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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0100
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88 f Weil der Stadt, ehern, kath. Kapelle St. Laurentius im Thalacker 1480
Grabplatte des Priesters Theodor Gruber. Ehemals in der jetzt profanierten Kapelle, die zeitweise als
Feldscheune diente. Gestaltung unbekannt.
Wortlaut zuletzt 1952 von Gall unvollständig überliefert.
Theodoncus Gruber + 1480 requiescat in pace
OABLeonberg 1930, 1030. - Gall, A., in: Heimatverein Weil der Stadt, Berichte und Mitteilungen 2 (1952) H. 3, S. 3, 6.

89

Holzgerlingen, ev. Pfarrkirche (St. Mauritius)

1481

Sterbeinschrift des Ulrich Binder, verbunden mit einer Urkundeninschrift über seine Seelgerätstif-
tung. Außen an der Ostwand des Beinhauses, rechts an die südliche Langhauswand der Kirche an-
stoßend; ob diese Aufstellung ursprünglich ist, bleibt fraglich* 1. Querrechteckige Platte aus gelbem
Sandstein mit Resten rotbrauner Fassung, oben und links von einem gekehlten Profilstab gerahmt;
achtzeilige Inschrift, in geritzte Ranke auslaufend. Verwittert und bestoßen.
Abb. 28 H. 96, B. 155, Bu. 7 cm. - Gotische Minuskel mit Versalien
Anno d(omi)ni M° cccc lxx[x]i vfffrytag nach de(m) ouste(r)tag / sta(r)b Volricha
bmde(r) de(r) hat gestift d(a)sz ain fruomesse(r)a alle(n) frytag / sol lese(n) am
fruomesza jt(em) erTiat kowft vm(b) die [••••] iar=/zyt die begangen so[l]
[wjerden zu alle(n) fr[on]tage(n) a(n) mitt=/woch in fronvaste(n) ze nacht mit
selvespe(r) morge(n)tz / mit" vigih vn(d) lii sei messen dar vm(b) sollend die
pflege(r) / geben yedem priester xv d(enare) dem moesnerb iii d(enare) vn(d) /
de(nf Armeff 1 s(chilling) vm(b) brot.
Datum: 27. April
Die Urkundeninschrift hat die Bestimmungen einer privaten Seelgerätstiftung zum Inhalt. Ulrich
Binder, über dessen Beruf oder Stand nichts ausgesagt ist, dessen Todestag aber dem Rechtsgeschäft
vorangestellt wird, stiftete eine Frühmesse für jeden Freitag, weil dieser Wochentag der Sterbetag war2.
Ferner bestimmte er, daß sein Jahrgedächtnis viermal im Jahr begangen werden sollte, nämlich jeweils
— wie üblich — beginnend am Mittwoch in den Quatemberwochen3. Die genauen Bestimmungen
sahen dazu die Feier von Vesper, Vigilie und dreier Seelenmessen vor. Dafür sollte der Priester mit
fünfzehn und der Meßner mit drei Denaren entlohnt werden4. Ferner sollte jedesmal anschließend
durch die Pfleger für einen Schilling Brot an die Armen ausgeteilt werden. Die Pfleger sind nicht
namentlich genannt; vermutlich sind die Heiligenpfleger der Kirche gemeint. Diese Bestimmungen
entsprechen anderen überlieferten Seelgerätstiftungen der damaligen Zeit5. Daß die Inschrift nicht in
Latein formuliert ist, könnte auf einen weltlichen Aussteller hindeuten.
Die Ausfertigung in Stein erfolgte erst nach Binders Tod, wie der einleitende Satz vermeldet, der der
Textform einer Grabschrift folgt. Die Inschrift beginnt mit der großformig ausgeführten Initiale A,
verwendet aber sonst Versalien nur zweimal; damit folgt sie vielleicht ganz bewußt der Gestaltung
einer Urkunde. Trotz der sorgfältigen Ausführung ist die Schrift wegen der zahlreichen Ligaturen
schwer lesbar6.
a Kleines o über dem FTizw. u.
b Kleines e über dem o.
1 Man würde eine Anbringung im Kircheninnern in der Nähe eines bestimmten Altars oder nahe beim Bestattungs-
ort erwarten; vgl. DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nr. 38.
2 Die Frühmesse war identisch mit der Antomuskaplanei, die 1475 ff. im Besitz des Ludwig Gugeluff von Tübingen
nachweisbar ist; vgl. Bossert, G. (d.J.), Die Reformation im Dekanatsbezirk Böblingen. In: BllwürttKirchenge-
schichte NF 40 (1936) 161-221; hier 170.
3 Fronfasten bedeutet: nach Invocavit, nach Pfingsten, nach Kreuzerhöhung (14. September) und nach St. Lucia
(13. Dezember).
4 Ein Denar bzw. 1 Pfennig = 2 Heller; 1 ß (= Schilling) = 12 Heller. Danach erhielten der Priester in der Heller-
Währung ausgedrückt 30 Heller, der Meßner 6 Heller; die Brotstiftung betrug 12 Heller.
5 Ähnliche Beispiele aus Testamenten bei Brandt, A. v., Mittelalterliche Bürgertestamente. Neuerschlossene Quellen
zur Geschichte der materiellen und geistigen Kultur. (Sitzungsberichte d. Heidelberger Akad. d. Wiss., phil.-hist.
Kl. 3). Heidelberg 1973, passim; epigraphische Beispiele bei Müller, Wolfgang, Urkundeninschriften des deutschen
Mittelalters (Münchener Historische Studien, Abt. Geschichtl. Hilfswissenschaften 13). Kallmünz 1975.
6 Die bisher in der Literatur vorgeschlagenen Lesungen sind daher irreführend.
OABBöblingen 1850, 177. - Keppler 1888, 41. - KdmNeckarkreis 1889, 101. - Schahl, Neckarschwaben 1966, 188.

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