Metadaten

Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0278
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
H PATRES . VESTRI MA(N)DVCAVERVNT / MANNA . ET MORTVI SVNT
. IOAN VI7
I LVC / XXIV8 // COGNOVERV(N)T EVM / IN FRACTIONE PA//(N)IS
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. - Wer von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit. -
Eure Väter haben Manna gegessen und sind gestorben. - Sie haben ihn erkannt am Brotbrechen.
K • T ■ T • T • / I W G / [. . ,]c
LI DG/-B-
L2 EH / • S •
Kleinere Wappen: unbekannt9, unbekannt10
Große tingierte Wappen: Flade (?)u, unbekannt12
Die Inschriften B und C informieren über die Entstehung. Danach war das Sakramentshaus eine
private Stiftung des Franz Marquard Flade; seine Gemahlin Apollonia Tausendschön ist hier nicht
erwähnt, aber in den schriftlichen Quellen als Mitstifterin bezeichnet. Flade war ein Sohn des kaiser-
lichen Kammergerichtsassessors Flade und seiner Gemahlin Marie Salome Reininger, welche in
zweiter Ehe den Kammergerichtsassessor Johann Jakob Streit, 1596 Hofrat in Wien, heiratete13. Als
Stiefsohn dieses entschiedenen Kämpfers für die Sache der Gegenreformation beteiligte sich Flade an
den Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Partei und der evangelischen Mehrheit in der
Bürgerschaft zu Weil der Stadt. Die Stiftung des Sakramentshauses 1611 ist zweifellos als „Denkmal der
Gegenreformation“ und damit als Instrument der katholischen Glaubenspropaganda aufzufassen14.
Flades Einfluß nahm noch zu, nachdem er 1616 die Position eines der beiden Bürgermeister erringen
konnte. Bei seinem Tod 1635 erwies sich Flade abermals als Wohltäter der Stadt und der katholischen
Pfarrei durch umfangreiche testamentarische Stiftungen15, darunter die Stiftung eines Eisengitters zum
Schutz des Sakramentshauses16.
Der Bildhauer Georg Müller (hier: Miler), nachweisbar 1602 bis 1631 in Stuttgart, ist als Meister prunk-
voller Grabdenkmäler in Stuttgart und Tübingen hervorgetreten. Das Meisterwerk für Weil hat ihm
vermutlich nach 1612 den Auftrag für das Grabdenkmal der Familie Essich im nahen Merklingen
eingetragen1''. Seine Heimat ist nicht bekannt, doch wird seine künstlerische Herkunft von Fleisch-
hauer in der Epitaphkunst Niederdeutschlands gesehen.
Die Komposition des Sakramentshauses ähnelt derjenigen eines figurenreichen, mehrgeschossigen
Grabdenkmals; für den Sakramentsschrank wurde anstelle der üblichen Konsolzone der Unterbau
eingefügt. Im Mittelpunkt des ikonographischen Programms steht die Einsetzung des Abendmahls, auf
welche die typologischen Szenen des Alten Testaments — Speisung des Elias und Mannalese — als Prä-
figurationen hinweisen.
Die Inschriften sind gedanklich den jeweiligen Szenen zugeordnet und in einer klassischen Kapitalis
ausgeführt, die an Klarheit der Formgebung ihresgleichen sucht.
a So für ADPROPINQVANTES; durch Restaurierung verdorben.
b So für FRANGIMUS.
c Befund unklar; Auflösung des gemalten Monogramms nicht möglich. Vermutlich Renovierungsinschrift aus neuerer
Zeit.
1 Diese — wohl ehemals aufgemalte — Inschrift ist durch Keppler überliefert; sie war ein Hinweis auf 3 Reg 19,5 — 6
mit dem Bericht der Eliasgeschichte.
2 Anfang der Sequenz „Ecce panis angelorum, factus cibus viatorum etc.“ des Thomas von Aqum, Teil des „Lauda
Sion“ der Liturgie des Fronleichnamsfestes; Analecta Hymnica Medii Aevi, Hg. Dreves, G. M., u.a. Leipzig
1886 — 1922, 55 Bde. Neudruck Frankfurt a. M. 1961; hier t. 50, 584.
3 Nach Dt 4,7. Text der Vulgata: „Nec est alia natio tarn grandis quae habeat deos adpropmquantes sibi sicut Dominus
Deus noster adest cunctis obsecratiombus nostris“.
4 1 Cor 10,16.
5 PsG 22,5.
6 Paraphrase nach Io 6,52. Text der Vulgata: „Si quis manducaverit ex hoc pane vivet in aeternum“. Der Zusatz IBIDEM
bezieht sich auf die folgende Bibelsteile, die die Mannalese als Antetypus des Alten Testaments ins Gedächtnis ruft und
im Text vorausgeht.
7 Io 6,49.
8 Paraphrase nach Lc 24,35.
9 Lilie; Helmzier: Hahn zwischen Büffelhörnern.
10 Gemse auf Bergspitze; Helmzier: wachsende Frau (?), in der Rechten eine Blume haltend, die Linke in die Hüfte
gestützt.
II Mit fünf Ringen belegter Sparren, begleitet von drei (2:1) gekrönten, bärtigen Häuptern; Helmzier: Mannrumpf
mit gekröntem, bärtigem Haupt und belegt mit dem Sparren des Schildbilds.
12 Geviert; in 1 und 4 je drei 2:1 gestellte Tierköpfe; in 2 und 3 Schrägbalken; Helmzier: Büffelhörner über Helm-
krone. Vielleicht Tausendschön, das Wappen der Ehefrau.

228
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften