Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0063
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erste Visitation 1525—1527.

35

aufbewahrten Originals Folgendes mitgetheilt: „. in jiglicher Pflege am fürnehmsten
Ort einen Pfarrer einzusetzen, als Aufsehr, doch soll er kein Herr uber sie sein, nit uber sie
herrschen sondern sollen alle gleich sein sich einer des andern Diener und Mitknecht erkennen
und wie solches was unrechts von dem andern bemerkt, soll er ihn freundlich vornehmen, wo
es aber von nötten und mit worten sich nit ändern oder vernehmen lasse, solches der Obrigkeit
anzeigen, die soll verfügen Strafe denn sie ist eine Straferin des bösen.Examen und
Verhörung oft zu halten ......“ Der Kurfürst müsse „eine gemeine Visitation uber das ganze
Land“ anordnen. Die Amtmänner oder Schösser sollen nicht das Recht haben, „die Pastores,
episcopi, Prediger zu setzen oder entsetzen“, sondern dies solle die Landesobrigkeit in die Hand
nehmen. In den Dörfern sollen die Kirchner den Katechismus-Unterricht der Jugend ertheilen.
Die Postille Luther’s solle allgemein verbreitet werden. Die Schulen seien aufzurichten. Die
Einkünfte der Pfarrer seien zu verbessern. Wegen der Bestallung der ministri solle man Luther
fragen. „Da wird uns Gott durch ihn wol zu rathen wissen, der uns wol grosser Ding durch
den Mann geben hat.“
Am 22. November 1526 beantragte Luther beim Kurfürsten Johann, da im Fürstenthum
„päbstlich und geistlicher Zwang und Ordnung aus ist, und alle Klöster und Stifft E. K. F. G.
als dem obersten Haupt, in die Hände fallen“, „in aller Form eine Kirchen- und Schul visitation“
(de Wette III. S. 135). Der Kurfürst Johann sah die Nothwendigkeit dieser durchgreifenden
Massregel ein und betrachtete dieselbe als seine landesherrliche Pflicht. Der Reichsabschied
von Speyer 1526 hatte ihm von Reichs wegen freie Hand gegeben. In seinem Auftrage fanden
Berathungen statt, an denen auch Luther theilnahm.
Am 13. Februar wurden mit der Visitation beauftragt: Hieronymus Schurff, Melanchthon,
Hans Edler von der Planitz und Asmus von Haubitz. Wahrscheinlich wurde die Visitation im
Kurkreise alsbald angefangen. Protokolle sind nicht erhalten. Im Neustädter und Thüringer
Kreise begann die Visitation im Juli 1527. Das gedruckte Ausschreiben des Kurfürsten de dato
Torgau Sonntag Trinitatis (16. Juni) 1527, in welchem er die Visitation ankündigte, findet
sich in Weimar A. Ji. Nr. 192.
Als Grundlage für diese ersten grösseren Visitationen diente eine „Instruktion und be-
felh darauf die Visitationen abgefertigt sind“. Dieselbe befindet sich in Weimar A. Ji. Nr. 191
undatirt. Doch dürfte sie spätestens in den Juli 1527 zu setzen sein. Auch noch für die Visi-
tation von 1528 fand sie Verwendung. Die beiden Instruktionen für die Visitation in Franken,
die sich unter den Daten 6./9. und 27./9. 1528 im Staatsarchiv Coburg Loc. B. tit. II Nr. 6 und
Nr. 7 vorfinden, stimmen fast wörtlich mit dieser Instruktion überein. Vgl. S. 40. Eine Be-
sprechung der Instruktion bei Seckendorff, Hist. Luther. 2, 100; Burkhardt, S. 16ff.;
Rieker, Rechtl. Stellung der ev. Kirch. Deutschlands, S. 154. Ein Abdruck geschah durch
Richter in Ztschr. f. deutsches Recht 4, 45 und in K.O. 1, 77 [nur fehlt ebenda 1, 81 ein einziges
Wort, welches als ausgelassen durch.....bezeichnet wird, welches Richter oder sein Ab-
schreiber offenbar im Originale nicht hat lesen können: „ruchtige“; vgl. für dieses Wort
Richter selbst K.O. 1, 102 Nr. 20]; nach Richter erfolgte der Abdruck bei Grossmann,
Visitationsakten der Diöcese Grimma, S. 10 [aber mit dem Worte „ruchtige“]. Wir drucken
nach dem Original. (Nr. 1.)
Die Instruktion wurde für die einzelnen Kreise verschieden entworfen (Burkhardt S. 18).
Die für Thüringen aufgestellte Instruktion enthielt spezielle Bestimmungen für Neustadt, für die
Mönche in Weimar, das Nonnenkloster in Cronschwitz bei Weida u. s. w. Das Wenige, was
über diese erste Thüringer Visitation früher aus Korrespondenzen bekannt war, hatte Burk-
hardt, a. a. O. S. 18ff. verwerthet. Inzwischen haben sich einzelne Theile des Visitations-
berichts, welcher dem Kurfürsten stückweise zuging, gefunden und sind von Burkhardt in
den Theolog. Studien und Kritiken, 1894, S. 773ff. verarbeitet worden. Die Visitatoren be-
5*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften