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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0289
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Der Tod ist mein Gewinn (A). - Dem besten und höchsten Gott geweiht (B). - Jesus von Nazareth König der Juden (C).
— Dieses Denkmal als öffentliches Zeugnis der Kindesliebe ließen dem Vater, der sich hohe Verdienste erworben hat, voller
Trauer und Betrübnis die dankbaren Nachkommen setzen. Der Sohn Johann Georg schuf (das Denkmal), der Enkel
Magister Wilhelm Schickhart malte es (F).
Für den Pfarrer Wilhelm (I) Gmelin und Stammvater der heute noch blühenden Gelehrtenfamilie ist
bei seinem Tod 1612 zunächst eine Grabplatte angefertigt worden3. Die Ansetzung des vorliegenden
Denkmals vor 1617 geht aus der Nennung des Todesdatums 20. August 1617 für die zweite Gemahlin
des Wilhelm Gmelin in der Grabschrift hervor. Diese Agnes Waiblinger4, kniend rechts außen, ist auf
dem Gemälde nicht durch Beifügung eines kleinen Totenkopfes als verstorben gekennzeichnet wie die
meisten anderen Familienangehörigen. Also ist das Epitaph noch zu ihren Lebzeiten, nämlich vor dem
20. August 1617, entstanden. Ihr Todesdatum in Inschrift E scheint ein nachträglicher Eintrag zu sein;
die Ziffern sind nicht wie bei den Daten der anderen in der Inschrift aufgeführten Personen von Punk-
ten begleitet und sichtlich mit Mühe in die dafür zu eng bemessenen Lücken eingefügt worden. Ein
weiteres Indiz für die Entstehung des Epitaphs vor dem Tod der Agnes ist die Beifügung eines gemal-
ten Totenkopfs bei Johann Georg Gmelin; dieser jüngste Sohn kniet links außen. Er war Schreiner
zu Wildberg und hat das Denkmal laut Signatur F gezimmert, war aber wohl vor der Vollendung der
Bemalung verstorben5.
Der Familienvater Wilhelm (I) Gmelin aus Weilheim/Teck wurde an der Universität Tübingen am
22. Mai 1559 inskribiert und bestand 1563 seine Magisterprüfung. Er war 1564 zunächst Diaconus in
Cannstatt, wo er sich 1565 mit seiner ersten Frau Magdalena, Tochter des Cannstatter Bürgermeisters
Simon Rieger, verheiratete. Von 1565 — 1611 war er Pfarrer in Gärtringen und starb am 19. Jan. 1612
ebd. Im Gegensatz zu seiner Grabplatte6, auf der als Todesdatum Neuen Stils der 19. Januar angegeben
ist, bringt das hiervorliegende Epitaph den 9. Januar als Todestag noch nach dem Julianischen Kalender
Alten Stils. Nach Aussage des Epitaphs waren zur Zeit der Fertigstellung nur noch die Söhne Simeon,
Wilhelm (II) und Michael am Leben. Der bedeutendste Sohn war Wilhelm (II) Gmelin, 1606 — 1631
Kloster-Präzeptor in Bebenhausen und gestorben als Special zu Böblingen und ein geachteter Theo-
loge; er starb am 1. Nov. 1635 an der Pest'.
Der Enkel Wilhelm Schickhardt (1592 — 1635), laut Signatur (F) der Maler des Denkmals, war ein Sohn
der Margaretha Gmelin (hier vierte von rechts) und des Schreiners und Baumeisters Lukas Schickhardt
(1560 — 1602) zu Herrenberg6. Wilhelm war als Gelehrter vielseitig begabt; neben seinen Aktivitäten
als Professor für Mathematik, Astronomie und Hebräisch in Tübingen trat er gelegentlich — wie
hier — auch als Maler hervor9. Seine Hebräisch-Kenntnisse sind an der Schreibung des Kreuz-Titulus
C sichtbar10.
Das Epitaph zeigt im Hauptfeld die aufEpitaphien der Spätrenaissance seltene Darstellung einer „volk-
reichen“ Kreuzigung mit den gekreuzigten Schächern und den trauernden Angehörigen Jesu. Die
kniende Familie ist diesem Thema zwar betend zugeordnet, ihr Bildraum ist jedoch durch eine Leiste
wie eine Predella vom Hauptbild abgetrennt. In der Bekrönung ist das Porträt des Familienvaters als
Halbfigur wiedergegeben. Damit folgt das Epitaph einem Typus, der zunächst 1584 in dem Epitaph für
den Reformator Johannes Brenz in der Stuttgarter Stiftskirche verwirklicht worden ist, dann aber vor
allem im 17. Jahrhundert beliebt wurde11. Im Bearbeitungsgebiet war dieser Typus schon um 1606 für
das Herrenberger Neuffer-Epitaph gewählt worden12. Da zahlreiche Beispiele in Bebenhausen erhal-
ten sind, ist anzunehmen, daß der dort amtierende Wilhelm (II) Gmelin diese Form nach Gärtringen
vermittelte13.
In der Formgebung herausragend ist die gemalte Frakturschrift in E wegen der sorgfältigen Gestal-
tung vor allem der Versalien. Diese sind von kalligraphischer Schönheit durch die reichlich verwen-
deten Zierstriche.
a Die Grabschrift E ist im Original durch gemalte Schrägstriche gegliedert; diese sind hier an entsprechender Stelle
durch Kommata ersetzt.
b Belege für diese Kürzung in DI 33 (Stadt Jena) nrr. 238, 240, 256. Andere Ergänzung: L(IBENTES) M(ERITO)
QUE; aus freiem Antrieb und aus gutem Grund (Vorschlag von H. Drös).
c Richtig ist: FILIUS.
1 Imjahr 1913 soll die Tafel „erneuert“ worden sein; Gmelin, E., in: BllwürttFamilienkunde 2/3 (1926/1929) 150-158.
2 Phi 1,21.
3 Vgl. nr. 335.
4 Sie war die Witwe des Pfarrers Johann Kühner (Cuon, Kuon) in Sulz am Eck (Stadt Wildberg, Lkr. Calw); Hess,
Chronik Herrenberg, Exemplar HStA, p. 1673; Heimberger, Gärtringen 1982, 378.
5 Sein Todesdatum ist nicht überliefert.
6 Vgl. nr. 335.
7 Biographische Daten bei Gmelin, M., Stammbaum der Familie Gmelin. Karlsruhe 1877; Gmelin, E., in: Bllwürtt-
Familienkunde 2/3 (1926/1929) 150 — 158; Gmelin, A., ebd. 6 (1936) 97—99. — Wilhelm Gmelin (II) heiratete 1600
die Judith Parsimonius (gest. 1619), Tochter des Abtes Johann Parsimomus zu Hirsau, und wurde Erbe von dessen

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