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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0160
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Cl/2 IN OMNEM T(E)RRAM EXIVIT SON(VS) ■ / EQRVM ET FINES ORBIS
TERRE VERBA EQR(VM) • PS (ALMI) ■ 8 -30
Ihr Schall ist in alle Lande ausgegangen, und ihre Worte gehen bis zu den Grenzen des Erdkreises.
Bl MITTAMV VOBIS PASTORES QVI PASCENT VOS CIENCIAW ET
DOCTRINA ■ IEREMIE • 3 -31
Ich will euch Hirten geben, die euch weiden sollen mit Lehre und Weisheit.
Dl ELIGE DVODECIM VIROS ET PRECIPE EIS VT TOLLANT =
B2 = DE MEDIO IORDANIS ALVEO ■ IOSVE • 4 32
Nimm dir zwölf Männer (. . .) und sprich: Hebt auf aus dem Flußbett des Jordan (zwölf Steine).
D2 • MITTE VIROS SINGVLOSX DE SINGVEIS^ TRIBVB(VS) ISRAEL I(N)Z
TERRA(M)Z CHANAAN • NVM(ERI) ■ 13 -33
Sende Männer aus den einzelnen Stämmen Israels aus in das Land Kanaan.
Namensbeischriften El und E2 innerhalb der beiden Bildfelder, meist unterhalb der Füße des betref-
fenden Apostels, von links nach rechts:
El • S • PHILIPPVS / • S • IACOBVS • MAIOR • / ■ S ■ IOHANNES / • S
• SI//MON / ■ S ■ IVDAS / ■ S ■ MATHIAS
E2 • S • MATHEVS / ■ S • PETRVS • / • S • ANDREAS / S ■ THO//MAS
/ S • BARTHOLOM//E(VS)aa / S • IACOBVSbb • MI(N)OR
Die Sehriftqueilen zur Herstellung des Retabels und zu seinem weiteren Schicksal sind zuletzt von
Roman Janssen zusammengestellt und ausgewertet worden34. Zusammenfassend ergibt sich: der Auf-
trag an den Maler Jörg RatgebJ0 erging wohl spätestens 1517. Der Maler ist um 1480 geboren; Aufträge
führten ihn zeitweise nach Heilbronn, Stuttgart und Frankfurt a.M. Er wurde in die Kämpfe des
Bauernkriegs verwickelt und 1526 in Pforzheim zum Tode verurteilt. Das Herrenberger Retabel von
1519 war eines seiner Hauptwerke und zugleich seine letzte bekannte Arbeit.
Der Auftraggeber des Retabels dürfte Johannes Rebmann, der letzte Propst der Brüder vom Ge-
meinsamen Leben in Herrenberg, gewesen sein, da das theologische Programm des Retabels zusam-
men mit dem Programm des 1517 vollendeten Chorgestühls36 eine Einheit bildet und deutlich vom
Gedankengut dieser Gemeinschaft geprägt ist37. Rebmann starb am 10.Juli 1517; einen Monat später
wurde das sog. ,,Kappenstift“, die Gemeinschaft der Brüder, wieder in ein weltliches Chorherrenstift
zurückverwandelt. Mit der Fertigstellung des Altars fand die von den Brüdern als Gesamtkunstwerk
geschaffene Chorausstattung der Herrenberger Stiftskirche laut der Datierung 1519 unter dem neuen
Stiftspropst Benedikt Farner ihren Abschluß. Neuerdings hat Janssen aufgrund der fast lückenlos
erhaltenen Abrechnungen wahrscheinlich gemacht, daß das Retabel in mehreren Etappen fertig-
gestellt wurde. Danach stellt sich die Geschichte des Altars folgendermaßen dar: der geschnitzte
Mittelschrein muß schon vor der Auftrags vergäbe an Ratgeb vorhanden gewesen sein, denn Ratgebs
Arbeiten in Herrenberg setzten mit „Fassung der täfel uf dem fronaltar“ ein38. Es war durchaus ein
übliches Verfahren, zunächst einen geschnitzten Schrein ohne Fassung aufzustellen und diesen dann
zu späterer Zeit mit einer damals sehr kostspieligen Farbfassung und mit Flügeln versehen zu lassen,
um die finanziellen Ausgaben über einen größeren Zeitraum verteilen zu können39. Es gibt keiner-
lei Anhaltspunkte über Aussehen oder Entstehungszeit dieses älteren Schreins; nur seine Größe ist
durch Ratgebs Tafeln festgelegt; auch ist aus den Quellen bekannt, daß er eine Predella („sarch“) und
em Gesprenge („Ußzug“) besaß. Die Rekonstruktion von Janssen hat eine schon vorher geäußerte
Forschungsmeinung bestätigt und wahrscheinlich gemacht, daß in der Mitte des Schreines ein Bild-
werk der Muttergottes im Strahlenkranz als Patronin der Stiftskirche und Zentrum der Ikonographie
der Flügelbilder stand40.
Überraschenderweise enden die Zahlungen an Jörg Ratgeb erst im Rechnungsjahr 1523/24. Dies
könnte bedeuten, daß 1519 nur das innere, mit diesem Datum bezeichnete Flügelpaar vollendet war
und mit dem Schrein verbunden wurde. Die Rechnungen von 1520 bis 1522 über erneute Arbeiten
am Altar lassen darauf schließen, daß das zweite äußere Flügelpaar erst zu einem späteren Zeitpunkt
fertiggestellt wurde. Insgesamt beliefen sich die an Ratgeb gezahlten Kosten auf 500 Gulden oder
umgerechnet 700 Pfund Heller und vier Schillinge41. Für eine Fertigung der Tafeln in mindestens
zwei Etappen spricht auch die deutlich veränderte technische Behandlung der Rahmenleisten. Wie
oben gezeigt wurde, weicht die Ausführung der Inschriftbänder auf den Außenflügeln von der-

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