Einleitung
den Pfarreien bei künftigen Visitationen geprüft werden. Dem Visitationsabschied ist also eine umfassende
Kirchenordnung beigegeben.93 Dieses Regelwerk behandelte evangelische Lehre, kirchliche Zeremonien,
Kasualien, kirchliche Ämter, Unterhalt der Amtsinhaber, Kirchenzucht sowie verschiedene Missstände.94
Die Kirchenordnung von 1570 geht auf die sächsischen Generalartikel95 von 1557 zurück, aus denen
einige Passagen wörtlich übernommen und mit eigenen Formulierungen ergänzt worden sind.
14. Ordnung für das Kloster Keppel 6. November 1570 (Text S. 130)
Das Kloster Keppel bei Hilchenbach im heutigen Kreis Siegen-Wittgenstein war im 13. Jahrhundert als
Filiale der Prämonstratenserabtei Arnstein an der Lahn zur Versorgung der Siegerländer Adelstöchter
gegründet worden. Das Kloster war von dem Nassauer Lehnsmann Friedrich vom Hain gestiftet worden,
den Nassauer Grafen gelang es jedoch, die Rechte des Abts von Arnstein an sich zu ziehen, um schließlich
selbst als Herren des Klosters aufzutreten.96
Graf Wilhelm I. von Nassau-Dillenburg führte Ende der 1530er Jahre in Keppel die Reformation ein. Er
hob das Kloster jedoch nicht auf, sondern wandelte es in ein evangelisches Damenstift um, mit dem eine
Mädchenschule97 verbunden war. Die Nonnen mussten sich zur Übernahme der bereits seit 1534 im Land
geltenden brandenburg-nürnbergischen Kirchenordnung verpflichten.98 1547 erließ Graf Wilhelm I. schließ-
lich eine Klosterordnung, die an das Regelwerk angelehnt war, das der Abt von Arnstein 1507 für Keppel
erlassen hatte.99 Beide Ordnungen widmeten sich vornehmlich organisatorischen Fragen, sie enthielten
keine Anweisungen für das religiöse Leben der Schwestern.100 Dieser Bereich wurde erst in einer 1558
erlassenen Ordnung geregelt, die der Nassau-Dillenburger Superintendent Bernhard Bernhardi auf Anwei-
sung Graf Wilhelms I. entworfen hatte. Die Ordnung schrieb die Beibehaltung der sieben Stundengebete in
deutscher Sprache vor und führte aus, welche Gebete, die zum Teil Luthers Gesangbuch entlehnt waren, zu
den einzelnen Tagzeiten gesungen werden sollten.101
Die beiden Regelwerke von 1547 und 1558 flossen schließlich in eine umfangreiche Klosterordnung ein,
die Graf Johann VI. 1570 erließ (Nr.14).102 Diese in fünf Teile gegliederte Ordnung behandelt evangelische
93 Vgl. Jacobson, Geschichte, S. 659; Schlosser, Kir-
chengeschichte, S. 10. In der Forschungsliteratur wird
diese Quelle missverständlich als Visitationsordnung
bezeichnet, so Ohrndorf, Einführung, S. 83;
Schröer, Reformation, S. 156; Reu, Quellen III, 1/2,
S. 1199*; Wolf, Einführung, S. 168; Groppler-Gör-
gen, JohannVI. 1, S. 89; Jacobson, Geschichte,
S. 659. Zu dem Visitationsabschied ist eine Stellung-
nahme Graf Johanns VI. überliefert, HHStaatsA Wies-
baden Abt. 171, P 55, fol. 60r-62v, vgl. Münch, Zucht
und Ordnung, S. 72 Anm. 339.
94 Zum Inhalt siehe Münch, Zucht und Ordnung,
S. 68-70; Schröer, Reformation, S. 156f.; Schlosser,
Kirchengeschichte, S. 10; Ohrndorf, Einführung,
S. 83.
95 Abdruck in Sehling, EKO I, S. 316-339.
96 Flender/Hartnack, Geschichte I, S. 1-8, 11-14.
Zum wachsenden Einfluss der Nassauer Grafen auf das
Kloster vor und während der Reformation siehe ebd.,
S. 52-60; Giesekus, Stift Keppel, S. 64.
97 Flender/Hartnack, Geschichte I, S. 47, 60-74.
98 Ebd., S. 38f.; Schröer, Reformation, S. 143.
99 Die Ordnung vom 28. August 1547 ist in zahlreichen
Abschriften überliefert in LAV NRW Münster A 418 I,
Nr. 167/168. Die Ordnung von 1507 findet sich in LAV
NRW Münster A 418 I, Nr. 131a; vgl. Flender/Hart-
nack, Geschichte I, S. 34.
100 Zum Inhalt der Ordnung siehe ebd., S. 34—41f.; Giese-
kus, Stift Keppel, S. 70.
101 LAV NRW Münster A 418 I, Nr. 184. Vgl. Flender/
Hartnack, Geschichte I, S. 43; Demandt, Gestalt
und Bestände, S. 94 Nr. 45; Giesekus, Stift Keppel,
S. 70.
102 Eine weitere Ordnung, die vom 12. November 1567
datiert ist und im wesentlichen den gleichen Umfang und
Inhalt wie diejenige von 1570 aufweist, scheint nicht in
Kraft getreten zu sein, denn in der Vorrede der Ordnung
von 1570 wird als zuletzt erlassene Ordnung nicht Bezug
auf diejenige von 1567, sondern auf die Graf Wilhelms I.
von 1547 genommen. Flender/Hartnack, Ge-
schichte I, S. 46 hielt die Ordnung von 1567 zwar für ein
eingeführtes Regelwerk, ihm war diejenige von 1570
jedoch nicht bekannt. In LAV NRW Münster, A 418 I,
Nr. 208/209 sind mehrere Exemplare dieser Ordnung
überliefert. Die Klosterordnung von 1567 wurde mehr-
fach abgedruckt: Dillenburgische Intelligenz-Nachrich-
ten 1775, Sp.273-280, 289-295, 305-312, 321-327,
337-341; CCN I, Sp. 207-236.
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den Pfarreien bei künftigen Visitationen geprüft werden. Dem Visitationsabschied ist also eine umfassende
Kirchenordnung beigegeben.93 Dieses Regelwerk behandelte evangelische Lehre, kirchliche Zeremonien,
Kasualien, kirchliche Ämter, Unterhalt der Amtsinhaber, Kirchenzucht sowie verschiedene Missstände.94
Die Kirchenordnung von 1570 geht auf die sächsischen Generalartikel95 von 1557 zurück, aus denen
einige Passagen wörtlich übernommen und mit eigenen Formulierungen ergänzt worden sind.
14. Ordnung für das Kloster Keppel 6. November 1570 (Text S. 130)
Das Kloster Keppel bei Hilchenbach im heutigen Kreis Siegen-Wittgenstein war im 13. Jahrhundert als
Filiale der Prämonstratenserabtei Arnstein an der Lahn zur Versorgung der Siegerländer Adelstöchter
gegründet worden. Das Kloster war von dem Nassauer Lehnsmann Friedrich vom Hain gestiftet worden,
den Nassauer Grafen gelang es jedoch, die Rechte des Abts von Arnstein an sich zu ziehen, um schließlich
selbst als Herren des Klosters aufzutreten.96
Graf Wilhelm I. von Nassau-Dillenburg führte Ende der 1530er Jahre in Keppel die Reformation ein. Er
hob das Kloster jedoch nicht auf, sondern wandelte es in ein evangelisches Damenstift um, mit dem eine
Mädchenschule97 verbunden war. Die Nonnen mussten sich zur Übernahme der bereits seit 1534 im Land
geltenden brandenburg-nürnbergischen Kirchenordnung verpflichten.98 1547 erließ Graf Wilhelm I. schließ-
lich eine Klosterordnung, die an das Regelwerk angelehnt war, das der Abt von Arnstein 1507 für Keppel
erlassen hatte.99 Beide Ordnungen widmeten sich vornehmlich organisatorischen Fragen, sie enthielten
keine Anweisungen für das religiöse Leben der Schwestern.100 Dieser Bereich wurde erst in einer 1558
erlassenen Ordnung geregelt, die der Nassau-Dillenburger Superintendent Bernhard Bernhardi auf Anwei-
sung Graf Wilhelms I. entworfen hatte. Die Ordnung schrieb die Beibehaltung der sieben Stundengebete in
deutscher Sprache vor und führte aus, welche Gebete, die zum Teil Luthers Gesangbuch entlehnt waren, zu
den einzelnen Tagzeiten gesungen werden sollten.101
Die beiden Regelwerke von 1547 und 1558 flossen schließlich in eine umfangreiche Klosterordnung ein,
die Graf Johann VI. 1570 erließ (Nr.14).102 Diese in fünf Teile gegliederte Ordnung behandelt evangelische
93 Vgl. Jacobson, Geschichte, S. 659; Schlosser, Kir-
chengeschichte, S. 10. In der Forschungsliteratur wird
diese Quelle missverständlich als Visitationsordnung
bezeichnet, so Ohrndorf, Einführung, S. 83;
Schröer, Reformation, S. 156; Reu, Quellen III, 1/2,
S. 1199*; Wolf, Einführung, S. 168; Groppler-Gör-
gen, JohannVI. 1, S. 89; Jacobson, Geschichte,
S. 659. Zu dem Visitationsabschied ist eine Stellung-
nahme Graf Johanns VI. überliefert, HHStaatsA Wies-
baden Abt. 171, P 55, fol. 60r-62v, vgl. Münch, Zucht
und Ordnung, S. 72 Anm. 339.
94 Zum Inhalt siehe Münch, Zucht und Ordnung,
S. 68-70; Schröer, Reformation, S. 156f.; Schlosser,
Kirchengeschichte, S. 10; Ohrndorf, Einführung,
S. 83.
95 Abdruck in Sehling, EKO I, S. 316-339.
96 Flender/Hartnack, Geschichte I, S. 1-8, 11-14.
Zum wachsenden Einfluss der Nassauer Grafen auf das
Kloster vor und während der Reformation siehe ebd.,
S. 52-60; Giesekus, Stift Keppel, S. 64.
97 Flender/Hartnack, Geschichte I, S. 47, 60-74.
98 Ebd., S. 38f.; Schröer, Reformation, S. 143.
99 Die Ordnung vom 28. August 1547 ist in zahlreichen
Abschriften überliefert in LAV NRW Münster A 418 I,
Nr. 167/168. Die Ordnung von 1507 findet sich in LAV
NRW Münster A 418 I, Nr. 131a; vgl. Flender/Hart-
nack, Geschichte I, S. 34.
100 Zum Inhalt der Ordnung siehe ebd., S. 34—41f.; Giese-
kus, Stift Keppel, S. 70.
101 LAV NRW Münster A 418 I, Nr. 184. Vgl. Flender/
Hartnack, Geschichte I, S. 43; Demandt, Gestalt
und Bestände, S. 94 Nr. 45; Giesekus, Stift Keppel,
S. 70.
102 Eine weitere Ordnung, die vom 12. November 1567
datiert ist und im wesentlichen den gleichen Umfang und
Inhalt wie diejenige von 1570 aufweist, scheint nicht in
Kraft getreten zu sein, denn in der Vorrede der Ordnung
von 1570 wird als zuletzt erlassene Ordnung nicht Bezug
auf diejenige von 1567, sondern auf die Graf Wilhelms I.
von 1547 genommen. Flender/Hartnack, Ge-
schichte I, S. 46 hielt die Ordnung von 1567 zwar für ein
eingeführtes Regelwerk, ihm war diejenige von 1570
jedoch nicht bekannt. In LAV NRW Münster, A 418 I,
Nr. 208/209 sind mehrere Exemplare dieser Ordnung
überliefert. Die Klosterordnung von 1567 wurde mehr-
fach abgedruckt: Dillenburgische Intelligenz-Nachrich-
ten 1775, Sp.273-280, 289-295, 305-312, 321-327,
337-341; CCN I, Sp. 207-236.
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