daß diese Formen in ganz Süddeutschland verbreitet waren2. Da die Mehrzahl der
Stücke mit Spruchbändern versehen sind, ist ihre Zuordnung zur mittelalterlichen Epigraphik nicht
zu bezweifeln1. Auch wenn zuweilen mehrere Versionen eines Themas erhalten sind, scheint die
Herstellung der Model durchaus individuell verschieden4.
Das Bildthema des Reliefs — der Tod und das Mädchen — gehört in den Zusammenhang der „Me-
mento-mori“-Darstelhmgen, die innerhalb der bisher bekannt gewordenen Gruppe von Backmodeln
mehrfach vorkommen’. Die engste Übereinstimmung bietet ein Model aus dem Kreuzgang der Stifts-
kirche St. Paul in Worms6; die Darstellung der Frau mit dem Tod ist hier von einem Vierpaß umrahmt
und folgt einer anderen Vorlage, aber die Inschriften stimmen weitgehend im Wortlaut überein. In-
schrift A befindet sich auch auf dem Spruchband eines Mainzer Models mit der Darstellung eines
Liebespaares und dem Tod7. Die Wendung daz ich bin das mustu werden erinnert an die Text-Formu-
lierungen des Themenkreises der Drei Lebenden und drei Toten8. Da für die Darstellung der Frau em
Kupferstich von 1462 als Parallele genannt wird, mag die vorgeschlagene Ansetzung im 3. Viertel des
15. Jahrhunderts zutreffen9.
a Lesung hier unklar. Nach lebe ein Zwischenraum und zwei Hasten erkennbar. Die Lesung bei Scholkmann lautet:
ich bin woll gethan un lebe (l?)an(ge?) sunder wan — ach du armer sack von erden was ich bin da(s) mustu werden.
1 Zuletzt zusammengestellt von Arens, F., Die ursprüngliche Verwendung gotischer Stein- und Tonmodel. In: Main-
zer Zeitschr. 66 (1971) 106-131, mit weiterführender Literatur; ders. in: DI 2 (Mainz) nr. 1035.
2 Noch heute werden hier als traditionelles Weihnachtsgebäck die „Springerle“ hergestellt, wobei allerdings meist in
Holz geschnittene Formen verwendet werden. Arens dachte bei den Ausformungen in Ton an eine Benutzung als
Model für Reliefs aus Papiermasse oder Stuck zum Schmuck von kleinen Kästchen oder von Tongefäßen zum
profanen Gebrauch; vgl. DI 2 (Mainz) nr. 1035.
3 Zu einem aus Holz geschnittenen Backmodel mit Spruchband in Wertheim (Main-Tauber-Kreis) vgl. DI 1 (Bad.
Main- und Taubergrund) nr. 524 mit Abb.
4 Vom vorliegenden Model sind keine Repliken bekannt. Für em 1969 in Hirsau ausgegrabenes Backmodel mit der
Darstellung Christi in der Kelter mit Inschriften konnten zwei Repliken nachgewiesen werden; vgl. Arens (wie
Anm. 1) Kat. Nr. 41; in DI 30 (Calw) nicht aufgenommen.
5 Vgl. Arens, ebd. Kat. Nr. 54 mit Liebespaar, vom Tod überrascht; ders. in: DI 2 (Mainz) nr. 1035 h.
6 Vgl. Arens, ebd. Kat. Nr. 82 (ohne Abb.) ; in DI 29 (Worms) nicht aufgenommen.
7 DI 2 (Mainz) nr. 1035 h.
8 Dazu W. Rotzler, in: RDK 4 (1958) 512-524; ders., Die Begegnung der drei Lebenden und der drei Toten. Win-
terthur 1961.
9 Bode, W v, u. Volbach, W F, Mittelrheinische Ton- und Steinmodel aus der l.H. d. 15.Jhs.. In: Jahrb. d. preuss.
Kunstsammlungen 38 (1918) 89-134, hier 133 Nr. 66.
Scholkmann, B., Ein Keller mit spätmittelalterlichen Funden unter der Propstei des ehemaligen Chorherrenstiftes
Sindelfingen. In: Forschungen u. Berichte 4 (1977) 135-150; hier 142f. mit Abb.6b auf S. 149. - Dies., in: Stadtluft,
Hirsebrei und Bettelmönch. Die Stadt um 1300. Kat. d. Ausstellung Zürich 1992 u. Stuttgart 1993. Stuttgart 1992, 194
mit Abb.

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