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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0051
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Einleitung

fasst,111 1575 entwarf der Inspektor Wolfgang Krell112 eine weitere.113 In diesen Schriften erscheint der
Kirchenrat als ein mit geistlichen und weltlichen Räten besetztes Gremium.114
Wenig später wandte man sich jedoch einem anderen Kirchenleitungsmodell zu, das auf Klassenkon-
venten basierte. Man wollte sechs Klassen einrichten, je eine in Siegen, Dillenburg, Herborn, Hadamar,
Diez und Nassau. Johann VI. gab am 12. August 1575 seine Zustimmung. Die Pläne wurden jedoch nicht
vollständig realisiert, lediglich in Siegen, Dillenburg und Diez wurden Klassen gebildet, die unter der
Leitung je eines Inspektors standen.115 Im Gegensatz zum presbyterial organisierten Kirchenleitungsmo-
dell, bei dem die Pfarrer und Ältesten in die Kirchenleitung einbezogen waren, wie es etwa in den Nieder-
landen umgesetzt wurde, stellten die Nassau-Dillenburger Klassenkonvente jedoch lediglich untergeordnete
Pfarrersynoden dar, an denen die Presbyterien keinen Anteil hatten.116 Hier blieb es also zunächst bei der
bisherigen Konsistorialverfassung.
15. Agende [1575] (Text S. 146)
Im November 1573 berieten Graf Johann VI. und sein Rat Andreas Christiani117 mit Gerhard Eoban
Geldenhauer und Dr. Andreas Rauting über eine Examensordnung für die Ordinanden,118 die Kirchengü-
terverwaltung sowie eine Agende. Geldenhauer hatte viele Jahre an der Entstehung der landgräflich-hes-
sischen Kirchenordnung119 von 1566 mitgearbeitet und konnte seine dabei gesammelte Erfahrung in einen
Entwurf der Nassauer Agende einfließen lassen, den er Anfang 1574 vorlegte und der in dieser Form
gebilligt wurde.120 Die Agende trat jedoch erst in der zweiten Hälfte des folgenden Jahres im Zusammen-
hang mit einer Visitation in Kraft,121 in der Teilherrschaft Nassau-Diez sogar erst 1579.122 Die neue Got-
tesdienstordnung löste die bis dahin in Nassau-Dillenburg immer noch geltende brandenburg-nürnbergische
Kirchenordnung ab.
Durch Geldenhauers Mitarbeit gelangten Einflüsse aus hessischen Ordnungen in den Text, die vor allem
im Abschnitt zur Konfirmation deutlich werden: Die in der hessischen Agende von 1574 ausführlich begrün-

111 HHStaatsA Wiesbaden Abt. 171, P 55, fol. 8r-17r, 85r-
86r. Vgl. Münch, Zucht und Ordnung, S. 78f.
112 Wolfgang Krell (1535-1593) war zunächst Lehrer in Wit-
tenberg, er kam 1574 als Inspektor und Pfarrer nach Sie-
gen. Krell blieb bis zu seinem Tod in Nassauer Diensten,
Ohrndorf, Einführung, S. 86 Anm. 37; Münch,
Zucht und Ordnung, S. 76 Anm. 362; Schmidt, Glaube,
S. 206 Anm. 38; Steubing, Biografische Nachrichten,
S. 161-168; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 114.
113 HHStaatsA Wiesbaden Abt. 171, P 55, fol. 33r-37r.
114 Vgl. Münch, Zucht und Ordnung, S. 79; Oestreich,
Grafschaft, S. 45f.
115 Münch, Zucht und Ordnung, S. 53 Anm. 216, S. 77f.
116 Ebd., S. 78.
117 Dr. Andreas Christiani (1545-1609) hatte in Wittenberg
studiert und war in Padua zum Dr. iur. utr. promoviert
worden. Von 1573 bis zum Tod Johanns VI. im Jahr 1606
war er dessen Rat und wichtigster Berater, anschließend
trat er als Rat und Sekretär in die Dienste Moritz’ von
Hessen-Kassel, Ohrndorf, Einführung, S. 86 Anm. 33;
Münch, Zucht und Ordnung, S. 75 Anm. 353.
118 Die Examensordnung wurde am 15. November von
Johann VI. gebilligt (HHStaatsA Wiesbaden Abt. 171,
S 427a, fol. 8r-9v), sie scheint jedoch nicht überliefert zu
sein, vgl. Münch, Zucht und Ordnung, S. 75; Wolf,

Einführung, S. 172; Grün, Kirchenordnung, S. 154f.;
Steubing, Kirchen- und Reformationsgeschichte,
S. 80f.
119 Abdruck in Sehling, EKO VIII, S. 178-337.
120 Münch, Zucht und Ordnung, S. 75; Grün, Kirchenord-
nung, S. 155; Schmidt, Glaube, S. 203. Eine Abschrift
der Ordnung findet sich im Nachlass des Nassauer
Historikers Christian Daniel Vogel (1789-1852), siehe
unten, S. 146 Anm. a. Zur Überlieferung siehe Grün,
Kirchenordnung, S. 153 Anm. 2. Zum Inhalt siehe ebd.,
S.156-159.
121 Dies geht aus einem von Dr. Andreas Rauting verfassten
Gutachten hervor (HHStaatsA Wiesbaden Abt. 171,
P 55, fol. 19r-31v). Hier findet sich fol. 22r der Hinweis:
Und hatt sich ein jede kirche ferners in solchem allem und
mit verwaltungk des gantzen gottesdiensts etc. sonderlichen
zurichten nach der ernewerten, dieses 75ten jars ausge-
schriebener unsers g. h. kirchenagenden, vgl. Münch,
Zucht und Ordnung, S. 76 und Anm. 361, 363; ders.,
Contribution, S. 85f.
122 Der Diezer Superintendent Christoph Weickart hatte
sich zunächst geweigert, die Agende einzuführen, Grün,
Kirchenordnung, S. 155f., 158 Anm. 26; Münch, Zucht
und Ordnung, S. 76, Anm. 356; Schmidt, Glaube,
S. 206f.

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